Bei den einen ist Containern schlichte Not, bei anderen auch politische Demonstration. Jedenfalls ist Selbstbedienung aus den Abfallbehältern der Lebensmittelmärkte gesellschaftliche Realität. Und zu dieser muss sich früher oder später auch die Justiz äußern.
Ist Containern strafbar oder nicht? Das Landgericht Aachen fällte nun zwar kein wegweisendes Urteil, aber die Richtung ist klar: Wer Lebensmittel aus dem Abfalleimer fischt, muss keinen sonderlich großen Ärger mit der Justiz fürchten.
Die Geschichte beginnt vor einem Rewe-Markt in Düren. Dort bedienen sich eine 21-Jährige und ein 28-Jähriger nachts am Abfallcontainer des Supermarktes. Eine Nachbarin hält das für einen Einbruchsversuch und ruft die Polizei. Diese stellt die Personalien der Verdächtigen fest.
Dass es im Anschluss überhaupt zu einem Prozess kam, dürfte der Rewe-Markt mitverschuldet haben. Dessen Leiter stellte nämlich Strafantrag. Ohne solch einen Antrag wäre jedenfalls schon mal eine Straftat außen vor geblieben: der denkbare Hausfriedensbruch.
Ohne dass der Inhaber des Hausrechts nämlich ausdrücklich eine Strafverfolgung wünscht, kann die Justiz einen Hausfriedensbruch nicht ahnden. Interessanterweise nahm der Rewe-Markt den Strafantrag erst kurz vor der Berufungsverhandlung zurück und löste so eine “Sperre” für die Strafverfolger aus. Das Amtsgericht Düren hatte die Containerer noch zu Geldstrafen, unter anderem wegen Hausfriedensbruchs, verurteilt.
Der Strafantrag hat Rewe offensichtlich Publicity beschert. Ob diese allerdings gewünscht war, steht auf einem anderen Blatt. Jedenfalls hat das Unternehmen noch in letzter Sekunde die Kurve gekriegt. In den Hauptverwaltungen der deutschen Lebensmittelkonzerne wird das sicher Nachhall finden. Wahrscheinlich wird man sich mit Strafanträgen gegen Containerer künftig eher zurückhalten, schon wegen der angesprochenen politischen Dimension.
Etwas komplizierter ist es mit dem Diebstahl. Es ist juristisch umstritten, ob die Selbstbedienung aus einem Abfallcontainer tatsächlich ein Diebstahl ist. Immerhin will sich der Supermarkt seiner Waren ja entledigen. Das kann man als Aufgabe des Eigentums interpretieren, muss es aber nicht. (Allerdings hätte die Polizei bundesweit sehr viel zu tun, ginge sie auf dieser juristischen Grundlage gegen Sperrmüllsammler vor.)
Geht man von einem Diebstahl beim Containern aus, hindert der fehlende Strafantrag allerdings die Verfolgung nicht unbedingt. Liegt der Wert der Sachen über 50 Euro, kann die Staatsanwaltschaft stets die Tat von sich aus verfolgen; eines Strafantrags bedarf es dann nicht.
Aber selbst bei geringwertigen Sachen – Wert bis etwa 50 Euro – kann die Staatsanwaltschaft auch ohne einen Strafantrag vorgehen. Es hängt stets von ihrem Ermessen ab, ob sie ein “besonderes öffentliches Interesse” bejaht. Tut sie dies, spielt ein eventuell nicht gestellter Strafantrag gar keine Rolle mehr.
Vor dem Landgericht Aachen zeigte die Staatsanwaltschaft immerhin Augenmaß. Auf Vorschlag des Richters erklärten die Strafverfolger und Rewe, dass sie auf eine Verfolgung keinen Wert legen. Und die Containerer bestanden – auch das ein kluger Schachzug – nicht auf einem Urteil, sondern erklärten sich mit einer Einstellung einverstanden.
Manchmal ist es vielleicht auch wirklich besser, Präzedenzurteile zu vermeiden. Mit dem jetzigen Ergebnis können alle Seiten leben. Ohnehin ist die Strafjustiz ein denkbar ungeeigneter Ort, um die Fragen zu beantworten, die politisch motiviertes Containern aufwirft.