Gegen ein Strafurteil des Amtsgerichts habe ich für meine Mandantin Berufung eingelegt. Das ist ganz normales Alltagsgeschäft, denn mit einer Berufung brennt erst mal nichts an. Zurücknehmen lässt sich das Rechtsmittel immer noch, sogar im späteren Verhandlungstermin.
In dem Fall habe aber nicht nur ich, sondern auch der Staatsanwalt Berufung eingelegt. Das ist natürlich sein gutes Recht. Etwas komplizierter wurde es dadurch, dass ich eigentlich keinen Wert darauf lege, dass die gesamte Verhandlung – wie vorgeschrieben – noch mal wiederholt wird.
Meine Mandantin hatte nämlich gestanden. Jetzt ging es nur noch darum, die Strafe in der nächsten Instanz noch etwas zu reduzieren. Zum Beispiel mit der Begründung, dass zwischen dem ersten Urteil und der neuerlichen Verhandlung ja wieder etliche Monate lagen, in denen sich meine Mandantin tadellos geführt hat.
In so einem Fall lässt sich die Berufung auf das Strafmaß beschränken. Dann wird nur noch über die Höhe der Strafe verhandelt. Allerdings beschränke ich die Berufung natürlich nur dann, wenn auch der Staatsanwalt mitzieht. Ich rief ihn also an und fragte, ob er ähnliche Gedanken hegt wie ich (allerdings natürlich in umgekehrter Richtung, nämlich mit dem Ziel einer härteren Strafe).
Genau so war es. Ich bot also an, dass wir übereinstimmende Erklärungen ans Gericht senden. Doch der Staatsanwalt beharrte auf Vorleistung. Er wollte partout, dass ich als erster die Berufung beschränke. Sein Schreiben wollte er erst absenden, wenn er eine Bestätigung vom Gericht erhalten hat, dass meine Erklärung vorliegt.
Ich fragte ihn natürlich, ob er Misstrauen gegen mich hegt. Normalerweise wird in der Justiz zwar durchaus mit harten Bandagen gekämpft, aber dreiste Verarsche gehört nicht dazu. Er wollte aber nicht so recht mit der Sprache raus. Da ich den Mann aber bislang nicht kannte und ihn dementsprechend nicht einschätzen konnte, musste ich mir meine Gedanken machen.
Jetzt einfach so in Vorleistung zu treten, war mir jedenfalls zu riskant. Ich rief also die Richterin an und erzählte ihr, woran die Beschränkung derzeit scheiterte. Erwartungsgemäß war die Richterin natürlich daran interessiert, die Sache überschaubar zu halten. Deshalb musste ich sie auch nicht lange überzeugen, dass sie für einfach mal die Zeugin spielt.
Sie telefonierte also ebenfalls mit dem Staatsanwalt und ließ sich bestätigen, dass er die Berufung zurücknimmt, sobald ich das getan habe. So hatte ich wenigstens einen “Beleg”, falls der Staatsanwalt tatsächlich tricksen wollte.
Das hat er aber nicht getan. Seine Berufungsbeschränkung ging postwendend ein. Ich habe danach noch mal einen Anwaltskollegen angerufen, den ich in der Region kenne. Er konnte mich beruhigen. “Der Staatsanwalt ist ein Zauderer vor dem Herrn”, erzählte er. “Mit dir hat das garantiert nichts zu tun.” Ich werde es mir trotzdem merken – vielleicht lässt sich dieses Wissen ja in der Verhandlung nutzen.