Wem hilft Totalkontrolle?

Natürlich zögern Politiker bei uns nicht, die Anschläge in Boston für ihre sicherheitspolitischen Ziele zu instrumentalisieren. Noch sind die Hintergründe nicht klar, doch schon werden größere Befugnisse für die Behörden gefordert, inlusive der in ihrer bisherigen Form verfassungswidrigen Vorratsdatenspeicherung.

Derartige Ereignisse sind eben ein willkommener Anlass, um den Bürger vor eine vermeintliche Wahl zu stellen. Willst du mehr oder gar größtmögliche Sicherheit, musst du Einschränkungen deiner Freiheit eben akzeptieren. Was ist, so wird suggeriert, schon ein Mehr an Überwachung und Kontrolle, wenn man sich dafür einen ruhigen Schlaf für sich und die Kinder erkauft?

Dabei bleiben Wahrheiten aber auf der Strecke. Zum Beispiel, dass selbst ausufernde Sicherheitsgesetze verheerende Anschläge nicht verhindern können. Selbst eine Totalkontrolle des Lebens Terrorunverdächtiger, also faktisch von uns allen, würde jene wenigen Entschlossenen nicht von ihren Plänen abhalten. Stattdessen würden wir faktisch gerade nur denen in die Hände arbeiten, die Anschläge begehen.

Sehr zutreffend weist beispielsweise Bruce Schneier in einem Statement zu Boston in einem sehr lesenswerten Text darauf hin, dass die Selbstaufgabe der Freiheit ein Hauptziel der Akteure ist:

Terrorism isn’t primarily a crime against people or property. It’s a crime against our minds, using the deaths of innocents and destruction of property as accomplices. When we react from fear, when we change our laws and policies to make our country less open, the terrorists succeed, even if their attacks fail. But when we refuse to be terrorized, when we’re indomitable in the face of terror, the terrorists fail, even if their attacks succeed.

Das sollte man durchaus mal sehen, wenn man nach immer mehr „Sicherheit“ ruft. Ohne eine vernünftige Balance mit der Freiheit haben wir den Kampf gegen Terroristen schon von vornherein verloren.

Überleben als Schuldner

Pfändungen tun oft sehr weh. Der Zugriff auf das Schuldnervermögen ist nicht nur bei Banken möglich, sondern zum Beispiel auch beim Arbeitgeber. Das sorgt natürlich dort für gewissen Unmut, und auch der finanzielle Spielraum des Schuldners wird erheblich eingeschränkt.

Der Münchner Rechtsanwalt John Mieler erklärt in seinem Blog verständlich „Überlebensstrategien bei Gehaltspfändung“. Für Betroffene, die sich im Gestrüpp der Vorschriften nicht auskennen, auf jeden Fall lesenswert.

Auch Richter sind Schnäppchenjäger

Schnäppchenjäger lieben Resterampen. Aber auch wenn die Preise dort meist wirklich niedrig sind (die Qualität der verkauften Ware mitunter auch), sind auch Billigheimern bei der Werbung Grenzen gesetzt. Wenn sie auf schreiend bunten Plakaten mit früheren “Statt”-Preisen werben und den Eindruck mächtiger Preisnachlässe vermitteln, müssen sie zumindest klar sagen, welcher frühere Preis tatsächlich gemeint ist. Das hat das Oberlandesgericht Hamm entschieden und die Reklame eines Restposten-Verkäufers als wettbewerbswidrig eingestuft.

Die effektvolle Nennung eines “Statt”-Preises weckt nach Auffassung der Richter bei Verbrauchern unterschiedliche Vorstellungen. Die einen nehmen an, der Preis liege entsprechend unter dem Niveau des Einzelhandels. Die anderen denken, die Resterampe habe ihre eigenen Kampfpreise nochmals reduziert.

Die Richter schreiben im Urteil ausdrücklich, sie hätten genug eigene “Sachkunde”, um so eine Preispraxis aus Sicht eines Verbrauchers zu bewerten. Sie halten die Angabe für missverständlich und fordern deshalb, dass die Kunden aufgeklärt werden. Das hätte zur Konsequenz, dass auf jedem Plakat künftig die Bezugsgröße der Werbung angegeben wird. Der Verkäufer muss also zumindest mit einem Sternchentext erklären, auf welches frühere Angebot sich der “Statt”-Preis bezieht.

Oberlandesgericht Hamm, Urteil vom 24. Januar 2013, Aktenzeichen 4 U 186/13

Weiteres Urteil: Der Slogan „Sie bekommen die Ware geschenkt, wenn es am … regnet“ ist kein unerlaubtes Glücksspiel

NSU-Prozess: Gericht muss Plätze für ausländische Medien schaffen

Auch wenn im Prozess gegen Wettermoderator Jörg Kachelmann einiges schief lief – mit seiner Akkreditierungspolitik für ausländische Medien hatte das Landgericht Mannheim den richtigen Riecher. Die Strafkammer garantierte ein festes Kontingent an Presseplätzen für ausländische Berichterstatter, vorrangig aus Kachelmanns Heimatland Schweiz. So wurde von Anfang an jeder Eindruck vermieden, dass bestimmte Medien bevorzugt beziehungsweise nicht erwünscht sind.

Daran hätte sich das Oberlandesgericht München, das nun den NSU-Prozess zu führen hat, besser ein Beispiel genommen. Denn seine vermeintlich alternativlose und entsprechend aggressiv verteidigte Akkreditierungspolitik des gnadenlosen “First come, first serve” hatte nun vor dem Bundesverfassungsgericht keinen Bestand. Das Verfassungsgericht verfügte heute per einstweiliger Anordnung, dass eine ausreichende Zahl von Reporterplätzen – mindestens drei – für ausländische Medien zusätzlich zur Verfügung gestellt werden müssen. Konkret bedeutet dies, dass türkische Zeitungen zum Zug kommen dürften, denn die Mehrzahl der mutmaßlichen NSU-Opfer war türkischstämmig.

Das Gericht räumt zwar ein, dass die Frage nach der Platzvergabe in solchen Verfahren weitgehend ungeklärt ist. Es gebe zum Verfahren zahlreich Probleme, die rechtlich ungeklärt seien. Jedoch sehen die Verfassungsrichter eine klare Chance ausländischer Medien, letztlich vor Gericht zu gewinnen. Im Wege einer “Folgeabwägung” sei es deshalb zulässig und erforderlich, die Hauptsache durch eine einstweilige Verfügung faktisch vorwegzunehmen. Denn von einem nachträglichen Pressekontingent hätten die türkischen Medien nichts.

Wie das Gericht die mindestens drei zusätzlichen Plätze schafft, wollten die Verfassungsrichter nicht regeln. Sie betonen vielmehr, dass dem Gerichtsvorsitzenden ein weiter Spielraum zukommt, wie er ausländischen Medien Zugang gewährt. Die Mindestzahl von drei Reporterstühlen ist für das Oberlandesgericht München allerdings verbindlich.

Klar ist, dass es bei der Presseakkreditierung niemals umfassende Gerechtigkeit gibt. Mit seiner starren Haltung, nur nach dem Prioritätsprinzip zu entscheiden, hat das Oberlandesgericht München aber schlicht das Mindestmaß an Fingerspitzengefühl vermissen lassen. Dass sich die so selbstgewissen Richter in München nun schon vorab in Sachfragen verrennen, kann sich als schwere Hypothek erweisen. Noch vor dem Start so ernsthaft zu straucheln, ist jedenfalls eine Leistung.

Überwachungsdruck

Kameradummies oder ausgeschaltete Beobachtungskameras fallen nach einem Urteil des Verwaltungsgerichts Oldenburg nicht unter das Bundesdatenschutzgesetz. Das Gericht meint, nur wo Kameras tatsächlich in Betrieb sind, fallen Daten an. Diese Auffassung hat zur Folge, dass Aufsichtsbehörden zwar Videoüberwachung untersagen können, aber nicht die Entfernung der Kameras oder der Attrappen verlangen dürfen.

Der juristische Streit drehte sich um die Flure und den Eingangsbereich eines vermieteten Bürogebäudes. Weil in einem Büro Laptops gestohlen wurden, installierte die Vermieterin im Eingang und dem Treppenhaus Kameras, die den Publikumsverkehr aufzeichneten. Die Aufnahmen wurden zehn Tage gespeichert. Das rief die Aufsichtsbehörde auf den Plan. Diese befand, die Überwachung sei nicht rechtmäßig. Deshalb forderte sie die Vermieterin auf, alle Kameras zu entfernen.

Doch nach Auffassung des Verwaltungsgerichts gibt es (bislang) keine gesetzliche Grundlage für ein Kameraverbot. Die Behörden seien lediglich berechtigt, eine tatsächlich unnötige Kameraüberwachung zu verbieten. Das bedeute aber nicht, dass die Betroffenen verpflichtet seien, die Kameras abzubauen. So lange diese nicht in Betrieb seien, sei das Bundesdatenschutzgesetz schlicht nicht anwendbar.

Zwar sieht das Gericht ein, dass auch ausgeschaltete Kameras und Attrappen “Überwachungsdruck” erzeugen. Dagegen müssten sich Menschen, die sich hierdurch zu Unrecht beobachtet fühlen, aber selbst vor dem Zivilgericht klagen. Die Aufsichtsbehörde dürfe ihnen nicht zu Hilfe kommen – zumindest nach derzeitiger Rechtslage.

Verwaltungsgericht Oldenburg, Urteil vom 12. März 2013, Aktenzeichen 1 A 3850/12

Verteidiger und Verbreiter

Als Strafverteidiger habe ich unter meinen Auftraggebern auch Menschen, denen der Besitz, Verbreitung oder gar die Herstellung von Kinderpornografie vorgeworfen wird. Die Betroffenen haben wie jeder andere das Recht, sich gegen den Tatvorwurf zu verteidigen. Das ist aber nur möglich, wenn sie wissen, was ihnen im Detail vorgeworfen wird. Da sich der Vorwurf aus der Ermittlungsakte ergibt, dürfen Beschuldigte diese lesen.

In der Praxis sieht das so aus, dass ich meinem Mandanten eine Kopie der Akte gebe. Das ist in der Regel auch unproblematisch möglich, stößt beim Vorwurf Kinderpornografie aber auf eine praktische Schwierigkeit. Wenn in der Akte oder im Beweismittelordner kinderpornografische Aufnahmen enthalten sind, kriegt der Beschuldigte ja möglicherweise genau die Bilder zurück, wegen deren Besitz gegen ihn ermittelt wird. Es stellt sich also im Kern die Frage, ob jemand dann doch wieder Kinderpornografie besitzen darf, weil die Aufnahmen zu den Akten eines gegen ihn gerichteten Ermittlungsverfahrens gehören.

Ich habe mir diese Frage schon bei meinem ersten Mandat aus diesem Deliktsbereich gestellt. Und sie für mich klar beantwortet. Meine Mandanten bekommen wie üblich alle Unterlagen aus der Ermittlungsakte – die möglicherweise strafbaren Aufnahmen aber nicht. Und zwar weder auf Papier noch in elektronischer Form.

Bislang konnte ich jedem Mandanten erklären, dass dies letztlich auch zu seinem eigenen Schutz ist. Was hat er davon, wenn – was ja durchaus vorkommt – die Polizei mal wieder bei ihm durchsucht und genau das gleiche Material wieder findet, das bei ihm beschlagnahmt wurde? Neue Ermittlungen wären unausweichlich. Und zwar auch gegen mich, denn die Überlassung der Kopien ist schon nach dem Wortlaut des Gesetzes, so wie ich ihn verstehe, auch durch einen Anwalt strafbare Verbreitung von Kinderpornografie.

Für mich völlig überraschend, sah das ein renommierter Strafverteidiger bislang offensichtlich anders. Er hat einem seiner Mandanten nicht nur die Ermittlungsakte gegeben, sondern auch einen USB-Stick mit 198 kinderpornografischen Bildern. Diese Bilder hatte der Mandant des Anwalts, so der Vorwurf, bei sich zu Hause auf der Festplatte gehabt. Nun fanden sie sich logischerweise in der Ermittlungsakte als Beweismittel wieder. Außerdem soll der Verteidiger es angeblich so gedreht haben, dass ein Sachverständiger ein Image der beschlagnahmten Festplatte anfertigen konnte – ohne dass die Staatsanwaltschaft dem zugestimmt hatte.

Zu seiner Verteidigung berief sich der Strafverteidiger darauf, er dürfe, ja müsse seinen Mandanten die Ermittlungsakte zur Verfügung stellen. Auch die Weitergabe der Daten sei erforderlich gewesen, damit sein Mandant technische Fehler oder ähnliches belegen kann.

Mich wundert es nicht, dass der Kollege mit dieser Praxis nun möglicherweise auf die Nase fällt. Das Oberlandesgericht Frankfurt am Main scheint nämlich auch keine Zweifel daran zu haben, dass sich der Anwalt strafbar gemacht haben kann. Es eröffnete deshalb nun das Hauptverfahren vor einer Strafkammer des Landgerichts Marburg. Der Hauptgrund:

Danach ist der Besitz und damit verbunden die vorherige Besorgung bzw. Weitergabe kinderpornografischen Materials i.S.d. § 184b Abs. 2, 4 StGB dann erlaubt, wenn dies ausschließlich der Erfüllung rechtmäßiger dienstlicher oder beruflicher Pflichten dient .

Der zur Besitzweitergabe/verschaffung berechtigte Personenkreis wird damit kraft Gesetzes abschließend auf Personen beschränkt, die mit dem inkriminierten Material auf Grund von dienstlichen oder beruflichen Pflichten zu tun haben müssen. Das sind in erster Linie die Gerichte, die Strafverfolgungsbehörden und die Verteidigung, aber auch sonstige Personen in Erfüllung eines rechtmäßigen beruflichen Auftrages.

Damit hat der Gesetzgeber alle sonstigen Rechtfertigungsgründe, u.a. auch das einem rechtstaatlichen Verfahren immanente Recht auf sachgerechte Verteidigung, zusammengefasst, zu einem Erlaubnistatbestand aufgewertet und sowohl, was den berechtigten Personenkreis angeht, als auch den Umfang ihrer Rechte, abschließend geregelt.

Auch das Anrecht auf eine wirksame Verteidigung gibt einem Beschuldigten also nicht das Recht, Kinderpornografie zu besitzen, bloß weil diese nun in die Aktendeckel einer amtlichen Ermittlungsakte gepresst ist und er über seinen Anwalt an dieses Material kommen kann. Folglich darf ein Anwalt seinem Mandanten auch keinen Besitz an solchem Material verschaffen, auch nicht im Wege falsch verstandener Akteneinsicht. Zu recht weist das Oberlandesgericht Frankfurt am Main darauf hin, dass sich der Beschuldigte die Beweismittel auch anders prüfen kann – bei der Staatsanwaltschaft oder unter der Aufsicht seines Verteidigers in dessen Büro.

Dem Anwalt droht jetzt eine Freiheitsstrafe. Möglicherweise kann er, je nach Schwere des möglichen Urteils, auch seine Zulassung verlieren.

Oberlandesgericht Frankfurt am Main, Beschluss vom 2. November 2012, Aktenzeichen 2 Ws 114/12

Detlef Burhoff zum gleichen Thema

So viel zur Informationsfreiheit

Vor einiger Zeit hat die WAZ brisante Papiere über den Bundeswehreinsatz in Afghanistan und in anderen Ländern ins Netz gestellt. Dabei handelt es sich um Originalberichte des Verteidigungsministeriums. Zur Begründung für das Komplett-Leak schrieb die WAZ:

Jahrelang wurde der deutschen Öffentlichkeit der Krieg in Afghanistan als Friedenmission verkauft. Tatsächlich aber sind die deutschen Soldaten in Afghanistan mitten in einem Krieg, der kaum noch zu gewinnen ist. Dabei riskieren sie ihr Leben im Auftrag des deutschen Bundestages für einen korrupten Staat, dessen Herrscher in Drogenmachenschaften verwickelt sind.

Wir veröffentlichen hier einige tausend Seiten aus den Einsatzberichten der Bundeswehr. Diese so genannten „Unterrichtungen des Parlamentes“ sind „VS – nur für den Dienstgebrauch“ gestempelt. Das ist die niedrigste von vier Geheimhaltungsstufen der Bundesrepublik. Sie beschreiben alle Einsätze der Bundeswehr in der ganzen Welt – vor allem in Afghanistan.

Nach einem Bericht von heise online hat die Hardthöhe nun reagiert. Das Verteidigungsministerium verlangt, dass die WAZ die Unterlagen löscht. Das überrascht nun nicht sonderlich. Bemerkenswert ist eher die Begründung. Das Ministerium soll sich in seiner Abmahnung nämlich auf das Urheberrecht berufen.  Die WAZ hat eine gesetzte Frist verstreichen lassen mit der Begründung, es gebe ein öffentliches Interesse an dem Sachverhalt. Die Unterlagen gehörten den Bürgern, zudem seien echte Geheimhaltungsbedürfnisse nicht verletzt.

Die WAZ spricht deshalb von einem Missbrauch des Urheberrechts und scheint entschlossen, den Kampf notfalls juristisch auszufechten. Sofern das Verteidigungsministerium dumm genug ist, auf so einer unsicheren Grundlage zu klagen. Denn selbst wenn das Ministerium gewinnt, wird es in der Sache doch nur verlieren.

Rockband muss mit Eintrag beim Verfassungsschutz leben

Wenn eine Rockband im Verfassungsschutzbericht erwähnt wird, entsteht ihr dadurch kein greifbarer Schaden. Deshalb kann sie nicht per Eilverfahren verlangen, dass sie vorläufig in dem Bericht nicht mehr erwähnt wird. Das hat das Verwaltungsgericht Schwerin entschieden.

Die Rockband “Feine Sahne Fischfilet” hatte sich beeinträchtigt gefühlt, weil sie im Verfassungsschutzbericht 2011 unter der Rubrik „Autonome Antifa-Strukturen“ genannt wird. Diese Erwähnung wollte die Band schwärzen lassen. Jedoch sah die 1. Kammer des Verwaltungsgerichts keinen Grund für eine einstweilige Anordnung. Das Gericht war nicht davon überzeugt, dass der Band durch die Erwähnung ein wirtschaftlicher Schaden droht. Auch eine sonstige Beeinträchtigung vermochte das Verwaltungsgericht nicht erkennen.

Die Band muss nun warten, bis ihre Klage gegen die Erwähnung auf dem normalen Weg verhandelt wird. In dem Prozess wird das Gericht dann in Ruhe klären, ob die Persönlichkeitsrechte der Musiker verletzt werden. Bis dahin muss sie die Bewertung ihrer Aktivitäten durch den Verfassungsschutz aber akzeptieren.

Verwaltungsgericht Schwerin, Beschluss vom 4. April 2013, Aktenzeichen 1 B 843/12

Die Frau ohne Router

Inhaber von Internetanschlüssen haften nicht automatisch für Urheberrechtsverletzungen, die über ihren Anschluss begangen worden sind. Vielmehr müssen laut einer aktuellen Entscheidung des Landgerichts München I die Rechteinhaber beweisen, dass der Inhaber des Anschlusses tatsächlich für einen illegalen Download (mit-)verantwortlich ist.

Genau dies konnten die Kläger im Fall einer Münchnerin nicht belegen. Die Frau hatte nach eigenen Angaben ihren Computer verkauft und behauptete, ihren Internetanschluss seitdem nicht mehr genutzt zu haben. Außer einem DSL-Splitter besitze sie gar nicht die nötige Hardware, also weder Modem noch Router.

Das Amtsgericht München hatte die Frau noch zu Schadensersatz verurteilt. In der Entscheidung klang durchaus Skepsis mit, ob die Frau die Wahrheit sagt. Genau an diesem Punkt setzt das Landgericht München I nun an. Der Beklagte in einem Filesharing-Prozess müsse nur Tatsachen darlegen, aus denen sich ergibt, dass er weder Täter noch “Störer” ist. Er müsse dagegen nicht beweisen, dass seine Angaben auch stimmen (so lange sie plausibel sind).

Die Rechteinhaber scheiterten nach Auffassung des Landgerichts München I mit der ihnen dann zufallenden Aufgabe, zu beweisen, dass die Frau die Unwahrheit sagt. Es sei auch nicht Aufgabe der Internetnutzerin, den Abmahnern weitere Informationen zu liefern, damit diese sie gegen die Betroffene verwenden können.

Natürlich werden die meisten Internetnutzer kaum glaubwürdig behaupten können, dass sie zwar einen Anschluss, aber null Hardware haben. Dennoch ist das Urteil des Landgerichts München I über den Einzelfall hinaus bedeutsam, weil es sich mit guten Argumenten gegen die ausufernde Haftung von Anschlussinhabern stemmt. Außerdem rückt es die Rollenverteilung im Filesharing-Bereich zurecht, in dem Beklagte oft in eine Rechtfertigungssituation geraten, die von der Zivilprozessordnung so nicht vorgesehen ist.

Landgericht München I, Urteil vom 22. März 2013, Aktenzeichen 21 S 28809/11

Großzügig wie wir sind

Shit happens.

Ein Mandant wartete seit längerem auf Geld von seinem Auftraggeber. Er schickte auch zwei Mahnungen, an denen inhaltlich nichts auszusetzen ist. Den Fehler machten dann wir, und zwar am 21. März.

Eigentlich sollte die Firma, die das Geld schuldet, nach unserem Schreiben jetzt allerspätestens bis zum 28. März zahlen. Eine kurze, aber den Umständen nach angemessene Frist. Ich weiß nicht, wie es passiert ist, aber in dem Schreiben stand keine Zahlungsfrist auf den 28. März. Sondern auf den 28. April, immerhin noch im Jahr 2013.

Diese Großzügigkeit hat die Gegenseite sicher erfreut. Zum Glück war der Brief so formuliert, dass es sich beim 28. April nicht um eine neue Zahlungsfrist im juristischen Sinne handelt. Sondern lediglich um den Zeitpunkt, ab dem unser Mandant gerichtliche Schritte einleiten wird.

Der bereits eingetretene Verzug durch die korrekten Mahnungen des Mandanten dürfte  also nicht nachträglich wieder “aufgehoben” worden sein. Was mir dann wohl auch die Möglichkeit gibt, den Zeitpunkt, zu dem mein Mandant den Rechtsweg beschreiten wird, nachträglich wieder zu verkürzen. Das habe ich dann getan und jetzt den 15. April genannt, also eine weitere Woche nach der Berichtigung.

Es ist mir klar, dass das alles etwas unbeholfen wirkt. Aber ich finde die Klarstellung immer noch eine bessere Lösung, als gegenüber dem Mandanten den Eindruck zu erwecken, wir hätten seinem Gegner tatsächlich mehr als fünf Wochen Zeit zum Bezahlen geben wollen.

Die Gewinner

Leider bin ich momentan ziemlich eingespannt, so dass einfach kaum Zeit für Blogeinträge bleibt. Ich werde mich aber nach Kräften bemühen, dass es nicht übertrieben schweigsam hier im law blog wird.

Immerhin möchte ich schon mal die Gewinner der Osterverlosung bekanntgeben:

Frank Sommer

Tom2

Margit

Nadine

Die Gewinner haben eine Mail mit den Einzelheiten erhalten. Herzlichen Glückwunsch und danke an alle Leser fürs Mitmachen.