Vor wenigen Tagen bescheinigte Bundesinnenminister Hans-Peter Friedrich Menschen, die sich kritisch über die Datenschnüffelei der USA äußern, Antiamerikanismus und Naivität. Das gehe ihm gewaltig auf den Senkel, fügte Friedrich hinzu. Seit heute stellt sich allerdings verschärft die Frage, wie naiv der Innenminister selbst ist.
Die für ihn sakrosankten transatlantischen Freunde sollen nämlich nicht nur den Internetverkehr der EU-Bürger flächendeckend kontrolliert haben. Laut Spiegel haben sie das auch Wanzen in offiziellen EU-Vertretungen installiert und das Behördennetzwerk infiltriert.
Die Enthüllung basiert auf Informationen des Whistleblowers Edward Snowden. Fielen die Reaktionen auf die Überwachung der Bürger noch relativ milde aus, dürfte die Empörung jetzt deutlich wachsen. Und zwar aus gutem Grund. Die Anfänge vom heutigen Tag sind hier dokumentiert.
Immerhin ist es – zumindest aus Sicht von Politikern – qualitativ schon noch etwas anderes, ob du und ich abgehört werden. Oder die Repräsentanten einer demokratischen Staatengruppe. Gegen die EU als solche, aber auch gegen den durchaus auch mal in EU-Räumen tagenden deutschen Innenminister und seine Kollegen ist das von den USA stets hochgehaltene Argument, Tempora und andere Sicherheitsprogramme dienten dem Kampf gegen den Terrorismus, offenkundig nur bedingt zu gebrauchen.
Es ist nämlich momentan kaum anzunehmen, dass die US-Sicherheitsbehörden die EU-Gremien als einen Ort betrachten, an dem Anschläge geplant werden. Andererseits lässt das Vorgehen der Amerikaner dann nur den Schluss zu, dass sie in ihrer Hybris mittlerweile schlichtweg jedes Mittel für angebracht halten, um ihre Ziele zu verfolgen.
Es mag in den USA Gesetze geben, die das Handeln der NSA legitimieren. Aber diese Gesetze sind für Deutschland und die EU nicht relevant. Die USA überwachen Deutschland und die anderen EU-Staaten, deshalb dürfen wir ihnen auch unsere Regeln entgegengehalten. Diese stellen Spionage in dieser Dimension nicht nur unter Strafe, wir sollten so einen Umgang unter (Noch-)Freunden auch – um ein Wort der Kanzlerin aufzugreifen – mit der nötigen Verachtung strafen.
Auch im Umgang mit dem wichtigsten Bündnispartner und der größten Wirtschaftsmacht gibt es nämlich für die EU Grenzen der Selbstachtung. Wenn die EU nicht spätestens jetzt klare Signale an die USA sendet, dass wir dieses Spiel nicht mitmachen und uns dem eingeschlagenen Weg verweigern, ist es womöglich wirklich zu spät, dann lässt sich die absehbare “Kernschmelze” des Rechtsstaats nicht mehr eindämmen.
Die Bundesregierung und die EU müssen langsam aufhören, mit Wattebäuschen nach den USA zu werfen. Ein wichtiger Schritt in diese Richtung wären nicht nur deutliche Worte, sondern auch ein Untersuchungsausschuss des Europarlaments.
Dann würden wir möglicherweise auch erfahren, wie weit es mit der Kooperation zwischen europäischen und amerikanischen Sicherheitsbehörden wirklich ist, über die der Guardian aktuell berichtet. Gut möglich, dass uns danach der Innenminister und so manch anderer gehörig auf den Senkel geht.