Richterliches Smartphoneverbot

An Bewährungsauflagen sollte man sich halten. Zumindest wenn man in einer kleineren Stadt wohnt, in der Polizeibeamte ihre Klientel regelmäßig gut im Auge haben. Im beschaulichen Tuttlingen missachtete ein 39-Jähriger genau dies. Er ließ sich mit einem Smartphone in der Stadtmitte ertappen – und löste damit eine Hausdurchsuchung bei sich aus.

Ein Gericht hatte den Mann nach Angaben der Tuttlinger Polizei wegen des Besitzes von Kinderpornografie verurteilt. Zu den Bewährungsauflagen gehörte auch, dass er kein internetfähiges Handy benutzt. Genau so ein Gerät sahen Kriminalbeamte aber letzte Woche bei ihm, als er durch die City schlenderte.

Bei der Kontrolle fanden die Beamten Kindepornos auf dem Handy. Ein Richter ordnete darauf eine Wohnungsdurchschung an, bei der weiteres einschlägiges Material gefunden wurde.

Dem Mann droht jetzt ein weiteres Verfahren.

Der nette Herr F.

Die Düsseldorfer Polizei fahndet nach einem mutmaßlichen Bankräuber. Nun hat sie das Fahndungsplakat neu gestaltet, und zwar aus einem bemerkenswerten Grund: In der bisherigen Fassung kam der Verdächtige einfach zu sympathisch rüber.

In der Tat zeigte das ursprüngliche Fahndungsplakat den Gesuchten Thomas F. als recht freundlichen Kerl:

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Möglicherweise gingen zu viele Verehrinnenmails auf der Polizeihotline ein. Oder gar Anfragen für Kuppelshows im Trash-TV. Jedenfalls sieht sich das Polizeipräsidium Düsseldorf zur Klarstellung veranlasst, dass auch Bilder täuschen können.

Der Beschuldigte sei keineswegs so nett und harmlos, wie er auf dem Foto wirke. Vielmehr sei er “bewaffnet und entschlossen”. Das belege auch ein Vorfall vom 9. Dezember letzten Jahres, bei dem der 46-Jährige in Krefeld auf der Flucht fast einen Polizeibeamten umgefahren habe.

Um die unfreiwillige Sympathiewerbung zu beenden, rückt die Polizei nun ein ganz anderes Foto an die erste Stelle des Fahndungsaufrufs. Es soll den Verdächtigen bei seinem letzten Banküberfall in Sachsen-Anhalt zeigen, wie etwa dieses weitere Bild aus der Überwachungskamera:

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Das neue Fahndungsplakat, mit deutlich sichtbarer Pistole, gibt es hier als PDF.

BKA wieder über Tor erreichbar

Das Bundeskriminalamt ist mit dem Versuch gescheitert, nur durch individuelle IP-Adressen ausgewiesene Besucher auf seine Seite zu lassen. Die Behörde hatte ihr Angebot für Anonymisierungsdienste gesperrt. Nach Informationen von heise online hat der Bundesdatenschutzbeauftragte hiergegen erfolgreich protestiert.

Rechtlich gesehen haben Anbieter von Onlineangeboten keinen Anspruch darauf, dass sich Nutzer durch eine individuelle IP-Adresse “ausweisen”. Das Telemediengesetz fordert in seiner aktuellen Fassung sogar, dass Angebote anonym oder unter Verwendung von Pseudonymen nutzbar sein müssen – die Bezahlung eventueller Dienstleistungen eingeschlossen.

Hierauf hat der Bundesdatenschutzbeauftragte das Bundeskriminalamt laut heise online hingewiesen, nachdem ihm im Sommer 2011 Beschwerden erreichten, wonach es nicht möglich war, etwa über den Anonymsisierungsdienst Tor die Webseite bka.de anzusurfen. Das Bundeskriminalamt habe erklärt, die betreffende IP-Range sei bereits in den Grundeinstellungen des Servers gesperrt gewesen. Die Blockade wurde dann aufgehoben.

Bereits früher war das Bundeskriminalamt dadurch aufgefallen, dass es seine Webseite als Honeypot benutzt. So wurde durch gezielte Veröffentlichungen versucht, Mitglieder der militanten gruppe auf die Seite zu locken und über ihre IP-Adressen zu identifizieren. Dabei wurden natürlich auch die IP-Adressen aller Nutzer gespeichert und womöglich kontrolliert.

Winkender Aushilfsblogger

So, das war’s dann mit dem Aushilfsgeblogge im law blog. Ich ziehe mich wieder zurück ins heimische Wohnzimmer und hoffe, daß die Reinigungskraft (in unserem Blog würde ich von Putzfrau sprechen ;-) ) nicht allzu viel zu tun hat, wenn ich hier weg bin.

Diejenigen, die zu faul waren, sich an was Neues zu gewöhnen, werden wem-auch-immer danken, daß Udo Vetter wohl behalten aus seinem Urlaub zurück ist. Bei den anderen, die sich einfach so auf ihren Chefblogger freuen, hoffe ich, daß ich ein wenig zur Unterhaltung beitragen konnte.

Macht’s gut und Danke für den Fisch die freundliche Aufmerksamkeit,

… sagt freundlich winkend … der Aushilfsblogger.

Nachdem ich wieder da bin, auch von mir ein riesiges Dankeschön an den Berliner Kollegen Carsten R. Hoenig, der hier fast drei Wochen die Stellung gehalten hat. Bitte vergesst nicht, dass es von Carsten auch künftig täglich was zu lesen gibt. Auf seinem eigenen Blog, das ich hiermit allen Interessierten noch mal gern ans Herz lege. U.V.

Verunglimpfung

Bundespräsident Christian Wulff hat gegen einen Facebbok-Nutzer Strafanzeige wegen „Verunglimpfung des Bundespräsident“ (§ 90 StGB) gestellt.

berichtete gestern Rechtsanwalt Dr. Martin Bahr in seinen Rechtsnews.

In dem Verfahren vor dem Landgericht Dresden am 11. Januar 2012 geht es um ein Foto, auf dem das Präsidenten-Ehepaar zu sehen sein soll; die Frau Gemahlin mit nach oben ausgestrecktem rechten Arm – dem nach § 86a StGB strafbaren Hitlergruß; riecht ein wenig nach Photoshop.

Egal ob montiert oder nicht: Die Veröffentlichung dieses Fotos auf Facebook stellt nach Ansicht des Bundespräsidenten und der Staatsanwaltschaft eine Straftat nach § 90 StGB dar: Die relativ selten angeklagte „Verunglimpfung des Bundespräsidenten“.

Denn neben diesem Foto soll auch noch durch entsprechende (blödsinnige) Bildunterschriften eine Verbindung zwischen der Frau und dem Dritten Reich hergestellt worden sein.

Daß es sich insgesamt nicht um einen Ritt über den Ponyhof handelt, erkennt der Laie schon daran, daß es die Staatsschutzkammer des Landgerichts ist, die über diese Sache verhandelt. Was vor dieser Kammer sonst noch so Thema ist, kann man sich in § 74a GVG zu Gemüte führen.

Ob dieses Verfahren, was der BPräs. mit seiner „Ermächtigung“ (eine Art qualifizierter Strafantrag) losgetreten hat, tatsächlich so sinnvoll ist, scheint mir zweifelhaft. Und zwar nicht nur hinsichtlich des Streisand-Effekts (ohne den dieser Beitrag heute nicht geschrieben worden wäre).

Die Verunglimpfung ist eine Spezialität der Beleidigung nach § 185 StGB. Speziell ist beispielsweise die Strafandrohung: Mindestens 3 Monate Kerker.

Es gibt ein paar Probleme, ich mal so aus der Ferne sehe.

Unmittelbar betroffen wurde die Präsidenten-Gattin, nicht der Gatte selbst. Bereits an dieser Stelle kann man diskutieren, ob mit der … sagen wir mal … Karikatur der Schutzbereich der Norm berührt wird.

Geschützt ist der Bundespräsident in Person, nicht aber sein Vertreter nach Art. 57 GG. Dies folgt aus dem Wortlaut, der Entstehungsgeschichte und dem Charakter des § 90 als Sondervorschrift; zudem gewähren die §§ 185 ff. dem Stellvertreter ausreichenden strafrechtlichen Schutz.

liest man beispielsweise im Münchener Kommentar. Da ist also durchaus Spielraum für eine (Freispruch-) Verteidigung des Facebook-Freunds.

Dann haben wir noch die Grundrechte aus Art. 5 Abs. 1 und 3 GG, Meinung und Kunst.

Je nach Fallgestaltung kommt noch die Frage nach der Täterschaft hinzu, wenn nicht feststeht, wer zur Zeit der Veröffentlichung des „Beitrags“ hinter dem Rechner gesessen hat.

Alles in Allem ein paar Unwägbarkeiten, die im worst case (aus Sicht des Herrn Präsidenten) zu einem blamablen Prozeßende führen könnten.

Und überhaupt: Wenn ich in den vergangenen 2 1/2 Wochen hier im Weblog jede Verunglimpfung des Aushilfsbloggers durch so einige Kommentatoren zur Anzeige gebracht hätte … ganze Horden von Strafverteidigern hätten sich davon ihr Altenteil finanzieren können. ;-)

Kann es sein, daß der Herr Bundespräsident über ein nur sehr dünnes Fell verfügt?

… fragt sich der verunglimpfte Aushilfsblogger.

Rausschmiss nach fast 30 Jahren

Als Müller 1981 in den Freiburger Knast einfuhr, gab es im Osten Deutschlands noch die DDR, da gab es noch Schreibmaschinen, man telefonierte mit Wählscheibe. Als Müller vergangenes Jahr entlassen wurde, kaufte er sich als Erstes ein Mobiltelefon von E-Plus, hier, in diesem Hamburger Einkaufscenter, das ihm vorkam wie eine gigantische Zeitmaschine. Im Mai 2010 hatte Müller in seiner Zelle gehört, wie Claus Kleber im heute-journal verkündete, dass Sicherungsverwahrte wie er nun freikämen, das hätten die Richter in Straßburg entschieden. Müller, der bis dahin fest davon überzeugt war, dass er »nur noch mit den Füßen zuerst rauskommt«, bat um ein halbes Jahr Vorbereitungszeit. Drei Wochen später war er frei.

Das Dossier der Zeit berichtet über einen Menschen, der nach fast 30 Jahren quasi von jetzt auf gleich aus der „SV“ entlassen wurde. Ohne Vorbereitung auf den Alltag und auf das, was ihn „draußen“ erwartet.

Ein bemerkenswerter Bericht über die Konsequenzen einer jahrzehntelange Fehlentwicklung im deutschen Strafprozeß und über die Widerwärtigkeit der Berichterstattung durch den Boulevard-„Journalismus“ …

… meint der Aushilfsblogger.