Gerade bei Ermittlungen im Marken- und Urheberrecht ist es fast schon üblich, dass Ermittler Durchsuchungen nicht alleine machen. Sie bringen vielmehr gleich Mitarbeiter der Anzeigenerstatter mit, damit die ihnen vor Ort helfen können. Dieser Praxis tritt das Landgericht Berlin nun entgegen. Nach Auffassung der Richter muss es die Ausnahme bleiben, dass “nicht neutrale Sachverständige” vor Ort sind.
Microsoft hatte einen Geschäftsmann angezeigt, der im großen Stil kopierte Software des Konzerns verkauft haben soll. Bei der Durchsuchung war dann auch der Mitarbeiter eines Büros anwesend, das ausschließlich für Microsoft arbeitet. Er sichtete für die Beamten Datenträger und schlug vor, was beschlagnahmt werden soll.
Das Landgericht Berlin betont, die Ermittlungsbehörden müssten sich zunächst um neutrale Sachverständige bemühen. Dies sei erforderlich, um das Verfahren rechtsstaatlich und fair zu gestalten. Polizei und Staatsanwaltschaft müssten sich auch deswegen um neutrale Helfer bemühen, um das Vertrauen der Bürger in objektive Ermittlungen nicht zu gefährden.
Zwar seien Fälle denkbar, in denen auch nicht neutrale Personen bei der Durchsuchung dabei sein dürfen. Als Klassiker nennt das Landgericht Berlin das Opfer eines Diebstahls, weil dieses an Ort und Stelle am schnellsten sein Eigentum identifizieren könne.
Das sei aber im Falle der Microsoft-Durchsuchung nicht so gewesen. Der “Sachverständige” habe lediglich in stundenlanger Arbeit Datenträger aussortiert, auf denen Microsoft als Hersteller genannt war. Diese Arbeit, so das Landgericht Berlin, hätten die Polizeibeamten auch gut selbst erledigen können. Denn auch sie seien, ich fasse zuammen, in der Lage den Microsoft-Schriftzug zu lesen. Die Anwesenheit des Sachverständigen sei deshalb gar nicht erforderlich gewesen. Im Zweifel hätten auch eigene Experten, etwa vom Landeskriminalamt, eingesetzt werden können.
Beim Beschuldigten sei aber die Botschaft angekommen, dass die Beamten möglicherweise nicht unvoreingenommen ermitteln. Wörtlich:
Die fehlende Unparteilichkeit des hinzugezogenen Sachverständigen … konnte unter diesen Umständen für die Durchsuchungsbetroffene als auch für einen unbeteiligten Bürger den Eindruck entstehen lassen, dass die Ermittlungsbehörden Stellung zugunsten der Anzeigenerstatterin genommen hätten, indem sie jemanden an der Durchsuchung aktiv beteiligten, obwohl dieser erkennbar dem Lager der Anzeigenerstatterin zuzurechnen ist, die wiederum aufgrund eines Konkurrenzverhältnisses zu der Durchsuchungsbetroffenen ein offensichtliches Interesse am Ausgang des Ermittlungsverfahrens haben muss.
Die Ermittlungsbehörden haben daher ihr Handeln nicht so eingerichtet, dass beim Bürger kein nachvollziehbarer Verdacht dahingehend entstehen kann, Staatsanwaltschaft und Polizei hätten gegen das Gebot der Unparteilichkeit verstoßen.
Wenn es um kopierte Filme, Musik und Hörbücher geht, hat die Zahl der Hausdurchsuchungen zwar abgenommen. Die Rechteinhaber haben ja seit einigen Jahren einen eigenen Auskunftsanspruch vor Gericht, um den Anschlussinhaber einer IP-Adresse festzustellen. Bei größeren Fällen, wenn der Verdächtige gewerblich gehandelt haben soll, wird aber nach wie vor durchsucht.
Hier werden auch immer wieder gern Vertreter der Rechteindustrie eingeladen, meist Mitarbeiter der GVU. Das ist oft mehrfach merkwürdig. Denn in der Regel stellt die GVU im eigenen Namen den Strafantrag, da sie mit der Rechtewahrnehmung beauftragt ist. Oft wird sie dann auch später mit der Auswertung der Beweismittel beauftragt. Ist die GVU dann auch noch bei der Durchsuchung vor Ort, kann man eigentlich kaum noch von einer Hilfeleistung sprechen. Eher nehmen die beteiligten Polizisten eine Art Statistenrolle ein.
Gegen solch offensichtlich eigennützige Ermittlungen gibt der Beschluss künftig gute Argumente.
Landgericht Berlin, Beschluss vom 3. Mai 2012, Aktenzeichen 526 Qs 10 /12 und 526 Qs 11/12