Es ist auf den ersten Blick durchaus verständlich, dass die Vertreter der Nebenklage sich im NSU-Prozess verstimmt über die Verteidiger zeigen. Die Anwälte Beate Zschäpes haben mit ihrem Befangenheitsantrag den Prozess erst mal ein kleines bisschen ins Stocken gebracht. Allerdings hat das Gericht – ohne Not – für den Antrag eine Steilvorlage geliefert.
Im Kern geht es um die Frage, wer sich am Eingang des Gerichtssaals durchsuchen lassen muss, und zwar auch körperlich. Hier setzt der Vorsitzende auf eine ganz harte Linie. Lediglich Richter und Staatsanwälte bleiben von Kontrollen verschont, die bis zur regelrechten Leibesvisitation gehen können.
Das Bundesverfassungsgericht billigt – so kann man aktuelle Beschlüsse jedenfalls interpretieren – solche Praktiken mittlerweile auch gegenüber Verteidigern. Allerdings nur unter engen Voraussetzungen. Hierbei ist sehr fraglich, ob diese Voraussetzungen im NSU-Prozess erfüllt sind.
Dass Verteidiger sich aber entschieden gegen solche Kontrollen wehren, ist eine Frage des Selbstverständnisses. Durch die Maßnahmen werden sie nämlich zu potenziellen Verdächtigen degradiert, denen man per se Waffenschmuggel zutraut.
Damit verabschiedet man sich aber deutlich von der eigentlichen Rolle, die ein Anwalt hat. Er ist Organ der Rechtspflege, also ein notwendiger Teil des Justizbetriebs. Er steht zwar in der Sache dem Angeklagten bei, aber er ist nicht sein Komplize. Dementsprechend hat er einen Vertrauensvorschuss verdient, ganz im Gegensatz etwa zu “normalen” Zuschauern.
Daran ändert auch der Umstand nichts, dass Anwälte schon Waffen für ihre Mandanten geschmuggelt oder zumindest dabei geholfen haben (Fall Pinzner). Auch in den RAF-Prozessen sollen Anwälte Waffen weitergegeben haben. Angesichts der Zahl von Strafsachen, die Tag für Tag in deutschen Gerichtssälen verhandelt werden, Prozessen, handelt es sich aber um Einzelfälle. Sie rechtfertigen es nicht, einen ganzen Berufsstand in Misskredit zu bringen.
Jedenfalls sind dem Bestreben nach größtmöglicher Sicherheit Grenzen gesetzt. Das ist auch eine Frage der Verhältnismäßigkeit. Anwälte, die sich nach Belieben des Gerichtsvorsitzenden durchsuchen lassen müssen, können nicht mehr frei und unbefangen arbeiten. Die Kontrollen bauen ein Machtgefälle auf, das in mehrfacher Hinsicht schlicht unwürdig ist – jedenfalls für einen Rechtsstaat.
Wohlgemerkt: Es geht um verdachtsunabhängige Kontrollen. Natürlich sieht es anders aus, wenn der Polizei oder dem Gericht Erkenntnisse vorliegen, dass Verteidiger sich an konkreten Taten beteiligen. Dann hätte ich auch nichts gegen Kontrollen, wobei diese ja dann im Erfolgsfall ohnehin der Anfang vom Ende des Mandates und auch der Anwaltslaufbahn wären.
So fordert der Gerichtsvorsitzende aber die Verteidiger offen heraus. Über die Reaktion darf man sich deshalb kaum wundern. Eher wäre es auch für die Nebenklägervertreter eine Überlegung wert gewesen, ob man sich nicht auch entschieden gegen die Münchner Kontrollen wehrt.
Letztlich sind sie alle Anwälte, und sie haben gleichermaßen viel zu verlieren – jedenfalls über das aktuelle Verfahren hinaus.