Folgemaßnahmen

Selbst geringe Mengen krümelartiger Substanzen führen oft dazu, dass die Polizei sich gerne mal die Wohnung des Verdächtigen ansehen möchte. Ein Mandant ist darum herumgekommen. Allerdings waren die Umstände reichlich glücklich.

Denn bei der mobilen Großkontrolle, wie es sie oft an Ausfallstraßen gibt, ist wohl was schief gelaufen, wie sich aus dem Polizeibericht ergibt:

Folgemaßnahmen, wie ED-Behandlung und Durchsuchungsmaßnahmen an der Wohnanschrift sind durch weitere Kontrollmaßnahmen und Wechsel der kontrollierenden Beamten untergegangen.

Immerhin ein sympathischer Zug, wenn dies sogar noch aktenkundig gemacht wird.

Wie im Film

Einen 45 Meter langen Tunnel haben Einbrecher in Berlin gegraben, um an die Schließfächer in einer Bankfiliale zu kommen. Der Tunnel begann in einer Tiefgarage und führte exakt bis in den Tresorraum der Bank. Insgesamt erbeuteten die Täter den Inhalt von rund 200 Schließfächern.

Die Berliner Polizei spricht von professioneller Arbeit und geht davon aus, dass die Arbeiten Wochen dauerten. Dennoch habe wohl niemand etwas davon gemerkt. Der Tresorraum an der Wrangelstraße ist nach den Angaben der Polizei nach modernen Standards gesichert. Nur mit Spezialgerät sei es den Tätern gelungen, die auf dem Weg liegenden Zwischenwände von Gebäuden und letztlich den Sicherheitsraum der Bank selbst zu knacken.

Im Anschluss an ihren Beutezug legten die Einbrecher wahrscheinlich selbst einen Brand in der Bank, um Spuren zu verwischen. Allerdings gelang es den Tätern nicht, alle der rund 800 Schließfächer aufzubrechen. Ob die Täter gestört wurden oder mit der bisherigen Beute zufrieden waren, ist bislang nicht ermittelt.

Immerhin hat die Polizei nun eine Spur, mit der sie an die Öffentlichkeit gehen kann. Sie sucht per Phantombild einen 30 bis 40 Jahre alten Mann. Hervorstechendes Merkmal ist nach Zeugenangaben, dass er zur möglichen Tatzeit im Bereich der Tiefgarage verschmutzte Arbeitshosen und ockerfarbene Arbeitsstiefel getragen haben soll.

Nach dem Urteil ist vor der DNA

Obwohl ich mich in einem Ermittlungsverfahren als Verteidiger gemeldet hatte, erging ein Strafbefehl gegen meinen Mandanten. Das passierte, weil die Polizei mein erstes Schreiben, mit dem ich um Akteneinsicht bat, nicht gleich an die Staatsanwaltschaft weiterleitete, der Staatsanwalt selbst aber geradezu blitzartig arbeitete.

Der Strafbefehl war also in der Welt, bevor der Staatsanwalt etwas von meiner Tätigkeit wusste. Ich erfuhr erst nachträglich von alledem. Nämlich, als mich mein Mandant beiläufig darüber informierte, er habe die Geldstrafe akzeptiert.

Na ja, immerhin hat der Mandant die Einspruchsfrist absichtlich verstreichen lassen. Es ist ja seine eigene Entscheidung, ob er sich tatsächlich gegen den Tatvorwurf verteidigen will. Gut möglich, dass auch die Frage nach dem finanziellen Aufwand eine Rolle spielte. Ein Anwalt kostet ja auch Geld.

Allerdings hätte ich darauf wetten können, wieder vom Mandanten zu hören. Denn ihm war womöglich nicht ganz klar, dass die Sache damit nicht ausgestanden war. Schon wenige Wochen später fasste der Ermittlungsrichter nämlich einen weiteren Beschluss. Die Anordnung, dass mein Mandant eine DNA-Probe abgeben muss. Begründung: Von ihm seien auch künftig Straftaten zu erwarten.

Bei vielen Staatsanwaltschaften ist es mittlerweile Standard, praktisch jeden Verurteilten zur DNA-Probe vorladen zu lassen. Wer nicht freiwillig antritt (wozu niemand verpflichtet ist), wird eben per Gerichtsbeschluss dazu angehalten und dann notfalls mit Gewalt gezwungen.

Die durchaus engen juristischen Voraussetzungen für eine DNA-Probe werden oft genug sehr weit ausgelegt. Längst nicht jeder, der vom Gericht dazu verdonnert wurde, hätte nach dem Buchstaben des Gesetzes, das immerhin Straftaten von erheblicher Bedeutung  oder ein Sexualdelikt verlangt, dazu verdonnert werden dürfen.

Bei dem betreffenden Mandanten ist es überdies fraglich, ob von ihm auch künftig Straftaten zu erwarten sind (eine weitere gesetzliche Voraussetzung). Jedenfalls bestehen gute Aussichten, dass das Beschwerdegericht die Voraussetzungen für die DNA-Abgabe doch noch verneint.

Wenn es allerdings das Anliegen des Mandanten gewesen sein sollte, Geld zu sparen, dürfte sich diese Hoffnung nun nicht erfüllen. Eher wäre es billiger gewesen, sich von Anfang an gegen den Vorwurf selbst zu verteidigen. Denn eine Einstellung des Verfahrens wäre mir einigem Einsatz möglich gewesen – wasserdicht war an der Sache nämlich nichts.

Nun ja, nicht mein Problem. Ich freue mich jedenfalls über die Fortsetzung des Mandats.

GEMA und Youtube streiten weiter

An den Maßstäben des Internets gemessen, tobt der Streit schon seit unvordenklicher Zeit. Seit rund vier Jahren liegen Youtube und die GEMA im Clinch. Es geht darum, ob und wie viel Geld Youtube für Videos an die GEMA zu zahlen hat. Der deutsche User ist dabei der Hauptgeschädigte. Bei aktuellen Musikvideos, nicht nur solchen von der GEMA, bleibt er nämlich meist ausgesperrt.

Der Streit zwischen Youtube und der GEMA ist kaum noch überschaubar. Da wundert es doch schon sehr, dass ausgerechnet die Verwertungsgesellschaft nun noch ein neues Fass aufmachen wird. Ihr Vorstandsvorsitzender beklagt sich öffentlich darüber, Youtube stelle mit seinen Sperrhinweisen die GEMA zu Unrecht an den Pranger.

Droht da schon der nächste Prozess?

“Leider ist dieses Video in Deutschland nicht verfügbar” gehört mit Sicherheit zu den meistgehassten Sätzen deutscher Videonutzer. Wer etwas weiter liest, dem präsentiert Youtube auch gleich einen Verantwortlichen. Das Video könnte Musik enthalten, “für die die GEMA die erforderlichen Musikrechte nicht eingeräumt hat”.

Klar, dass sich die GEMA nur ungern den schwarzen Peter zuschieben lässt. Schon lange steht sie aufgrund der millionenfachen Einblendung als Bösewicht da. Allerdings dürfte es der GEMA eher schwerfallen, sich aus Googles freundlicher Umklammerung zu lösen, die längst zu einem PR-Desaster für die GEMA geworden ist. Das meint jedenfalls der Urheberrechtsexperte Günter Poll. In einem aktuellen Artikel in der Legal Times Online warnt er die GEMA davor, Youtube wegen des Sperrhinweises zu verklagen.

Laut Poll gibt der Hinweis nur die tatsächliche Situation wieder und ist deshalb nicht zu beanstanden. Obwohl die GEMA längst nicht mehr den Großteil der Rechteinhaber im Onlinebereich vertritt, besteht eben für Youtube die Gefahr, dass Nutzer ein Video einstellen, das GEMA-Rechte verletzt. Von daher sei es nachvollziehbar, dass Youtube bei Musikvideos in Deutschland ziemlich radikal den Filter aktiviert – um letztlich nicht die aus Youtube-Sicht überhöhten Tarife an die GEMA zahlen zu müssen.

Laut dem Autor sollten sich die Parteien lieber bemühen, den eigentlichen Streit aus dem Weg zu räumen. Der dreht sich im Kern – natürlich – um Geld. Die GEMA verlangt eine Festvergütung von 0,00375 Euro für jeden Videostream. Das hält der Urheberrechtsexperte für klar rechtswidrig, denn Youtube schulde nach aktueller Rechtslage allenfalls eine prozentuale Vergütung, die sich an den eigenen Erlösen bemisst.

Aber anscheinend ist mit einem Ende der Streitigkeiten nicht zu rechnen. Die GEMA hat jetzt ein Schiedsverfahren gegen Youtube eingeleitet und will Millionenforderungen geltend machen. Bevor Sachfragen geklärt werden können, muss erst mal über die Zuständigkeit des Deutschen Patent- und Markenamtes gestritten werden. Denn möglicherweise sind auch die ordentlichen Gerichte für solche Streitigkeiten zuständig.

Anonymus malt Zebrastreifen

Da hat ein unbekannter “Künstler” aber ganze Arbeit geleistet. Noch ist nicht ganz klar, ob es ihm um Ruhm und Ehre ging. Oder schlicht um die Möglichkeit, gefahrlos die Alteburger Straße in Köln zu überqueren. Dort freuen sich aber alle Fußgänger seit etwa drei Jahren über einen Zebrastreifen, den es eigentlich gar nicht geben darf.

Die Stadt jedenfalls, so stellt sich jetzt heraus, hat den Zebrastreifen nicht aufgemalt. Was sich an den fehlenden Hinweisschildern zeigt. Und vor allem daran, dass der Zebrastreifen nicht in unverwüstlicher Kaltplastik-Acrylfarbe nach amtlichen Vorgaben aufgebracht ist und dementsprechend langsam verwittert.

Die schlechte Erkennbarkeit des Zebrastreifens, so berichtet der Kölner Stadtanzeiger, hat besorgte Bürger auf den Plan gerufen. Unter anderem einen Vater, dessen Kind tagtäglich den Zebrastreifen nutzt. Ohne seine Bitte, doch auch mal die üblichen Warnschilder aufzustellen, würde die Stadt bis heute nichts von dem fremdgemalten Zebrastreifen ahnen.

Der Leiter des Straßenverkehrsamtes räumt freimütig ein, dass den Mitarbeitern seines Amtes der Zebrastreifen bislang nicht aufgefallen und vor allem nicht verdächtig vorgekommen ist. Und das, obwohl erst vor kurzem wenige Meter weiter ein Kreisverkehr eingerichtet worden ist, der eindeutig den städtischen Segen hat.

Nun ärgern sich die Anwohner darüber, dass der beliebte Zebrastreifen wohl verschwinden wird. Die Straße sei nicht so belebt, heißt es vom Amt, dass ein Zebrastreifen eine Existenzberechtigung an der Stelle hat.

Polizisten dürfen nicht auf Abschiedsfeier

Er zeigte jahrelang ein Herz für Temposünder. Nun geht der Herforder Amtsrichter Helmut Knöner in den Ruhestand. Das will er am Rosenmontag feiern. Draußen bleiben sollen allerdings Herforder Polizeibeamte – wenn es nach ihrem Vorgesetzten Björn Brocks geht. Der Polizeirat möchte nicht, dass Beamte im Dienst am Ausstand des Richters teilnehmen.

Vordergründig verkauft der Polizeichef seine Aufforderung als reine Fürsorge. Beamte, ließ er die Neue Westfälische wissen, seien in ein enges Geflecht an Korruptionsregeln eingeschnürt. Mitfeiernde Polizisten wären nach seiner Meinung ein “Super-Gau”.

Nicht ganz klar wird allerdings, wieso der Polizeirat sogar Kollegen, die außerhalb des Dienstes privat auf der Richterfeier vorbeischauen wollen, vorsorglich zum Rapport bittet. Ihm ist wahrscheinlich klar, dass er seinen Leuten kaum vorschreiben kann, was sie in ihrer Freizeit tun. Laut dem Bericht wurden dennoch alle Beamten aufgefordert, ihre privaten Pläne in Sachen Abschiedsfeier vorher der hausinternen Führungsstelle Verkehr zu melden – und damit aktenkundig zu machen.

Dass Beamte vorsoglich anmelden müssen, was sie in ihrer Freizeit tun, ist natürlich ein echter Fortschritt in Sachen Korruptionsprävention. Ob der Polizeichef seine Linie wirklich über den Einzelfall hinaus fortsetzen will, ist allerdings fraglich. Leider ist derzeit jedenfalls nicht bekannt, ab Herforder Beamte auch andere Freizeitbeschäftigungen melden müssen, die sie ebenso in Verlegenheit bringen können wir ein Gläschen beim Ausstand eines als ansonsten harmlos geltenden Juristen.

Etwas überraschend vermengt der Vorgesetzte nämlich sein hehres, aber beamtenrechtlich auch fragwürdiges Anliegen mit einem offensichtlichen Groll gegen den Herforder Richter.

Dessen “langjährige Einstellungspraxis” sowie seine “zum Teil anmaßenden Urteilsbegründungen in Richtung Polizei” machten eine Teilnahme für Behördenvertreter nicht statthaft – weder in Zivil noch in Uniform. Man darf wohl vermuten, dass dies der eigentliche Grund ist, warum Brocks seine Leute nicht auf der Richterfeier sehen will.

Amtsrichter Knöner nimmt die kleine Affäre gelassen. Die Zeitung ließ er wissen, er sei schon immer ein großer Anhänger der Meinungsfreiheit gewesen.

Die Wahrheit als Nebensache?

“Die Wahrheit interessiert mich nicht.”

Selbst wenn man sich schon einiges bei Gericht angehört hat, ist das ein ungewöhnlicher Satz. So was denken manche Richter allenfalls, sagen es aber nicht laut. Ein sächsischer Richter hat sich aber in einem Zivilprozess genau zu dieser prägnanten Aussage hinreißen lassen, die – natürlich – eine fragwürdige Dienstauffassung dokumentiert. Der Richter wurde prompt wegen Befangenheit abgelehnt.

Das alles, könnte man denken, ist an sich nicht dramatisch. Es gibt ja immer wieder Richter, die nur ihre eigenen Vorurteile gelten lassen und sich von den Idealen des Rechtsstaats innerlich verabschiedet haben. Dafür gibt es ja genug andere, pflichtbewusste Juristen, die solche Fehlentscheidungen schnell korrigieren. Sollte man meinen.

Aber das scheint mitunter ein Trugschluss zu sein. In Sachsen schafften es jedenfalls zwei weitere Instanzen nicht, in der Äußerung des Richters ein Problem zu sehen. Sowohl das Landgericht Chemnitz als auch das Oberlandesgericht Dresden meinten, durch sein Statement habe sich der Richter keinesfalls als befangen erwiesen.

Das Oberlandesgericht Dresden wies sogar dem Anwalt die Schuld zu. Dieser habe durch seinen Beweisantrag, den der Richter noch nicht mal ins Protokoll aufnehmen wollte, sachwidrigen Druck ausgeübt. Der Anwalt habe seinen Wunsch, einen bestimmten Zeugen zu hören, nämlich mit dem Hinweis verknüpft, dem Beweisantrag müsse im Interesse der Wahrheitsfindung stattgegeben werden.

Erst das Bundesverfassungsgericht stellte jetzt fest, dass der betreffende Richter “an der Erfüllung einer wesentlichen richterlichen Amtspflicht nicht interessiert sei”. So eine Dienstauffassung, wie sie in dem Verhalten des Richters deutlich werde, begründe aber die Besorgnis der Befangenheit.

Der angeblichen Druckausübung durch den Anwalt konnte das Bundesverfassungsgericht dagegen nichts abgewinnen. Es sei schon nicht ersichtlich, dass der Hinweis auf die Amtspflichten des Richters eine “verbotene Druckausübung” gewesen sei.

Das Land Sachsen muss jetzt die für die Verfassungsbeschwerde übernehmen. Und in dem Prozess ist das letzte Wort wahrscheinlich noch nicht gesprochen.

Bundesverfassungsgericht, Beschluss vom 12. Dezember 2012, Aktenzeichen 2 BvR 1750/12

Gericht akzeptiert “SMS to Fax”

Ein fristgebundener Schriftsatz, zum Beispiel die Berufung in einer Strafsache, kann auch per SMS eingelegt werden. Zumindest sofern die SMS über einen Faxdienst an ein offizielles Gerichtsfax geschickt und dort wie üblich ausgedruckt wird. Das hat das Oberlandesgericht Brandenburg entschieden.

Die Mutter eines Jugendlichen hatte sich gegen eine Entscheidung gewehrt, mit dem ihr Sohn zu Jugendarrest verurteilt wurde. Die Botschaft übermittelte sie mit einem “SMS-to-Fax”-Service. Sie schrieb folgendes:

„ag fr…..(…])ich lege gegen d.urteil v.a-gericht …(04.04.2012/10uhr!)-sofortige berufung ein(folgt schriftl.)!m.f.g.c…“.

Ihr Name war in der SMS ausgeschrieben, nur der letzte Buchstabe fehlte. Das Jugendschöffengericht meinte noch, die Berufung sei unzulässig. Denn die Frau habe das Fax nicht eigenhändig unterschrieben. Normalerweise akzeptieren Gerichte Rechtsmittel per Fax. Aber, wie das Jugendschöffengericht, eben nur dann, wenn das bei Gericht ausgedruckte Fax die Unterschrift des Absenders zeigt.

Die Wiedergabe einer Unterschrift hält das OLG Brandenburg allerdings für nicht erforderlich. Es komme nur darauf an, dass der Absender (am Namen) erkennbar sei und kein Zweifel daran bestehe, dass Berufung eingelegt werden soll.

Den oft herangezogenen Einwand, ein nicht unterschriebenes Fax könne ja auch ein bloßer Entwurf sein, weisen die Richter als lebensfremd zurück. Die Berufung sei sehr bestimmt und unzweideutig formuliert. Gerichte dürften keine zu hohen formalen Hürden aufstellen, mit denen der Zugang des Bürgers zur Justiz erschwert werde.

Auf dieser Grundlage muss an sich auch ein Rechtsmittel per E-Mail akzeptiert werden – wenn der Absender erkennbar ist. Denn die Botschaft wird ja auch bei der SMS schon auf der Absenderseite ohne Unterschrift abgeschickt. Die Frage, ob der Text dann später als Fax oder E-Mail ankommt und normalerweise ausgedruckt wird, begründet dann ja keinen greifbaren Unterschied mehr.

Trotzdem muss man natürlich vorsichtig sein, dann die Auffassung des Oberlandesgerichts Brandenburg ist längst nicht Konsens. Briefe oder Faxe ans Gericht sollten deshalb immer unterschrieben werden. E-Mails werden bei Gericht ohnehin fast nirgends akzeptiert, wenn damit Fristen gewahrt werden sollten.

Oberlandesgericht Brandenburg, Beschluss vom 10. Dezember 2012, Aktenzeichen 1 Ws 218/12

Doppelt hält nicht besser

Sicherungsverwahrung darf nach derzeitigem Stand nur verhängt werden, wenn der Angeklagte nachweislich gefährlich für die Allgemeinheit ist und dies unerlässlich erscheint. Die Einschränkung ist auch Folge des Umstandes, dass der Europäische Gerichtshof die Bundesrepublik mehrfach und eindringlich für Menschenrechtsverletzungen bei der Sicherungsverwahrung gerügt hat und trotzdem an den unwirksamen Vorschriften festgehalten wurde.

Wegen der gravierenden Mängel der bisherigen Vorschriften hat das Bundesverfassungsgericht nämlich letztlich gleich alle gültigen Regeln zur Sicherungsverwahrung für ungültig erklärt und festgelegt, dass bis zu einem neuen Gesetz engste Voraussetzungen für die weitere Unterbringung eines Straftäters auch nach seiner Haftzeit gelten.

Ein neues Gesetz, das die Menschenrechte achtet, soll zwar Mitte des Jahres wirksam werden, zumindest bis dahin müssen sich Gerichte aber bei der Sicherungsverwahrung aufgrund der Übergangsregelung extrem zurückhalten. Nun hat der Bundesgerichtshof ein Urteil aufgehoben, weil er die Sicherungsverwahrung eines verurteilten Straftäters schon an sich für unangemessen hält.

Wegen Mordes sowie diversen Sexualdelikten gegenüber Kindern wurde der Mann zu einer lebenslangen Freiheitsstrafe verurteilt. Das Landgericht Stade hat außerdem die Schwere seiner Schuld festgestellt. Für eine zusätzliche Sicherungsverwahrung ist da nach Auffassung des Bundesgerichtshofs aber kein Raum.

Wenn die besondere Schwere der Schuld festgestellt ist, kann ein zu lebenslänglicher Freiheitsstrafe Verurteilter nämlich nicht unbedingt darauf hoffen, dass er nach 15 Jahren auf Bewährung entlassen wird. Das geht in diesem Fall nur erheblich später. Außerdem muss besonders sorgfältig geprüft werden, ob der Betreffende noch eine Gefahr für die Allgemeinheit sein könnte.

Nach Auffassung der Richter sind diese Voraussetzungen identisch mit den Bedingungen, unter denen derzeit auch eine Sicherungsverwahrung vollzogen werden kann. Konsequenz: Wenn der Betreffende überhaupt einmal auf Bewährung aus der Strafhaft entlassen wird, muss seine Ungefährlichkeit definitiv feststehen. In diesem Fall käme aber auch eine weitere Sicherungsverwahrung nicht mehr in Frage.

Somit wird durch die zusätzliche Sicherungsverwahrung nach Auffassung der Richter nichts gewonnen, so dass die Maßnahme gegen dem Betroffenen überflüssig war.

Bundesgerichtshof, Urteil vom 10. Januar 2013, Aktenzeichen 3 StR 330/12

Links 818

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ebay: Produktfotos kosten 20,00 Euro

Wer zur Bebilderung einer ebay-Auktion schnell mal von privat ein paar Fotos “klaut”, verletzt das Urheberrecht. Allerdings muss die Selbstbedienung nicht übertrieben teuer werden. Das Landgericht Düsseldorf urteilte jetzt, dass im nichtgewerblichen Bereich nur ein Grundpreis von 20,00 Euro für ein übernommenes Foto fällig werden.

Die Verkäuferin einer Tasche hatte wohl wenig Lust, das Produkt selbst zu fotografieren. Eine ganz normale Erscheinung, meint das Landgericht Düsseldorf. Oft sei es nur Bequemlichkeit, dass Verkäufer auf ebay sich bei anderen Fotografen bedienen. Im entschiedenen Fall hatte der Kläger – nach eigernen Angaben Profifotograf – das fragliche Taschenmodell auch adrett abgebildet.

Pro Bild sei dafür nur ein Schadensersatz von 20,00 Euro angemessen, befanden die Richter. Sie bezweifelten, dass die betreffenden Fotos tatsächlich im Rahmen der beruflichen Tätigkeit des Klägers entstanden. Die Fotos sähen zwar gut aus, hätten technisch aber nur mindere Qualität. Das spreche dafür, dass der Kläger die Fotos nicht für professionelle Zwecke gemacht habe.

Nach Auffassung des Landgerichts ist es deshalb nicht gerechtfertigt, für solche Fotos die üblichen Branchentarife heranzuziehen. Diese sehen weit höhere Vergütungen vor. Vielmehr solle der Richter den Schaden besser schätzen. 20,00 Euro pro Foto seien angemessen.

Nicht entscheiden musste das Landgericht Düsseldorf aus formalen Gründen die Frage, ob dem Kläger auch ein Anspruch zusteht, weil er nicht als Urheber der Bilder genannt wurde. In Frage kommt hier normalerweise 100 % auf den Bilderpreis.

Richtig teuer bleiben für die Beklagte allerdings die Abmahnkosten für den Anwalt, den der Kläger beauftragt hat. Hier spricht das Landgericht rund 900,00 Euro zu, so dass die Selbstbedienungsaktion letztlich doch deutlich mehr als 1.000 Euro gekostet hat.

Landgericht Düsseldorf, Urteil vom 24. Oktober 2012, Aktenzeichen 23 S 66/12

Google ist nicht gleich Google

Ob und wie weit Google für Inhalte auf seiner Plattform “Blogger.com” haftet, bleibt jedenfalls nach einem Urteil des Amtsgerichts Halle offen. Das Gericht wies die Klage eines Künstlers, der sich durch den Blogeintrag eines anonymen Autors verleumdet fühlte, zwar ab. Aber nur deswegen, weil der Betroffene die Google Deutschland GmbH verklagt hatte. Nach Auffassung des Amtsgerichts ist aber die Google Inc. in den USA für die Inhalte auf Blogger.com verantwortlich.

Die Google Deutschland GmbH hatte sich in dem Prozess wenig überraschend damit verteidigt, gar nichts mit den Inhalten auf der Plattform “Blogger” zu tun zu haben. Google Deutschland kümmert sich nach eigenen Angaben im wesentlichen nur ums Marketing. Die Inhalte würden ganz allein von der Mutterfirma Google Inc. bereitsgestellt.

Das Amtsgericht Halle hatte gegen die Google Deutschland GmbH zunächst eine einstweilige Verfügung erlassen. Diese hob das Gericht aber jetzt wegen des Formfehlers auf. Der Betroffene hat angekündigt, dass er jetzt die Google Inc. als richtigen Gegner verklagen in Anspruch nehmen wird. Dazu muss er nicht unbedingt nach Amerika gehen. Vielmehr kann er, so der Bundesgerichtshof in einem vergleichbaren Fall, den amerikanischen Konzern auch in Deutschland verklagen.

Wer sich in Gefahr begibt…

Es gibt kaum eine Beurteilung, die der Volksmund nicht kennt. Eine seiner Weisheiten (der Bibel entlehnt) heißt „Wer sich in Gefahr begibt, kommt darin um“. Aber was ist das, eine Gefahr?

Es gibt, nur beispielsweise, unter Juristen eine abstrakte, eine dringende, eine öffentliche, sogar eine „im Verzug“. Grob gesagt, wird dabei wird insgesamt eine Sachlage unterstellt, die „bei ungehindertem Geschehensablauf in überschaubarer Zukunft mit hinreichender Wahrscheinlichkeit zu einem Schaden führen wird“.

Haben mit so was auch nur entfernt zwei junge Männer gerechnet, die am 12. April 2008 an einem Strand im niederländischen Kijduin ihre Kitesurf-Ausrüstung einem 15-jährigen Bekannten aus Marl überließen – und ihm Hilfe beim Start geleistet hatten?

Nein, so sagt jetzt der 8. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Hamm (OLG). Es wies die Klage des 15-jährigen auf Schadensersatzanspruch gegen die beiden Helfer ab und bestätigte damit die Entscheidung des Landgerichts Essen.

Rund 250.000 Euro wollte der 15-Jährige haben. Er war bei dem Startversuch mit dem Kite von einer Windböe erfasst worden, prallte nach 50 Metern gegen eine Strandbude. Er erlitt so schwere Verletzungen, dass er seither vom Kopf abwärts querschnittsgelähmt ist. Aber ein pflichtwidriges und schuldhaftes Verhalten der beiden Helfer, 26 und 28 Jahre alt, stellte der OLG-Senat nicht fest (Aktenzeichen I-6 U 57/12).

So sei ihnen etwa auch nicht die Wahl eines ungeeigneten Startplatzes vorzuwerfen; oder anzulasten, dass sie den Kläger bei zu starkem Wind hätten starten ließen. Sie waren selbst Anfänger im Kitesurfen und hätten die Windstärke von 5 bis 6 nicht als zu stark einschätzen müssen.

Fazit: Da war keine Gefahr, jedenfalls keine zu erkennende. (pbd)