Vor einigen Wochen haben wir gelächelt, als eine Autofahrerin Ärger wegen eines Facebook-Eintrags bekam. Die Frau hatte sich erlaubt, eine Tempokontrolle der Stadt als Abzocke zu brandmarken. Das wiederum veranlasste den Behördenleiter, der Frau mit dem Führerscheinentzug zu drohen, da sie möglicherweise ungeeignet zum Autofahren sei.
Die Sache endete glimpflich. Die Behörde hat sich für ihren gekränkten Mitarbeiter entschuldigt. Ähnliches könnte auch dem Düsseldorfer Oberbürgermeister Dirk Elbers drohen. Auch er scheint dem Konzept der Meinungsfreiheit eher skeptisch gegenüber zu stehen. Handstreichartig hat Elbers am Freitag zehn Feuerwehrleute vom Dienst suspendiert. Es geht um Facebook-Einträge und die Benutzung des “Like”-Buttons.
Soweit bisher bekannt, hat ein Feuerwehrmann kritische Leserkommentare, die in der Online-Ausgabe einer Düsseldorfer Tageszeitung zu lesen waren, auf sein Facebook-Profil kopiert.
Ein Leser nahm wohl kein Blatt vor den Mund. In deutlichen Worten kritisierte er Einsparungen bei der Feuerwehr und fragwürdige Überstundenabrechnungen. Unter anderem stand in dem Kommentar, Elbers nehme den Kö-Bogen (ein architektonisches Prestigeprojekt) ernster als die Feuerwehr. Dann hieß es in dem Kommentar:
Erst wenn der eigene Bürostuhl brennt, wird Herr Elbers erkennen, dass man mit Infopavillons keine Brände löscht.
Andere Leser spekulierten darüber, ob die Feuerwehr möglicherweise bei einem Feuer im Rathaus etwas langsamer arbeiten könnte als sonst. Schließlich fand sich auch die Anmerkung, Elbers würde ein Feuer im Rathaus wahrscheinlich wenig treffen; er sei ja ohnehin ständig auf Dienstreisen im Ausland.
Neun der Feuerwehrleute hat Elbers jetzt vom Dienst suspendiert, weil diese den Facebook-Eintrag ihres Kollegen gelesen und den “Gefällt mir”-Button geklickt haben. Offensichtlich ist der Oberbürgermeister der Meinung, so ein “Like” sei gleichbedeutend damit, dass sich jemand den Inhalt des Eintrags zu eigen macht. Jedenfalls wird nun allen Betroffenen vorgeworfen, sie hätten das “Grundvertrauen” der Stadtverwaltung erschüttert und seien nicht mehr tragbar.
Aber kann man wegen eines bloßen “Gefällt mir” bei Facebook wirklich den Job verlieren? Oder haben der Düsseldorfer Oberbürgermeister und seine Berater in dem Fall das Gespür für die Verhältnismäßigkeit verloren?
Bei den neun Feuerwehrleuten ist die Antwort einfach. Ein bloßes “Like” bedeutet noch lange nicht, dass sich jemand fremde Äußerungen zu eigen macht. Das ergibt sich ja schon daraus, dass Facebook keinen “Gefällt mir nicht” – Button zur Verfügung stellt. Der Aussagegehalt eines “Likes” ist also nicht unbedingt (immer), dass man die Sache selbst genau so sieht wie der Facebook-Nutzer, dessen Beitrag man mit “Gefällt mir” quittiert.
Oft wird der Button auch geklickt, um schlicht auf den Beitrag oder die Diskussion hinzuweisen. Jedes “Gefällt mir” taucht ja auch in der eigenen Timeline auf, sofern man die Likes öffentlich gestellt hat. Der Like ist also auch so was wie ein Wegweiser zu Inhalten, die der Nutzer vielleicht nicht unbedingt inhaltlich richtig findet, auf die er aber trotzdem hinweisen und ihnen Aufmerksamkeit verschaffen will. Dass man sich auch mit anderen Auffassungen auseinandersetzt, wird ja gemeinhin auch als Teil der Diskussionskultur geschätzt.
Nach meiner Meinung bedeutet ein Like also kein “Sehe ich genau so”. Da müsste schon deutlicher werden, dass sich der Facebook-Nutzer die mit “Gefällt mir” markierten Äußerungen auch wirklich inhaltlich zu eigen macht. Ohne eigenes inhaltliches Statement ist das “Gefällt mir” erst mal nichts weiter als ein Wegweiser im Netz. Der Like ist deshalb am besten mit einem Link vergleichbar. Wer auf andere Inhalte außerhalb von Facebook verlinkt, erklärt damit ja auch noch nicht, dass er die verlinkten Inhalte richtig findet.
Nur am Rande: Es steht ja auch erst mal gar nicht fest, was der Betroffene möglicherweise geliked hat. Facebook-Einträge lassen sich nachträglich bearbeiten. Wenn man es so sehen würde wie der Düsseldorfer Oberbürgermeister, wäre jeder Like ein unübersehbares Risiko.
Die Stadtverwaltung sollte bei den neun Feuerwehrleuten also auf jeden Fall die Reißleine ziehen. Die Suspendierung ist offensichtlich unverhältnismäßig, selbst wenn die Betroffenen den Beitrag ihres Kollegen so geliked haben, wie er veröffentlicht wurde.
Was den Autor des Facebook-Eintrags betrifft, ist es etwas komplizierter. Allerdings spricht auch bei ihm viel dafür, dass der Oberbürgermeister weit übers Ziel hinausschießt. Es handelt sich ja offensichtlich schon mal gar nicht um eigene Äußerungen. Vielmehr zitiert der Beamte Leserbriefe, die in einer Zeitung veröffentlich wurden. Ob er sich die Äußerungen zu eigen gemacht hat, kann ich momentan nicht feststellen. Sein Text ist nicht mehr öffentlich.
Fest steht allerdings, dass der Beamte wohl eher kein durchgeknallter Feuerteufel ist. In Düsseldorf gibt es nämlich seit langem Diskussionen, was den Feuerwehrleuten für geleistete Überstunden zusteht. Es gab Gerichtsverfahren, aber ein guter Teil der streitigen Ansprüche soll mittlerweile verjährt sein.
Was der Beamte aus den Leserbriefen zum Thema Überstunden kopierte, stand somit nicht im luftleeren Raum. Vielmehr ging es um einen sachlichen Streit, der sogar vor Gericht ausgetragen wurde. Die sicherlich verunglückten Brand-Metaphern wörtlich zu nehmen und zu unterstellen, ein Feuerwehrmann würde seine Arbeit nicht mehr machen, ist in diesem Zusammenhang doch recht gekünstelt. Im Zweifel gilt dann eben doch die Meinungsfreiheit.
Sogar in der Stadtverwaltung Düsseldorf.