Samenspender haben kein Recht darauf, anonym zu bleiben. Ein durch künstliche Befruchtung gezeugtes Kind kann nämlich vom behandelnden Arzt Auskunft darüber verlangen, wer sein Vater ist. Das hat das Oberlandesgericht Hamm heute entschieden.
Die 21-jährige Klägerin hat bereits vor Jahren erfahren, dass sie von ihrem Vater nicht biologisch abstammt. Vielmehr war sie im Jahr 1990 durch eine heterologe Insemination gezeugt worden. Dies geschah im Institut des Beklagten, der solche Behandlungen anbot.
Von dem Arzt wollte die junge Frau nun wissen, wer ihr leiblicher Vater ist. Der Arzt weigerte sich jedoch, er habe mit den damals beteiligten Personen Stillschweigen vereinbart. Deswegen dürfe er den Namen des Samenspenders nicht nennen. Das Geheimhaltungsinteresse sei nämlich vorrangig vor dem Wunsch der Klägerin, ihren biologischen Vater zu erfahren. Unter anderem berief sich der Mediziner auch auf seine ärztliche Schweigepflicht.
Nach Auffassung des Oberlandesgerichts Hamm zählen diese Argumente jedoch nicht. Die Klägerin habe ein umfassendes Recht auf “private Lebensgestaltung”, in dessen Rahmen sie ihre Persönlichkeit entwickeln und wahren könne. Das sei für einen Menschen aber nur möglich, wenn er die grundlegenden Faktoren für seine Existenz kenne. Dazu gehört nach Auffassung der Richter auch die Abstammung.
Das Interesse des Samenspenders an Anonymität kommt jedenfalls dagegen nicht an. Jeder Samenspender, so das Gericht, können sich darauf einstellen, dass er später als biologischer Vater ermittelt wird. Geheimhaltungsinteressen der Eltern standen in diesem Fall nicht zur Debatte. Sowohl die Mutter als auch der “offizielle” Vater der Frau hatten sich damit einverstanden erklärt, dass der Arzt den Namen des Samenspenders nennt.
Vor diesem Hintergrund kann sich der Mediziner nicht mehr auf seine Schweigepflicht berufen. Der Arzt hatte im Prozess allerdings auch geltend gemacht, nach so langer Zeit überhaupt keine Unterlagen mehr zu haben. Das Oberlandesgericht Hamm bezweifelt dies jedoch. Jedenfalls habe der Mediziner nicht belegen können, dass er den Namen des Spenders nicht kennt oder zumindest nicht ermitteln kann. Dazu gehöre notfalls auch, dass er in seinen Unterlagen recherchiert und die früheren Mitarbeiter befragt. Das hat der Arzt nach Auffassung des Gerichts nicht ausreichend gemacht.
Als die Klägerin geboren wurde, gab es noch keine umfassenden Dokumentationspflichten für Ärzte in diesem Bereich. Sie waren deshalb theoretisch berechtigt, sämtliche Unterlagen nach zehn Jahren zu vernichten.
Oberlandesgerichts Hamm, Urteil vom 06. Februar 2013, Aktenzeichen I-14 U 7/12