Die “Prüfung ortsveränderlicher Betriebsmittel” ist etwas, um das kein Unternehmen herumkommt. Vermutlich ernähren die dahinter stehenden Vorschriften ein ganzes Heer von Elektrikern, die sich den ganzen Tag Stecker anschauen. Nach den Arbeitsschutzvorschriften muss in Firmen und Behörden nämlich jedes Teil überprüft werden, das einen Stecker hat. Vom Computer über die Bürokaffeemaschine bis zum simplen Mehrfachstecker muss jedes Elektroteil regelmäßig gecheckt werden. Auch für Gerichtssäle gilt natürlich keine Ausnahme.
Dem scharfen Auge eines Rechtsanwalts ist es nun nicht entgangen, dass die offiziellen Mehrfachstecker, an denen Verfahrensbeteiligte ihre Notebooks einstöpseln können, nicht korrekt geprüft sind. Jedenfalls vermisste er an dem Mehrfachstecker das offizielle Prüfsiegel, welches die Betriebssicherheit des “ortsveränderlichen Betriebsmittels” dokumentiert.
Offenbar sorgte sich der Anwalt tatsächlich um die Sicherheit im Saal oder wenigstens das Wohlergehen seines Notebooks. Denn er rügte in der Gerichtsverhandlung hochoffiziös, der Justiz-Mehrfachstecker, den zu nutzen man ihn ansinne, entspreche nicht den Vorschriften. Der Kollege hatte auch die passende, extrem beeindruckende Normenkette parat. Die umfasste Paragrafen aus dem Arbeitsschutzgesetz und den berufsgenossenschaftlichen Unfallverhütungsvorschriten .
Maßgeblich, so wissen wir jetzt, ist insbesondere die “BGV A3”. Die Vorschrift definiert ortsveränderliche elektrische Betriebsmittel als solche, "die während des Betriebs bewegt werden oder die leicht von einem Platz zum anderen gebracht werden können, während sie an den Versorgungsstromkreis angeschlossen wurden." Diese Geräte müssen regelmäßig technisch überprüft werden und ein Siegel erhalten.
Das Gericht reagierte darauf ganz und gar nicht ungehalten. Jedenfalls ließ sich niemand auf der Richterbank was anmerken. Vielmehr wurde für die Mittagspause der Haustechniker angefordert. Der überprüfte – ich war wie alle anderen essen – offenbar alle Mehrfachstecker und verzierte sie mit hübschen Aufklebern.
Darunter war auch der Stecker, den ich vorsorglich immer in der Notebooktasche habe. Den Stecker hatte ich nämlich am Morgen auch an unserem Anwaltstisch eingestöpselt, weil es sonst immer Gerangel um die wenigen offiziellen Steckdosen gibt. Ich besitze jetzt also auch in meinem Arbeitswerkzeug einen Stecker, den ich guten Gewissens mit ins Gericht nehmen kann. Dafür vielen Dank.
Allerdings hoffe ich nicht, dass die Aufschrift “Saal 128”, die der Techniker gleich neben dem Prüfsiegel anbrachte, mich eines Tages als Dieb dastehen lässt.