Es gibt kaum eine Beurteilung, die der Volksmund nicht kennt. Eine seiner Weisheiten (der Bibel entlehnt) heißt „Wer sich in Gefahr begibt, kommt darin um“. Aber was ist das, eine Gefahr?
Es gibt, nur beispielsweise, unter Juristen eine abstrakte, eine dringende, eine öffentliche, sogar eine „im Verzug“. Grob gesagt, wird dabei wird insgesamt eine Sachlage unterstellt, die „bei ungehindertem Geschehensablauf in überschaubarer Zukunft mit hinreichender Wahrscheinlichkeit zu einem Schaden führen wird“.
Haben mit so was auch nur entfernt zwei junge Männer gerechnet, die am 12. April 2008 an einem Strand im niederländischen Kijduin ihre Kitesurf-Ausrüstung einem 15-jährigen Bekannten aus Marl überließen – und ihm Hilfe beim Start geleistet hatten?
Nein, so sagt jetzt der 8. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Hamm (OLG). Es wies die Klage des 15-jährigen auf Schadensersatzanspruch gegen die beiden Helfer ab und bestätigte damit die Entscheidung des Landgerichts Essen.
Rund 250.000 Euro wollte der 15-Jährige haben. Er war bei dem Startversuch mit dem Kite von einer Windböe erfasst worden, prallte nach 50 Metern gegen eine Strandbude. Er erlitt so schwere Verletzungen, dass er seither vom Kopf abwärts querschnittsgelähmt ist. Aber ein pflichtwidriges und schuldhaftes Verhalten der beiden Helfer, 26 und 28 Jahre alt, stellte der OLG-Senat nicht fest (Aktenzeichen I-6 U 57/12).
So sei ihnen etwa auch nicht die Wahl eines ungeeigneten Startplatzes vorzuwerfen; oder anzulasten, dass sie den Kläger bei zu starkem Wind hätten starten ließen. Sie waren selbst Anfänger im Kitesurfen und hätten die Windstärke von 5 bis 6 nicht als zu stark einschätzen müssen.
Fazit: Da war keine Gefahr, jedenfalls keine zu erkennende. (pbd)