“Die Wahrheit interessiert mich nicht.”
Selbst wenn man sich schon einiges bei Gericht angehört hat, ist das ein ungewöhnlicher Satz. So was denken manche Richter allenfalls, sagen es aber nicht laut. Ein sächsischer Richter hat sich aber in einem Zivilprozess genau zu dieser prägnanten Aussage hinreißen lassen, die – natürlich – eine fragwürdige Dienstauffassung dokumentiert. Der Richter wurde prompt wegen Befangenheit abgelehnt.
Das alles, könnte man denken, ist an sich nicht dramatisch. Es gibt ja immer wieder Richter, die nur ihre eigenen Vorurteile gelten lassen und sich von den Idealen des Rechtsstaats innerlich verabschiedet haben. Dafür gibt es ja genug andere, pflichtbewusste Juristen, die solche Fehlentscheidungen schnell korrigieren. Sollte man meinen.
Aber das scheint mitunter ein Trugschluss zu sein. In Sachsen schafften es jedenfalls zwei weitere Instanzen nicht, in der Äußerung des Richters ein Problem zu sehen. Sowohl das Landgericht Chemnitz als auch das Oberlandesgericht Dresden meinten, durch sein Statement habe sich der Richter keinesfalls als befangen erwiesen.
Das Oberlandesgericht Dresden wies sogar dem Anwalt die Schuld zu. Dieser habe durch seinen Beweisantrag, den der Richter noch nicht mal ins Protokoll aufnehmen wollte, sachwidrigen Druck ausgeübt. Der Anwalt habe seinen Wunsch, einen bestimmten Zeugen zu hören, nämlich mit dem Hinweis verknüpft, dem Beweisantrag müsse im Interesse der Wahrheitsfindung stattgegeben werden.
Erst das Bundesverfassungsgericht stellte jetzt fest, dass der betreffende Richter “an der Erfüllung einer wesentlichen richterlichen Amtspflicht nicht interessiert sei”. So eine Dienstauffassung, wie sie in dem Verhalten des Richters deutlich werde, begründe aber die Besorgnis der Befangenheit.
Der angeblichen Druckausübung durch den Anwalt konnte das Bundesverfassungsgericht dagegen nichts abgewinnen. Es sei schon nicht ersichtlich, dass der Hinweis auf die Amtspflichten des Richters eine “verbotene Druckausübung” gewesen sei.
Das Land Sachsen muss jetzt die für die Verfassungsbeschwerde übernehmen. Und in dem Prozess ist das letzte Wort wahrscheinlich noch nicht gesprochen.
Bundesverfassungsgericht, Beschluss vom 12. Dezember 2012, Aktenzeichen 2 BvR 1750/12