Es war ein echter Großeinsatz: Nach einer DDoS-Attacke auf die Webseite der GEMA soll das Bundeskriminalamt mehr als 100 Wohnungen durchsucht haben. Die Betroffenen wurden der Computersabotage verdächtigt. So hoch die Ermittlungen anfangs aufgehängt waren, so zerschlägt sich jetzt anscheinend vieles in bedingtem Wohlgefallen. Jedenfalls scheint das Interesse der Strafverfolger nicht sonderlich groß, die vermeintlichen Übeltäter tatsächlich vor Gericht zu bringen.
In einem von mir betreuten Verfahren macht die Generalstaatsanwaltschaft Frankfurt nun ein Angebot, das man eigentlich nicht ausschlagen kann. Mein Mandant soll stolze 150 Euro an die Aktion Deutschland Hilft zahlen, dann wird das Verfahren eingestellt. Im Verhältnis zu den möglichen Anwalts- und Gerichtskosten und dem Risiko einer Vorstrafe ist das natürlich ein Klacks.
Sogar seinen Computer soll mein Mandant wieder erhalten. So eine geschmeidige Haltung der Staatsanwälte ist natürlich zu begrüßen. Sie wirft aber kein sonderlich gutes Licht auf die Umstände, wie es zu den etlichen Hausdurchsuchungen gekommen ist. Offenkundig besteht nämlich ein Missverhältnis zwischen dem Anlass und den gewählten Mitteln.
Die Aktionen der Polizei richteten sich nämlich nicht gegen echte Anonymous-Aktivisten. Anonymous soll die DDoS-Attacke auf den Weg gebracht haben. Im Visier waren vielmehr Menschen, die auf einer extra eingerichteten Seite einen Link geklickt haben, der ihren Computer in die DDoS-Attacke einband.
Es lag also auch für die Ermittler nahe, vorher mal zu überlegen, wie groß der Kollateralschaden bei den Hausdurchsuchungen sein würde. Längst nicht alle Teilnehmer dürften sich darüber klar gewesen sein, welche Tragweite dieser Klick haben kann.
Dazu kommt natürlich die bislang ungeklärte Frage, ob das bloße Klicken eines Links überhaupt eine strafbare Computersabotage sein kann. Auch stellt sich die Frage, ob die Seite der GEMA wirklich, wie es das Gesetz fordert, erheblich beeinträchtigt gewesen ist. Die DDoS-Attacke soll nämlich zur meisten Zeit nur den Effekt gehabt haben, dass die Webseite der GEMA langsamer lud als normal.
Letztlich hätte auch vorher klar sein müssen, dass die Durchsuchungen zig Unbeteiligte behelligen wird. Auch bei meinem Mandanten wurde erst mal das Elternhaus durchsucht, obwohl er schon längst nicht mehr dort wohnt. Zwar verhielt sich die Polizei hier umsichtig und packte nicht die Computer der Eltern ein. Von anderen Betroffenen habe ich aber gehört, dass ganze Familien ihrer kompletten Hardware beraubt wurden.
Ich will gar nicht sagen, dass die Strafverfolger nun nachträglich kalte Füße bekommen haben. Immerhin ist die jetzt dokumentierte Milde ja etwas, was mich und meinen Mandanten freut. Es bleibt aber doch ein wenig der Verdacht, dass mit der martialischen Aktion weniger Strafverfolgung, dafür umso mehr Abschreckung betrieben wurde.