Auf dem Papier sah es für meinen Mandanten nicht sonderlich gut aus. Er hatte bei einem neuen “Lieferanten” Koks bestellt. Für exakt 1.000 Euro, weil man als Großkunde halt das eine oder andere Gramm mehr bekommt. An die richtige Adresse war der Mandant aber nicht geraten – zwei Tage später kriegte er Hausbesuch von der Polizei.
Zu einem Haftbefehl kam es glücklicherweise nicht. Der Mandant lebt in, wie man das so nennt, geordneten Verhältnisse. Er stand auch nicht im Verdacht, mit dem Zeug zu handeln. Auf der anderen Seite sind die bei ihm beschlagnahmten 9,1 Gramm netto (also der reine Wirkstoff) aber keineswegs ein Pappenstiel.
Die “nicht geringe Menge” fängt bei 5 Gramm Wirkstoff an, ab da reden wir zum Einstieg schon gleich über ein Verbrechen. Mindeststrafe: 1 Jahr. Es gibt auch Richter, die bei solchen Mengen durchaus überlegen, ob sie überhaupt noch zu einer Bewährungsstrafe kommen. Zu allem Überfluss hat mein Mandant auch noch einen Beruf, wegen dem er einer Kammer angehört. Die Kammern orientieren sich durchaus gern mal am Beamtenrecht. Ein Beamter, der wegen eines Verbrechens verurteilt wird, verliert seinen Job.
Das waren keine sonderlich guten Voraussetzungen für den unvermeidlichen Strafprozess. In solchen Fällen gibt es eigentlich nur eine Möglichkeit: das Gericht zu überzeugen, dass ein minder schwerer Fall vorliegt. Das verschiebt den Strafrahmen nach unten, so dass auch weniger als ein Jahr Freiheitsstrafe rauskommen kann.
Ich sammelte natürlich alle Dinge, die für meinen Mandanten sprechen. Da kam einiges zusammen, aber zwingende Gründe für einen minder schweren Fall gab es nicht. Allerdings gab es noch einen Umstand, den zumindest der Staatsanwalt vor der Verhandlung nicht gesehen hatte.
Es ging um den Stoff, den mein Mandant gekauft hatte. Wenn man das Wirkstoffgutachten aufmerksam las, fiel eines auf. Jemand hatte meinem Mandanten extrem reines Zeug angedreht. Laut Gutachten machte der Wirkstoff 89 Prozent der Gesamtmenge aus. Normalerweise gelten schon 30 bis 40 Prozent als Handelsklasse A.
Der Staatsanwalt erwähnte in seinem Plädoyer diesen Umstand mit keinem Wort. Ich dagegen schon. Die Argumentation war folgende: Mein Mandant hat Ware von einer Qualität erhalten, mit der er ernsthaft nicht rechnen konnte. Guten Gewissens konnte ich darauf verweisen, dass mir trotz der drei, vier Drogenmandate seit Beginn meiner Antwaltstätigkeit noch kein Kokain-Fall untergekommen ist, bei dem die Wirkstoffkonzentration nennenswert über 40 Prozent lag.
Auf diese Weise konnte ich knapp 50 Prozent der Menge aus dem Vorsatz rausrechnen. Zwar nicht im technischen Sinne, aber halt im Rahmen des bereits erwähnten “minder schweren Falles”. Immerhin hätte mein Mandant die nicht geringe Menge nicht überschritten, wenn er das bekommen hätte, was als guter Stoff gilt.
Zu meiner großen Freude griff die Richterin das Argument auf, die Schöffen hatten schon bei meinen Plädoyer zustimmend genickt. So lagen war am Ende bei einer Freiheitsstrafe von gerade mal neun Monaten auf Bewährung. Damit dürften insbesondere die berufsrechtlichen Komplikationen gebannt sein.
Für meinen Mandanten war das natürlich eine große Erleichterung. Er hatte nun anderthalb Jahre gebangt, auch um die Zukinft seiner zwei Kinder. Mit den Drogen hat er schon direkt nach der Hausdurchsuchung Schluss gemacht. Auch das konnte er natürlich mit Attesten belegen.