Auch Gerichte machen Fehler. Zu den häufigsten gehört, sachfremde Erwägungen in die Entscheidung einfließen zu lassen.
Ich erinnere mich gerne, als ich einen mutmaßlichen Räuber verteidigte, der den Fahrtweg zu seinem ausgemachten Opfer nicht genau kannte. Deshalb kaufte er unterwegs an der Tankstelle einen Stadtplan. Das Landgericht wertete das strafschärfend. Nein, sagte der Bundesgerichtshof – so eine Vorbereitungshandlung sei schlicht “neutral”. Nicht alles, was man vielleicht moralisch oder sonstwie verwerflich hält, ist halt auch strafrechtlich relevant.
Fast noch offensichtlicher als der Stadtplanfehler ist die Argumentationspanne, die dem Landgericht Nürnberg Fürth nun unterlief. Auf der Anklagebank saß ein junger Mann. Er soll bei einer Demonstration Landfriedensbruch begangen und Widerstand geleistet haben. Das Gericht verschärfte das Urteil, weil der Bruder des Angeklagten Polizeibeamter ist. Wörtlich:
Von daher hätte erwartet werden können, dass der Angeklagte für andere Polizeibeamte, die pflichtgemäß das tun, was ihnen befohlen wird, etwas Verständnis aufbringt.
Das klingt entfernt nach umgekehrter Sippenhaft, und so kam die Botschaft beim Bundesgerichtshof auch an:
Diese Erwägung erweist sich als rechtsfehlerhaft, weil sich aus dem Umstand, dass der Bruder des Angeklagten ebenso Polizeibeamter ist wie die vom Angeklagten angegriffenen Geschädigten, keine gesteigerten Pflichten des Angeklagten für das verletzte Rechtsgut ergeben und sich dieser daher auf das Maß der der Tat innewohnenden Pflichtwidrigkeit nicht auswirkt
Auch wenn der Hinweis auf den Bruder sicher nur ein argumentativer Schlenker war, muss die Sache neu verhandelt werden (Beschluss vom 14. Mai 2013, Aktenzeichen 1 StR 122/13).