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Für den Fahrer eines E-Bikes gilt nicht unbedingt die 0,5-Promille-Grenze. Dies hat das Oberlandesgericht Hamm als höhere Instanz entschieden. Der Verkehrsrichter müsse sorgfältig prüfen, ob es sich um ein Fahrrad oder ein Kraftfahrzeug handelt. Für Fahrräder gilt nämlich mit 1,6 eine wesentlich höhere Promille-Grenze.
Dem Betroffenen wurde zur Last gelegt, im Juli 2012 ein E-Bike in Borchen mit einer Blutalkoholkonzentration von 0,8 Promille geführt zu haben. Um das E-Bike in Bewegung zu setzen, müssen seine Pedale getreten werden. Danach kann das E-Bike mit dem Elektromotor angetrieben und beschleunigt werden, indem ein Griff am Lenkrad gedreht wird.
Für das Amtsgericht war klar, dass es sich bei dem E-Bike um ein Kraftfahrzeug handelt. Es verurteilte den Fahrer deshalb zu einer Geldbuße von 750 Euro und einem dreimonatigen Fahrverbot. Die abstrakte Bewertung reichte dem Oberlandesgericht aber nicht aus. Die rechtliche Einordnung von E-Bikes als Fahrrad oder Kraftfahrzeug sei bislang nicht geklärt. Deshalb müsse der Richter in jedem Einzelfall feststellen, wegen welcher Eigenschaften er das E-Bike als Kraftfahrzeug einstuft. Solche Feststellungen enthielt das Urteil des Amtsgerichts jedoch nicht.
Der Fahrer kommt um die Strafe und das Fahrverbot sogar endgültig herum. Er erklärte dem Amtsgericht nämlich in dem neuen Verfahren, sein E-Bike sei nicht mehr vorhanden. Da das Bike nicht mehr in Augenschein genommen werden kann, stellte das Amtsgericht das Verfahren endgültig ein (Aktenzeichen 77 Ds 35/13).
Eine Garantie für so eine freundliche Behandlung besteht natürlich nicht. Deshalb bleibt es am besten, sich erst gar nicht an Promillegrenzen heranzutrinken.
Schwere juristische Schlappe für die Telekom: Das Landgericht Köln hat auf Klage der Verbraucherzentrale NRW Vertragsklauseln für unzulässig erklärt, die eine Drosselung des Surftempos bei Flatrates vorsehen. Die entsprechenden Pläne der Telekom – seither auch als „Drosselkom“ bekannt – hatten nach Bekanntgabe für Wirbel gesorgt.
Festnetz-Kunden, die eine Flatrate gebucht haben, sollten nach den Wünschen der Telekom künftig ausgebremst werden, wenn sie zu viel surfen. Laut den Vertragsbedingungen für Festnetz-Verträge („Call-&-Surf“, „Entertain“) soll die Drosselung greifen, sobald ein vom jeweiligen Tarif abhängiges Datenvolumen (zum Beispiel 75 GB) im Monat überschritten wird. In der Spitze soll das Surftempo dabei auf bis zu gerade mal ein Prozent (2 Mbit/s) abgesenkt werden. Ausgenommen davon soll lediglich die Nutzung des eigenen Internet-Fernsehens der Telekom sein („Entertain“).
Die Verbraucherzentrale NRW klagte gegen die neuen Klauseln, weil sie die Verbraucher benachteiligt sieht. Nicht nur juristisch, sondern auch im Alltag. Nach der Drosselung müssten die Kunden unzumutbar lange warten, wenn sie Internetseiten aufrufen oder etwas herunterladen. Manche Online-Dienste seien mit so einer Datenbremse praktisch nicht mehr nutzbar. So ist laut Verbraucherzentrale ein ruckelfreies Anschauen von HD-Filmen regelmäßig unmöglich. Drastische Qualitätseinbußen drohten auch beim Musikhören oder Telefonieren via Web.
Da die Telekom-Tarife als „Internet-Flatrate“ und unter Angabe der „bis zu“-Maximalgeschwindigkeit beworben werden, sieht die Verbraucherzentrale NRW die nachträgliche Drosselung per Klausel-Hintertür als „unangemessene Benachteiligung“ im Sinne des Gesetzes an. Verbraucherzentralenvorstand Klaus Müller: „Kunden sollten über die gesamte Laufzeit die Sicherheit haben, dass das versprochene Surftempo nicht reduziert wird.“
Das Landgericht Köln gab der Verbraucherzentrale NRW nun Recht und erklärte die Klauseln für unzulässig. Dies gilt für Call-&-Surf-Tarife mit einer maximalen Übertragungsgeschwindigkeit von 50 Mbit/s oder mehr. Für Tarife auch mit geringeren Geschwindigkeiten hat die Telekom zudem anerkannt, dass eine Drosselung auf 384 kbit/s unzulässig ist.
Sollte die Entscheidung rechtskräftig werden, müsste die Telekom die Passagen aus betroffenen Flatrate-Verträgen streichen und dürfte sich auch gegenüber ihren Kunden nicht mehr auf diese berufen. Für eine Surf-Bremse bestünde dann keine wirksame Rechtsgrundlage. Auch die Bevorzugung Telekom eigener Dienste gegenüber denen der Konkurrenz wäre damit vom Tisch.
Die Telekom hat nach Presseberichten bereits erklärt, sie erwäge eine Berufung gegen das Urteil (Aktenzeichen 26 O 211/13).
Die Wahrheitsfindung bei Missbrauchsvorwürfen ist schwierig. Aktuell zeigt dies der tragische Fall eines 62-jährigen Mannes aus dem Allgäu. Seine eigene Tochter hatte ihn mehrfacher Vergewaltigung bezichtigt. Dafür saß er sieben Jahre in Haft. Zu Unrecht, wie sich jetzt am Landgericht Memmingen herausstellte.
Die Tochter hatte im Alter von 15 Jahren behauptet, ihr Vater habe sie in der Vergangenheit mehrfach schwer sexuell missbraucht. Die Taten seien geschehen, als sie neun und zehn Jahre alt war. Nun räumte die Frau ein, dass sie damals vor dem Landgericht Kempten gelogen hat. Tatsächlich habe sie ihren Vater nur gehasst und ihm schaden wollen. Hintergrund war eine Beziehungskrise der Eltern.
Nach der Trennung von ihrem Mann habe die mittlerweile verstorbene Mutter sie aufgehetzt, sagte die Frau. Mit Hilfe des Terminkalenders ihrer Mutter habe sie eine Lügengeschichte konstruiert, die ihr mehrere Gutachter und auch das Gericht abnahmen. Am Ende ging der Vater sieben Jahre ins Gefägnis. Seine Haftstrafe saß er bis zum letzten Tag.
Mittlerweile hat das angebliche Missbrauchsopfer selbst drei Kinder. Die Geburt ihres ersten Kindes habe ihr den Anstoß gegeben, die Wahrheit zu sagen, erklärte die Frau nun vor dem Landgericht Memmingen. Sie habe zwar auch zuvor Gewissensbisse gehabt, sich aber nie zu einer wahrheitsgemäßen Aussage aufraffen können. Und das, obwohl seinerzeit sogar ihr kleiner Bruder ins Heim kam.
In solchen Verfahren spielen Gutachter eine entscheidende Rolle. Sie prüfen für das Gericht, ob das mutmaßliche Opfer die Warheit sagt. Dabei muss im ersten Prozess, der 1996 stattfand, viel schief gegangen sein. Ein neuer Sachverständiger sagte jetzt im Wiederaufnahmeverfahren, die damaligen Gutachterinnen seien inkompetent gewesen. Sie hätten untaugliche Methoden angewendet und die Geschichte des Mädchens nicht hinreichend hinterfragt.
Der zu Unrecht verurteilte Familienvater kann jetzt auf eine späte Entschädigung für die Haftzeit durch den Staat hoffen. Allerdings zunächst mal nur in der Höhe der gesetzlichen Mindestsumme von 25 Euro pro Tag, von der die penible Justiz oft noch rund sechs Euro pro Tag für Kost und Logis abzieht. Die Tochter des Freigesprochenen hat strafrechtlich kaum was zu befürchten. Ihre Taten dürften verjährt sein.
In der Justizvollzugsanstalt Köln können auch Anwälte nicht einfach so Besuche machen. Sie sollen sich per Fax anmelden. Nach Möglichkeit am Vortag. Oder mindestens zwei Stunden im voraus. Heute konnte ich erleben, was passiert, wenn man sich nicht an die Regeln hält…
Ein morgendlicher Gerichtstermin war überraschend schnell zu Ende. Das war nicht nur vom Ergebnis her erfreulich. Mir kam auf der Rückfahrt der Gedanke, den Besuch bei einer Mandantin in der JVA Köln-Ossendorf vorzuziehen. Da wollte ich eigentlich nächste Woche hin. Aber was erledigt ist, ist erledigt.
Ich nahm also kurzerhand die Abfahrt Bocklemünd und absolvierte das Kontrollritual am Eingang des Klingelpütz. Der Mitarbeiter am Eingang des Besucherbereichs für Anwälte sprühte natürlich nicht gerade vor Begeisterung. Allerdings, das muss ich sagen, hörte er sich meine kleine Erläuterung für den Spontanbesuch geduldig an. Dann griff er zum Telefonhörer und erkundigte sich bei seinen Kollegen vom Besuchsdient, ob und wie schnell sie meine Mandantin dazwischenschieben können.
„Wenn Sie 15 Minuten warten können“, sagte er, „kriegen wir das ausnahmsweise mal hin.“ Tatsächlich war meine Mandantin schon schon nach zehn Minuten im Besuchszimmer. Keine schlechte Leistung, wenn man weiß, welche Fußwege man in der JVA Köln zurücklegen kann.
Wie man sieht, gibt es auch in der Justiz Freundlichkeit und Entgegenkommen. Und beim nächsten Mal schicke ich vorher wieder ein Fax.
In meiner aktuellen Kolumne auf der Webseite der ARAG gehe ich dem Geheimnis nach, warum man Verträge ganz einfach online schließen, sie aber nur sehr schwer online kündigen kann.
Das Bundeskriminalamt betreibt mit „SECURIUS“ eine interessante Auskunft für Opfer von Straftaten. Und natürlich für Leute, die sich mal anschauen wollen, wie es bei anderen zu Hause so aussieht. Es handelt sich bei den Einträgen in der Datenbank meist um Fotos mutmaßlicher Beute aus Einbrüchen und Raubüberfällen. Für die Opfer von Straftaten ist das natürlich eine gute Sache. Woher sollten sie sonst wissen, dass ihre aus dem Münchner Haus geklaute Brosche in einem Bremer Pfandhaus sichergestellt worden ist.
Allerdings scheint es so, als ob nicht alle Beweismittel auf diesem Weg zu ihren Besitzern zurückfinden. Besonders ins Auge gefallen ist einem Leser des law blogs ein Kassenzettel von Rossmann. Der Bon dokumentiert den Kauf einer Dose Deospray Garnier Men, Sagrotan, Persil Gel und Alouette-Küchentüchern. Gesamtpreis 13,33 Euro.
Bisher hat sich anscheinend noch niemand gefunden, der den Kassenzettel vermisst. Oder sich zumindest als Besitzer des Bons outen möchte. Schon seit knapp anderthalb Jahren steht der Zettel nun schon in der Datenbank. Aber gut zu wissen, dass alles seine Ordnung hat.
Mit Tricks und Täuschereien habe ich berufsbedingt öfter zu tun. Eher selten ist dagegen die Erfahrung, von einem Mandanten so richtig schön aufs Kreuz gelegt zu werden. Vor kurzem ist allerdings genau das passiert.
Der Fall, um den es ging, war zügig gelöst. Also Vollzugsmeldung an die Mandantin; meine Gebührenberechnung legte ich bei. Sie zahlte aber nicht, sondern wies mich auf ihre Rechtsschutzversicherung hin. Von der ich bis dahin nichts wusste. Nun ja, ich sandte meine Rechnung an die Versicherung und hörte – erst mal nichts.
Auf mehrfache Rückfrage kam dann folgendes Schreiben von der Versicherung:
Ihre Anwaltsgebühren sind mittlerweile ausgeglichen.
Also suchten wir hier im Büro nach einem Geldeingang. Möglicherweise war ja was falsch gebucht. Aber nichts dergleichen. Nachfrage beim Rechtsschutz. Diesmal kriegte die Sachbearbeiterin die Zähne etwas weiter auseinander. Die Gebühren seien gezahlt. Aber das Geld sei direkt auf das Konto der Kundin gegangen, also an die Mandantin.
Wie sich herausstellte, hat die Mandantin meine Rechnung sofort bei der Versicherung eingereicht. Gegenüber der Versicherung sagte sie ausdrücklich, sie habe die Rechnung schon bezahlt. Logisch, dass die Versicherung ihr die Kosten dann direkt erstattete. Ebenso logisch, dass die Rechtsschutzversicherung das Geld kein zweites Mal auf den Tisch legt.
So gucke ich in die Röhre. Mittlerweile hat die Frau nämlich die eidesstattliche Versicherung abgegeben, so dass eine Klage gegen sie nur zusätzliches Geld verbrennt. Eine Zeitlang dachte ich darüber nach, ob ich die Frau anzeige. Aber sie hat schon einiges im Vorstrafenregister stehen, ist jedoch immer mit Bewährung davongekommen. Irgendwie möchte ich nicht, dass ein Richter ausgerechnet diesen Fall zum Anlass nimmt, die Mandantin wirklich mal einzusperren.
Deshalb habe ich mich für eine andere Lösung entschieden. Ich mache am Ende dieses Satzes einen Punkt, dann lege ich die Akte endgültig ab.
Die private Überwachung des öffentlichen Raums ist zwar fast immer illegal, aber inzwischen Alltag. Sehr schön zeigt das ein Überwachungsvideo aus Gütersloh. Vordergründig erfüllen die Aufnahmen zwar einen guten Zweck. Sie helfen einen Unfall auf einer Straßenkreuzung zu klären. Ein Rettungswagen im Einsatz war mit einem Auto zusammengestoßen. Tatsächlich aber zeigen die Bilder auch, mit welcher Selbstverständlichkeit heute private Überwachungskameras auf öffentlichen Grund gerichtet werden.
Die Bilder der stationären Überwachungskamera stammen von einer Tankstelle an der betreffenden Kreuzung. Im Bild vorne ist ein Teil des Tankstellengeländes zu sehen, erfasst wird in guter Qualität jedoch auch der gesamte Kreuzungsbereich – und sogar die gegenüberliegenden Wohnhäuser samt ihrer Eingänge. Somit ist das gesamte Areal dauerhaft im Blickfeld der Kamera.
Zulässig ist das nicht. Überwachungskameras dürfe nur unter sehr engen Voraussetzungen auf den öffentlichen Raum und fremde Privatgrundstücke gerichtet werden. Hier ist noch nicht einmal ansatzweise erkennbar, warum die Tankstelle Flächen außerhalb ihres Betriebsgeländes überwachen muss. Aber selbst wenn es hierfür wichtige Gründe gäbe, müssten diese mit den Interessen der Überwachten abgewogen werden. Leicht zu erraten, wie die Abwägung in diesem Falls ausginge.
Überdies haben entweder der Tankstellenbetreiber oder die örtliche Polizei offenkundig auch keine Probleme damit, solche rechtswidrig zustandegekommenen Aufnahmen auch noch öffentlich zu machen. Jedenfalls ist das Video an die Neue Westfälische gelangt. Die Zeitung bindet es derzeit in ihre aktuelle Berichterstattung ein, so dass sich jeder selbst ein Bild machen kann.
Ähnliches Thema, auch aus Gütersloh: Pranger für mutmaßliche Ladendiebe
Gegen einen Mandanten wurde wegen eines versuchten Sexualdelikts ermittelt. Und zwar intensiv. Nach der ergebnislosen Spurensicherung befragte die Polizei diverse Zeugen.
Außer endlosen Vernehmungsprotokollen kam nichts heraus. Dennoch beabsichtigte der Polizeibeamte anscheinend, noch weiter zu bohren. Was ich, offen gesagt, für verschwendete Arbeitszeit hielt.
Ein Gespräch mit der zuständigen Staatsanwältin brachte nicht sonderlich viel. Sie ließ mich wissen, sie schaue sich die Akte an, wenn diese auf ihrem Schreibtisch lande. Also normalerweise erst nach Abschluss der polizeilichen Ermittlungen. Bis dahin solle ich mich gedulden.
Und dabei zusehen, wie das private Umfeld meines Mandanten immer weiter den Bach runtergeht? Immerhin fragte der Polizeibeamte mittlerweile schon im entfernteren Verwandten- und Freundeskreis. Es war wohl nur noch eine Frage der Zeit, bis er auch beim Arbeitgeber auftauchte. Was für meinen Mandanten das berufliche Aus bedeutet hätte.
Ich ergriff also die Initiative und beantragte bei der Staatsanwaltschaft, mich als Pflichtverteidiger beiordnen zu lassen. Das hätte die Staatskasse am Ende natürlich einiges Geld gekostet. Interessanterweise gelangte die Akte gar nicht zum Amtsgericht, welches über den Antrag zu entscheiden gehabt hätte.
Die Staatsanwältin stellte das Verfahren postwendend ein, und zwar genau mangels Tatverdachts. Damit war auch eine meine Bestellung als Pflichtverteidiger hinfällig. Der Staat muss kein Geld in die Hand nehmen. Der Polizeibeamte wird sich nun sicher eine neue Aufgabe suchen.
Schreiben der Knappschaft Bahn See:
Sehr geehrte Damen und Herren,
der oben genannte Versicherte ist am 14. August 2013 verstorben. Die Pfändung hat somit ihre Erledigung gefunden.
Ich weiß, man kann so eine Nachricht kaum formulieren, ohne dass sie merkwürdig klingt. Klingt trotzdem merkwürdig.
Einer neuen Mandantin steht leider kein komfortables Wochenende bevor. Die Polizei hat sie heute am frühen Nachmittag eingesammelt, als sie von der Arbeit nach Hause kam. Gegen die Mandantin liegt ein Haftbefehl vor. Ein unnötiger allerdings.
An sich geht es um keine großen Dinge. Nichts jedenfalls, für das man ins Gefängnis müsste. Grund für den Zugriff war ein anderer. Die Mandantin war zu einem Verhandlungstermin gegen sie nicht erschienen. Sie sagt, sie hätte dem Gericht mitgeteilt, dass sie wegen einer Auslandsreise nicht kommen kann. Allerdings reichte der Richterin die Entschuldigung nicht. Sie hielt am Termin fest, und meine Mandantin kümmerte sich nicht weiter um die Sache.
Ein Richter, der vergeblich wartet, ist regelmäßig nicht gut gelaunt. Besonders wenn noch der eine oder andere Zeuge vor der Saaltüre wartet. Die Richterin hatte nach dem Gesetz zwei Optionen:
Ist das Ausbleiben des Angeklagten nicht genügend entschuldigt, so ist die Vorführung anzuordnen oder ein Haftbefehl zu erlassen.
Die Vorsitzende entschied sich für die härtere Gangart in Form des Haftbefehls.
Bei der milderen Lösung, der Vorführung, wird der Angeklagte nur rechtzeitig vor dem Verhandlungstermin festgesetzt, etwa am Abend vor der angesetzten Verhandlung. Mitunter holt die Polizei die Betroffenen auch erst in aller Herrgottsfrühe zu Hause ab. Ohne Vorankündigung natürlich.
Beim Haftbehl sieht das im Normalfalls anders aus. Das Gericht beraumt erst mal keinen Termin an. Es wartet vielmehr, bis der Angeklagte verhaftet ist. Und schaut dann mal, wann eine Verhandlung möglich ist.
Mit der Festnahme wird die Angelegenheit zur Haftsache. Diese muss also schleunigst erledigt werden. Das bedeutet bei der Justiz aber keineswegs von heute auf morgen. Nein, bis zur Hauptverhandlung können dann auch mal eine oder zwei Wochen ins Land gehen. Bei komplexeren Verfahren auch mehr. Außerdem bedeutet ein Haftbefehl nicht, dass der Angeklagte am ersten Verhandlungstag wieder entlassen wird. Der Haftbefehl kann vielmehr bis zum Abschluss des Verfahrens bestehen bleiben.
Das hat natürlich gravierende Folgen. Meine Mandantin hat zwei minderjährige Kinder, um die sich jemand kümmern muss. Dem Arbeitsplatz tut so eine Geschichte auch nicht gut. Meine Aufgabe ist es jetzt, den Haftbefehl aus der Welt zu kriegen. So schlecht stehen die Chancen nicht. Entweder durch ein Gespräch mit der Richterin. Oder, falls das nichts bringt, mit einer Beschwerde zum nächsthöheren Gericht.
Argumente gibt es schon einige. Immerhin hatte die Mandantin sich ja um eine Entschuldigung bemüht. Sie war also nicht „einfach so“ weggeblieben. Angesichts dieser Umstände stellt sich die Frage, ob das alles noch verhältnismäßig ist. Immerhin hätte, so finde ich, ein Vorführbefehl für den nächsten Verhandlungstermin das Ziel auch erreicht.
Bis Montag muss die Mandantin aber auf jeden Fall Geduld haben, im Fall einer Beschwerde womöglich auch länger. Wer nicht unbedingt eine Haftanstalt von innen kennenlernen will, sollte sich deshalb einen Rat zu Herzen nehmen: Gerichtlichen Ladungen folgt man besser, so lange sie nicht aufgehoben sind. (Ob man im Gericht was sagt, ist eine ganz andere Sache.) Das erspart nicht nur den Knast. Sondern auch das Geld für den Anwalt.