„Ich mache mir Sorgen um die, die demonstrieren und kein Videomaterial haben, das sie entlastet“
„Das Mikrofon ging kaputt, so jedenfalls die offizielle Erklärung“
Amerikanische Sirenen für deutsche Streifenwagen
Einem Schöffen platzt der Kragen
Mit dem Projekt “Bodycam” startet die Hessische Polizei in eine neue Ära der Überwachung. Polizeibeamte sollen künftig kleine Videokameras tragen, die auf ihrer Schulter sitzen. Die Polizei hofft, Gewalttäter vor Angriffen auf Polizisten abhalten zu können. Außerdem sollen die Aufnahmen auch zur Aufklärung von Straftaten verwendet werden.
Die neue Kamera tragen sofort Beamte im Bereich Alt-Sachsenhausen an ihrer Uniform. Alt-Sachsenhausen hat das Hessische Innenministerium für den Testbetrieb ausgewählt, weil es das Viertel als “Brennpunkt der Gewalt gegen Polizistinnen und Polizisten” ausgemacht hat.
Immerhin findet die Überwachung nicht verdeckt statt. Mit Kameras ausgerüstete Polizisten müssen eine Weste mit der Aufschrift “Videoüberwachung” tragen. Außerdem, so das Innenministerium, sollen sie nur anlassbezogen filmen dürfen. Dauerhafte Aufnahmen seien unzulässig. Jedoch heißt es auch, schon beim Schlichten von Streitigkeiten könnten die Kameras eingeschaltet werden.
Der Hessische Innenminister glaubt, durch die Kameras ließen sich Angriffe auf Polizeibeamte verhindern. Er formuliert das so:
Bilder sagen mehr als Worte. Potentielle Angreifer werden künftig zwei Mal überlegen, ob es sich wirklich lohnt einen Polizisten anzugreifen, wenn klar ist, dass die Aufnahmen vor Gericht landen können.
Ob das tatsächlich so klappt, darf bezweifelt werden. Die Kritik fasst das Blog “Criminologia” zusammen:
In dieser Argumentation lässt sich unschwer das zugrunde liegende Menschenbild eines rationalen Akteurs erkennen, der “zwei Mal überlegt”, bevor er illegale Handlungen vollführt. Bei den Angriffen auf Polizeibeamte wird es sich in der Regel jedoch um Affekttaten handeln, die von ihrem situativen, spontanen und emotionalen Charakter geprägt sind. Zudem werden die potentiellen, abzuschreckenden Täter im Kneipenviertel Alt-Sachsenhausen wohl nur selten nüchtern und ihr rationales Urteilsvermögen erheblich getrübt sein.
Überhaupt stellt sich die Frage, wieso ausgerechnet zur Videotechnik gegriffen wird. Wäre es nicht besser, ausreichend Beamte einzusetzen? Mir erscheint es gut möglich, dass die Videokameras fehlendes Personal ersetzen sollen, indem man den Beamten ein trügerisches Gefühl der Sicherheit vermittelt. Jedenfalls ist mir nicht klar, wieso physische Präsenz von ausreichend vielen Beamten weniger wirken soll als technische Gimmicks.
Nach wie vor fehlt auch noch jeder Beweis dafür, dass Kameras Straftaten verhindern. Was für die große Überwachung gilt, wird sich für den Kleinstraum, den so eine Schulterkamera erfasst, umso mehr gelten. Mal ganz abgesehen von der Frage, was für “Beweise” denn mit den zu erwartenden Wackelbildern erzielt werden sollen. Tonaufnahmen dürfen die Bodycams in der Testphase gar nicht machen, auch weil der hessische Datenschutz Bedenken gehabt haben soll.
Interessant wird allerdings sein, wann und wie lange die Bodycams bei Einsätzen tatsächlich eingeschaltet sein werden. Der Umstand, dass eine Kamera nicht (mehr) lief oder entsprechende Bilder jedenfalls nicht auffindbar sind, könnte in Fällen möglicher Polizeigewalt auch interessante Rückschlüsse zulassen.
Unbekannte manipulieren seit einiger Zeit Fahrausweisautomaten der Deutschen Bahn. Sie wollen an das Geld und auch die Blanko-Fahrkarten in den Automaten kommen – und zwar auf brachiale Art und Weise. Dazu dichten sie alle Spalten, Schlitze und Öffnungen der Automaten mit Klebestreifen ab. Anschließend werden die Automaten mit Gas gefüllt und zur Explosion gebracht.
Die Bundespolizei und das Hessische Landeskriminalamt rufen Bahnfahrer nun zu größter Vorsicht auf, da explodierende Fahrkartenautomaten Menschen verletzen können. Die größte Gefahr, so die Behörden, bergen manipulierte Automaten, die nicht wie von den Tätern erhofft sofort in die Luft gehen. Das explosionsfähige Gemisch hält sich in den Geräten und kann auch später noch explodieren.
Zuletzt musste am Dienstag ein Bahngleis in Groß-Karben (Mittelhessen) gesperrt werden. Polizeibeamte sahen einen Automaten, der mit Klebestreifen komplett versiegelt war. Sie bemerkten auch Gasgeruch. Bis zum Eintreffen eines Sprengstoffexperten des Landeskriminalamtes wurde der Bahnsteig abgeriegelt. Der Experte hielt es für das Beste, die Klebestreifen zu lösen. Das Gas konnte so aus dem Automaten entweichen und die Gefahr beseitigt werden. Nach den Tätern wird noch gesucht.
Die Bundespolizei rät Bahnkunden dringend davon ab, selbst Heldenmut beweisen zu wollen. Wer einen manipulierten Automaten sieht, soll Abstand suchen und die Polizei rufen. Die Behörden wollen ab sofort verstärkt Präsenz auf Bahnhöfen zeigen.
Nur die wenigsten App-Anbieter beachten verpflichtende Regelung zum Datenschutz. Die bayerische Datenschutzaufsicht hat stichprobenartig 30 Apps bayerischer Anbieter überprüft. Nur jede vierte App lieferte dem Nutzer ausreichende Informationen über die Verwendung seiner Daten. Häufig fehlten auch die erforderlichen Kontaktdaten des Anbieters.
Die Aktion fand im Rahmen des „International Internet Sweep Day“ statt, an dem sich Datenschutzbehörden aus aller Welt beteiligen. Der Datenschutzaufsicht aus Bayern ging es zunächst nur darum, ob die heimischen Anbieter eine akzeptable Datenschutzerklärung haben. Außerdem prüften sie, ob der Kunde den Anbieter bei Fragen ausreichend kontaktieren konnte, wie es das Gesetz vorschreibt.
“Vielen Nutzern von Smartphones und Tablets dürfte nicht bewusst sein, dass sie ihre ,kostenlosen’ Apps unter anderem mit allen ihren Kontaktdaten, das heißt Namen, Adressen, Telefonnummern von sich und Dritten bezahlen”, sagt Thomas Kranig, Präsident des Bayerischen Landesamtes für Datenschutzaufsicht. Deshalb sei es erforderlich, dass dem Nutzer klar erkennbar wird, in welchem Umfang und zu welchem Zweck personenbezogene Daten von seinem Handy abgerufen werden.
Auf Bußgelder hat die Behörde zunächst verzichtet. Bei weiteren Verstößen will sie aber gegebenenfalls Sanktionen aussprechen.
Ab kommenden Samstag sind Warteschleifen grundsätzlich kostenfrei, egal über welche Sonderrufnummern sie angeboten werden. Mit dem neuen Gesetz endet eine Übergangsfrist, die Warteschleifenbetreibern eingeräumt wurde.
Viele Anbieter haben bereits komplett auf Festnetzrufnummern umgestellt. Wird diese gewählt, fallen lediglich die Kosten des eigenen Telefonanbieters an – bei den heute üblichen Festnetzflatrates also keine.
Für die Umsetzung des Gesetzes hat die Bundesnetzagentur für Callcenter neue Rufnummerngassen geschaltet, die für mehr Preistransparenz sorgen sollen. Hier gilt:
0180-6: Der Anrufer zahlt 20 Cent pro Anruf aus dem Festnetz, aus dem Mobilfunknetz kostet der Anruf maximal 60 Cent.
0180-7: Anrufe werden sind bis zur 30. Sekunde immer kostenlos, auch wenn vorher ein Mitarbeiter rangeht. Warteschleifen sind auch darüber hinaus kostenlos. Das gilt auch für nachgelagerte Warteschleifen, zum Beispiel wenn ein Kundenbetreuer weiter verbindet. Dauert das Gespräch länger als eine halbe Minute, werden für die Gesprächsanteile pro Minute 14 Cent aus dem Festnetz und maximal 42 Cent aus dem Mobilfunknetz fällig.
Auch für die kostenpflichtigen Hotlines der Rufnummerngassen 0900 gilt künftig, dass Warteschleifen kein Geld kosten dürfen. Allerdings gibt es schon Befürchtungen, dass unseriöse Anbieter eine Lücke ausnutzen. Für Auswahlmenüs, in denen der Anrufer selbst Befehle eingibt, darf nach wie vor kassiert werden. Es soll schon Betreiber geben, welche die Nutzung der Menüs in die Länge ziehen.
Die Bundesnetzagentur kann ab Samstag Bußgelder für Verstöße verhängen. Davon soll auch Gebrauch gemacht werden.
Die Kaution ist bei deutschen Strafrichtern nicht sonderlich beliebt. Die weitaus meisten Jugendrichter lehnen eine Sicherheit, mit der die Fluchtgefahr ausgeschaltet werden soll, kategorisch ab. Aber auch bei Erwachsenen wird die Kaution nur spärlich eingesetzt. Um so erfreuter war ich, als ein Haftrichter die Tage wenigstens über eine Sicherheit mit sich reden lassen wollte.
Ich hatte schon alles ins Feld geführt, was ich an Argumenten hatte. Dass mein Mandant schon nicht das Weite suchen wird, denn er hat Wohnung und Arbeitsplatz. Dass er zwar keine enge Bindung an seine Eltern hat und es mit einer festen Freundin derzeit dürftig aussieht, er aber doch auf jeden Fall seinen Reisepass abgeben und sich mehrmals in der Woche auf der Polizeistation melden kann.
Ich merkte schon, der Richter schwankte. Da blieb nur, dezent auf das Sparguthaben meines Mandanten hinzuweisen. Er hat ja immer von einem kleinen Häuschen geträumt, nicht aber von einer Einzelzelle in der Untersuchungshaftanstalt. Der Richter studierte eingehend den Kontoauszug, den ich zum Glück vorlegen konnte. “Das ist ja schon ein schönes Sümmchen, das wollen Sie doch sicher behalten.” Der Mandant nickte eifrig.
Wir gingen noch andere Punkte durch, aber so richtig konnte der Richter sich nicht aufraffen. “Ich muss mir das noch mal in Ruhe durch den Kopf gehen lassen”, sagte er. “Ich teile Ihnen dann morgen die Entscheidung mit.” Mein Mandant durfte also erst mal wieder zurück in die Zelle.
Ich bemühte mich schon mal vorsorglich darum, die in Rede stehende Summe zu organisieren. Denn es reicht nicht aus, die Barmittel für die Kaution zu haben, sie muss auch bei Gericht “hinterlegt” werden. Die Justiz nimmt zwar auch Schecks, allerdings muss der Betroffene dann bis zur endgültigen Gutschrift warten. Das dauert bekanntlich schon mal bis zu acht Tagen. Ich kenne keinen Mandanten, der das noch auf sich nehmen würde, wenn die sofortige Entlassung winkt. Bargeld ist also die einzig vernünftige Option.
Ich musste noch mit einem Bekannten meines Mandanten telefonieren, der Zugang zum Konto hatte. Dann war mit der Bank zu klären, dass die Summe auch tatsächlich bar vorhanden ist. Es war dann bereits alles vorbereitet, um das Bargeld auf die Gerichtskasse zu tragen, als ich überraschenderweise am nächsten Morgen einen Anruf meines Mandanten erhielt. Er stand vor der Tür des Gefängnisses – und zwar auf der angenehmeren Seite. Der Richter hatte ihn wenige Minuten zuvor tatsächlich rausgelassen. Allerdings standen im Haftverschonungsbeschluss nur die Meldeauflage und ein Reiseverbot ins Ausland, von der Kaution war keine Rede mehr.
Ich dachte ehrlich gesagt zunächst, die Schreibkraft hat den Teil mit der Kaution vergessen. Das war aber nicht so, wie eine Nachfrage bei der Geschäftsstelle ergab. Bei Gelegenheit muss ich den Richter mal fragen, wieso er die Sicherheit letztlich nicht mehr für notwendig hielt. Mein Mandant hat sich jedenfalls gefreut, dass er nun doch nicht pleite ist und womöglich einen Pflichtverteidiger braucht. Ich übrigens auch.
Wer auf den letzten Drücker Fristen wahrt, lebt stets gefährlich. Kurz mal in der Zeile verrutscht oder einfach vertippt, schon landet das Fax beim falschen Gericht. Das muss aber nicht immer in einem juristischen Totalverlust enden, wie der Bundesgerichtshof in einem aktuellen Beschluss klarstellt.
Die Karlsruher Richter bemühen mal wieder den Grundsatz des fairen Verfahrens. Danach darf ein Gericht die Anforderungen nicht übertreiben, die es an den fristgemäßen Eingang eines Schriftstücks stellt.
Im entschiedenen Fall ging es um ein Fax, das ein Anwalt wenigen Minuten vor Fristablauf um 0 Uhr an das Landgericht Frankfurt geschickt hatte. Der richtige Empfänger für die Berufungsbegründung in einem Zivilprozess wäre aber das Oberlandesgericht Frankfurt gewesen.
Die Frankfurter Richter betrachteten die Berufungsbegründung als verspätet. Sie haben es sich dabei etwas zu einfach gemacht. Der Bundesgerichtshof weist sie nämlich darauf hin, dass es bei der Frankfurter Justiz eine “Gemeinsame Eingangsstelle” gibt. Dort laufen alle Sendungen auf, auch wenn für die einzelnen Behörden (z.B. Landgericht, Oberlandesgericht und Staatsanwaltschaft) getrennte Faxnummern geschaltet sind.
Bei einer solchen Konstellation kommt es nach Auffassung der Karlsruher Richter gerade nicht darauf an, ob das Fax auch an die richtige Durchwahlnummer gesendet wurde. Die Gemeinsame Eingangsstelle sei nämlich für jedes angeschlossene Gericht gleichermaßen zuständig. In so einem Fall spiele nur eine Rolle, ob das Fax überhaupt rechtzeitig in der Gemeinsamen Annahmestelle angekommen ist (Aktenzeichen VI ZB 27/12).
Auf Facebook hat momentan eine Seite großen Zulauf, welche die “peinlichsten Partyfotos” verspricht.
Andere bloßstellen ist ohnehin nicht die feine Art. Allerdings birgt es auch erhebliche rechtliche Risiken, solche Fotos auf eine fremde Seite hochzuladen – oder auf der eigenen Facebook-Seite zu teilen.
Es ist nämlich keineswegs so, dass man bei Partyfotos von einer “stillschweigenden Einwilligung” der Fotografierten ausgehen kann. Selbst wenn die Betroffenen die Fotos bemerken, heißt das noch lange nicht, dass sie auch mit einer Veröffentlichung der Bilder einverstanden sind.
Am Ende steht dann oft ein Prozess mit entsprechenden Kosten. Und mit der Freundschaft ist es im Zweifel auch vorbei.
Wenn sich der Gerichtsvollzieher ankündigt, ist es nicht unbedingt nötig, aufzuräumen. Ungespülte Teller und leere Tassen dürften einen Vollstrecker kaum erschüttern. Etwas anderes gilt aber für Gegenstände, mit denen der Schuldner seinen Lebensunterhalt verdient – eine Indoor-Cannabisplantage zum Beispiel.
Auf drei Zimmer hatte ein 31-Jähriger aus Berlin seine professionelle Produktionsstätte erstreckt. Sie war mit Lüftungs-, Beleuchtungs- und Bewässerung perfekt ausgerüstet. Dass sich eine Gerichtsvollzieherin zum Schulden eintreiben angesagt hatte, ließ den Züchter kalt. Offenbar ignorierte er die Vollstreckungsankündigung und verpasste den Vollstreckungstermin.
Angesichts der Plantage rief die Gerichtsvollzieherin sicherheitshalber die Polizei. Diese zählte 132 abgeerntete Pflanzenkübel und 144 Jungpflanzen. Insgesamt schätzte die Polizei eine Menge, die mit Eigenbedarf kaum noch zu erklären ist. Der 31-Jährige schaute dann auch prompt noch selbst in der Wohnung vorbei und wurde wegen illegalen Anbaus und mutmaßlichem Drogenhandel festgenommen.
Der Kollege Rechtsanwalt Carsten Hoenig fasst die Aussichten des Betroffenen in seinem Blog schön zusammen:
Der nun erhobene Vorwurf des illegalen Anbaus und gewerbsmäßigen Handels mit Cannabis führte in diesem Fall dann zu einem Wohnungswechsel. Statt wie bisher drei Zimmer wird der Gärtner nun irgendwas zwischen 1 Jahr und 15 Jahren ein eher kahles Einzelzimmer bewohnen.
Reiche Ernte. (Foto: Polizei)
Arbeitnehmer handeln nicht im luftleeren Raum. Verursachen sie bei ihrer Tätigkeit einen Schaden, können sie zum Ersatz verpflichtet sein. Diese Erfahrung machte auch ein Schlosser, der durch unsachgemäße Arbeit in einem Milchwerk 17 Tonnen Milchpulver zur Explosion brachte. Am Ende sollte er 142.000 Euro Schadensersatz zahlen. Ein Betrag, für den er etwa zweieinhalb Jahre arbeiten muss.
Dass der Mann Mist gebaut hatte, stand außer Frage. Bei laufendem Betrieb hatte er mit Schweißgerät und Trennschleifer Schlitze in die Außenwand des Trockenturms geschnitten. Es entstanden Funken und glühende Metalltropfen, die in den Trockenturm tropften. 17 Tonnen Milchpulver entzündeten sich explosionsartig und verwüsteten Teile des Firmengeländes. Es entstand ein Schaden von 220.00 Euro.
Die Frage für das Hessische Landesarbeitsgericht war, ob der Handwerker tatsächlich an die Versicherungen des Unternehmens 142.000 Euro erstatten musste, die den Schaden in dieser Höhe reguliert hatten. Nach Ansicht des Hessischen Landesarbeitsgerichts hat der Handwerker den Schaden grob fahrlässig verursacht. Es liegt nach Auffassung der Richter auf der Hand, dass bei Schweiß- und Flexarbeiten Funkenflug und heiße Metalltropfen entstehen, die erhitztes Milchpulver entzünden können. Der Handwerker könne von Glück sagen, das er zum Zeitpunkt der Explosion gerade selbst kurz nicht an am Trockenturm arbeitete. Für den entstandenen Schaden hafte er deshalb in vollem Umfang. Jedenfalls grundsätzlich.
Denn für Arbeitnehmer, darauf weisen die Richter hin, gelten Einschränkungen. Ein Arbeitnehmer, der nicht vorsätzlich Fehler mache, dürfe nicht in den Ruin getrieben werden. Deshalb müsse der Schadensersatz auf eine Summe begrenzt werden, die in einem vernünftigen Verhältnis zu seinem Einkommen stehe. Außerdem müssten die Umstände des Einzelfalls berücksichtigt werden.
Auf dieser Grundlage bemaß das Hessische Landesarbeitsgericht die Haftung des Mannes auf 17.000 Euro. Das entspricht etwa dem, was er in drei Monaten brutto verdient (Aktenzeichen 13 Sa 857/12).
Die Praxis gilt seit langem als fragwürdig, nun wehrt sich die Verbraucherzentrale NRW gegen die Anzahlungspflicht bei Flugreisen. Weil Airlines teilweise monatelang vor dem Flugtermin Komplettzahlung verlangen, hat die Verbraucherzentrale Air Berlin, Condor, TUI fly, Germanwings, Lufthansa und Germania abgemahnt.
Die langen Vorauszahlungsfristen verstoßen laut Verbraucherzentrale klar gegen das Prinzip “Ware gegen Geld”. Die Kunden gäben den Flugveranstaltern über Monate hinaus Kredite in Millionenhöhe. Den Kunden fehlten nach Vorauszahlung aber Druckmittel, um Geld zurückerhalten zu können, wenn die Airline Flugzeit, Start- oder Zielflughafen sowie die Zahl der Zwischenlandungen ändern will.
Nach Ansicht der Verbraucherzentrale darf der Flugpreis frühestens 30 Tage vor Abreise fällig werden. Eine frühere Anzahlungspflicht setze in jedem Fall voraus, dass die Fluggesellschaften gegen Insolvenz versichert sind. Hierzu Pauschalreiseveranstalter schon heute gesetzlich verpflichtet, Airlines aber nicht.
Eben jene Pauschalreiseveranstalter hat die Verbraucherzentrale NRW bereits abgemahnt. Da die meisten Unternehmen keine Unterlassungserklärung abgegeben haben, laufen derzeit Gerichtsverfahren. Die bislang ergangenen Urteile gegen Pauschalreiseveranstalter seien durchweg positiv, heißt es bei der Verbraucherzentrale NRW. Deshalb habe man sich entschlossen, auch Fluggesellschaften auf kürzere Anzahlungsfristen zu verklagen.
Die deutschen Airlines verteidigen dagegen die bisher übliche Praxis. "Sie ermöglicht es den Fluggesellschaften, ihren Kunden Frühbucherrabatte und günstige Preise anzubieten", teilte der Hauptgeschäftsführer des Bundesverbandes der Flugverkehrswirtschaft, Matthias von Randow, der Deutschen Presseagentur mit. Ein Buchungsverfahren mit schrittweiser Reservierung und Bezahlung führe zu mehr leeren Plätzen im Flugzeug. "Das verschlechtert nicht nur die Öko-Bilanz, sondern macht Fliegen auch teurer."
Die Fluggesellschaften haben nun bis Ende Mai Zeit, um ihren Standpunkt zu überprüfen. Sollten sie nicht auf die Klauseln verzichten, will die Verbraucherzentrale NRW klagen.
Vor deutschen Gerichten hat der Bürger Anspruch auf ein faires Verfahren. In einem aktuellen Fall erinnert der Bundesgerichtshof an diesen Grundsatz. Adressat ist das Oberlandesgericht Nürnberg. Dieses hatte die Unterschrift einer Rechtsanwältin kurzerhand für unwirksam erklärt, wodurch ein Prozess über 75.000 Euro in den Sand gesetzt worden wäre.
Es ging zunächst darum, ob die Rechtsanwältin leserlich unterschreibt. Das war wohl nicht der Fall, denn die Richter konnten nur zwei leicht bogenförmige Striche feststellen, die schleifenförmig am unteren Ende spitz zusammen- und am oberen Ende sich kreuzend auslaufen.
Der Schriftzug lasse keinen einzigen Buchstaben des Nachnamens der Rechtsanwältin erkennen, deshalb sei die Schleife “auch bei großzügiger Betrachtung” nicht als Unterschrift einzustufen. Das Oberlandesgericht hatte es noch deutlicher formuliert. Es handele sich nicht um einen Namenszug, sondern bloß um eine “Streichung” des unter dem Schriftsatz abgedruckten Namens der Juristin. Wieso die Anwältin aber ihren eigenen Namen in einem Berufungsschriftsatz durchstreichen sollte, sagten die Richter am Oberlandesgericht nicht.
Wie auch immer, an sich war die Berufung unwirksam eingelegt. Denn zu den Anforderungen eines fristwahrenden Anwaltsschreibens gehört nach dem Gesetz nach wie vor eine (einigermaßen leserliche) Unterschrift.
Hier kommt allerdings der Grundsatz des fairen Verfahrens ins Spiel. Die Anwältin konnte nämlich nachweisen, dass ihre Unterschrift schon seit mindestens 2007 so weit “abgeschliffen” ist wie in dem beanstandeten Schriftsatz – je nach Tagesform und Zahl der zu leistenden Unterschriften mal etwas mehr, mal weniger. Aber halt immer unleserlich.
Überdies konnte die Anwältin belegen, dass noch kein Gericht ihre Unterschrift beanstandet hat. Auch nicht das Oberlandesgericht Nürnberg, bei dem sie bereits zahlreiche Schriftsätze eingereicht habe, unter anderem auch bei den Richtern, die jetzt ihre Unterschrift nicht akzeptieren wollen.
So geht es nicht, meint der Bundesgerichtshof. Die Richter hätten der Anwältin zunächst mal einen Hinweis geben müssen, dass ihre Unterschrift wohl nicht den gesetzlichen Anforderungen genügt. Wegen der langjährigen “Duldung” habe die Juristin davon ausgehen können, dass ihre Unterschrift den gesetzlichen Anforderungen genügt.
Der Prozess muss jetzt doch fortgesetzt werden. Die Anwältin wird künftig sicher besonders deutlich unterschreiben. Zumindest, wenn sie Post ans Oberlandesgericht Nürnberg schickt (Aktenzeichen VII ZB 43/12).