Foto-Fahndung mit Bildern von Überwachungskameras kommt anscheinend in Mode. Dabei stellt die Polizei aber nicht nur Bilder von Tatverdächtigen ins Netzt, sondern zunehmend auch Fotos von Zeugen, denen selbst gar keine Straftat zur Last gelegt wird. Nach dem Mann, dem sein Skateboard abhanden gekommen war und dessen Bild nach über drei Wochen noch immer in der Online-Presse abrufbar ist, hat mich ein Leser auf die nächste fragwürdige Fahndung aufmerksam gemacht.
Diesmal sucht die Leipziger Polizei nach einer Frau. Sie soll, so berichten Zeugen, in den Abendstunden in Grünau mit der Bahn Richtung Plovdiver Straße gefahren sein. In Höhe der Kiewer Straße sei sie von Jugendlichen beschimpft und bespuckt worden. Zwei Männer seien aber eingeschritten, worauf die Jugendlichen von der Frau abließen.
Das Bild der möglicherweise Betroffenen streute die Leipziger Polizei über ihren normalen Presseverteiler. Die regionalen Medien haben das Thema natürlich aufgegriffen und brav das Foto abgedruckt. Natürlich auch in den Online-Ausgaben, siehe etwa hier.
Auch in diesem Fall liegen die Voraussetzungen für eine Foto-Veröffentlichung nicht vor. Dabei spielt es noch nicht mal eine Rolle, ob die Polizei im Vorfeld alle Mittel ausgeschöpft hat, den Namen der Zeugin anderweitig zu ermitteln. So ist sie insbesondere verpflichtet, erst mal alle konventionellen Methoden auszuschöpfen. Im übrigen müsste sie auch überlegen, ob es in so einem Fall nicht ausreicht, die Frau in der Mitteilung zu beschreiben.
Selbst wenn das alles geschehen sein sollte, liegt aber keine “Straftat von erheblicher Bedeutung” vor. Genau diese verlangt das Gesetz aber, um nach einem unbekannten Zeugen öffentlich zu fahnden. Die Vorschrift soll genau das verhindern, was nun passiert – dass wegen eines geringfügigen Anlasses die Persönlichkeitsrechte einer Bürgerin auf der Strecke bleiben.
Offensichtlich hat die Frau sich ja noch nicht mal selbst an die Polizei gewandt. Ihre Gründe hierfür sind egal. Niemand muss eine Straftat – von exotischen Ausnahmen abgesehen – anzeigen, wenn er es nicht möchte. Rechtfertigen muss man sich dafür nicht.
Es spricht also schon viel dafür, dass die Betroffene ihre Gründe hatte, keine Anzeige zu machen. Nun wird sie wegen eines geringfügigen Anlasses öffentlich bloßgestellt und selbst Gegenstand von Begehrlichkeiten. Nämlich denen der Polizei, die eine “Jugendbande” zur Strecke bringen möchte.
Es ist nicht auszuschließen, dass die Frau damit ein zweites Mal zum Opfer wird. Vielleicht wird es Zeit, dass Betroffene mal gegen solche Aktionen klagen. Wenn schon ein Blick ins Gesetz nichts hilft, hält vielleicht ein stattliches Schmerzensgeld Polizeidienststellen künftig von solchen Methoden ab.
Sofern ein Richter die Veröffentlichung durchgewinkt haben sollte, ist auch das kein Trost. Sondern nur ein weiteres Beispiel dafür, dass der Richtervorbehalt in vielen Fällen nur noch Dekor ist.