Das Landgericht Aachen zeigt Augenmaß bei einem heiklen Thema. Es sprach heute einen Schüler frei, der auf Facebook folgendes in seine Timeline gepostet hatte:
Leute die ich so gar nicht leiden kann, haben Facebook – wenn die mir Freundschaftsanfragen schicken, lauf ich Amok.
Das Amtsgericht hatte den Post noch als ernstzunehmende Morddrohung gewertet. Es verurteilte den Schüler wegen Störung des öffentlichen Friedens durch Androhung von Straftaten. Das ist leider eine gängige Sicht von Gerichten, die regelmäßig bei solchen Äußerungen keinen Spaß verstehen – im wahrsten Sinne des Wortes. Umso erfreulicher, dass sich das Landgericht Aachen zu einer differenzierten Sicht der Dinge durchringt.
Schon der Wortlaut des Textes spricht ja eher für eine jugendtypische Formulierung, mit der sich keine Gewaltpläne verbinden. Immerhin geht es ja “nur” um Freundschaftsanfragen auf Facebook, nicht um die Zerstörung der Welt.
Ein weiterer, oft nicht beachteter Aspekt ist die Frage, ob die Ankündigung wirklich geeignet war, den öffentlichen Frieden zu stören. Dazu muss sie nämlich nennenswerte Teile der Bevölkerung erreichen. Bei 40 Facebook-Freunden, die der Schüler hatte, kann davon keine Rede sein. Auch dieser Umstand wird oft sehenden Auges ignoriert, um die im Ergebnis gewünschte Disziplinierung durchzusetzen.
Ich freue mich für den Kollegen Jens Ferner, dessen Kanzlei den Freispruch erreichen konnte. Ich bin letztes Jahr in einem vergleichbaren Fall beim Oberlandesgericht München auf taube Ohren gestoßen. Die bayerischen Richter hatten für meine Revision nur Unverständnis übrig. Für sie war alles sonnenklar. Deshalb freue ich mich über das Urteil aus Aachen, weil meine Argumente ja anscheinend doch nicht so hanebüchen waren.
Meinem Mandanten, der sich eine Verfassungsbeschwerde nicht leisten konnte, hilft das alles aber nicht mehr. Er ist jetzt vorbestraft.