Ziviler Ungehorsam kennt viele Facetten. Als besonders beharrlich auf diesem Gebiet hat sich ein Landwirt aus der Region Karlsruhe erwiesen. Weil er in eine mobile Tempomessung gerauscht war, blockierte er die Messanlage. Zuerst mit seinem Kastenwagen, kurz darauf sogar mit einem Traktor samt Anhänger. Nun streitet die Justiz, ob und wie das zu bestrafen ist.
Der Landwirt scheint zum Äußersten entschlossen gewesen zu sein. Er ließ nämlich den Messbeamten mit dem Kastenwagen, den er in die Tempofalle gesteuert hatte, allein und holte seinen Traktor. Grund war vermutlich, dass ihm der Messbbeamte angedroht hatte, den Kastenwagen abschleppen zu lassen. Das war bei dem Traktor nicht mehr möglich. Der Bauer hatte diesen kurzerhand nicht nur anstelle des Kastenwagens vor den Blitzer postiert. Er ließ auch den Frontlader herunter. Wie jeder weiß, der sich mit landwirtschaftlichen Geräten auskennt, kann ein Trecker mit heruntergelassenem Frontlader nicht abgeschleppt werden.
Immerhin konnte die herbeigerufene Polizei den Landwirt überzeugen, dass er den Traktor besser versetzt. Dennoch war die Messanlage über eine Stunde nicht im Einsatz. Das wollte die Justiz nicht auf sich sitzen lassen. Sie klagte den Landwirt wegen Nötigung an. Das Amtsgericht verurteilte ihn deswegen auch zu einer Geldstrafe. Am Oberlandesgericht Karlsruhe, das über die Revision des Bauern zu entscheiden hat, konnte man sich mit dem Tatvorwurf der Nötigung jedoch nicht anfreunden.
Die Richter weisen darauf hin, dass der Landwirt keine Gewalt gegen den Messbeamten ausgeübt hat, sondern allenfalls gegen die Messanlage:
Selbst wenn man unterstellt, dass hier jede einzelne Geschwindigkeitsmessung von dem Messebeamten selbst ausgelöst wurde, liegt keine Gewalt im Sinne einer körperlichen Zwangswirkung auf den Messbeamten vor. Denn der Messbeamte hätte das Messgerät ohne Weiteres weiterhin bedienen können. Nur weil Messvorgänge selbst wegen des den Sensor verdeckenden Kastenwagens sinnlos gewesen wären (und immer wieder nur der Kastenwagen fotografiert worden wäre), hätte der Messbeamte davon abgesehen, das Gerät zu bedienen. Dies stellt jedoch allein einen psychischen Zwang dar, der nicht unter den Gewaltbegriff fällt.
Damit ist der freche Verkehrsteilnehmer aber nicht aus der Sache raus. Das Oberlandesgericht hat nämlich einen anderen Paragrafen entdeckt, den es für anwendbar hält. Es ist § 316b Strafgesetzbuch. Die Vorschrift bestraft die “Störung öffentlicher Betriebe”. Die große Frage ist nur, ob eine mobile Blitzanlage wirklich eine “der öffentlichen Ordnung oder Sicherheit dienende Einrichtung oder Anlage” im Sinne des Gesetzes ist.
Das Oberlandesgericht Karlsruhe bejaht dies. Problem: Das Oberlandesgericht Stuttgart hat schon mal geurteilt, dass eine Tempomessung keine “Anlage” ist, die der öffentlichen Ordnung und Sicherheit dient. Die Stuttgarter Richter befanden, das Messgerät sei keine “Anlage”, sondern nur eine dem Betrieb der Bußgeldstelle dienende Sache.
Bei so einer Meinungsverschiedenheit muss der Bundesgerichtshof entscheiden. Das Oberlandesgericht Karlsruhe hat die Sache deshalb eine Etage höher gereicht. Nun werden wir bald aus dem Mund der höchsten Richter erfahren, ob und wie man eine Radarfalle sabotieren darf. Oder eben auch nicht.