Frankfurter Rundschau: Verlag prüft Abschied vom gedruckten Papier
Amnesty: Unmenschliche Haftbedingungen in Kalifornien
Umweltminister: Schatzbriefe für den Stromausbau
Wo die Meinungsfreiheit im Netz nichts zählt
Das Landgericht Köln hat im Rechtsstreit um die Tagesschau-App deutschen Zeitungsverlagen Recht gegeben und es der ARD und dem NDR untersagt, die Tagesschau-App zu verbreiten oder verbreiten zu lassen.
Allerdings gilt das Verbot nur für die Tagesschau-App vom 15. Juni 2011. Eine allgemeine Aussage zur nach dem Rundfunkstaatsvertrag zulässigen Länge oder Ausführlichkeit von Texten in der App enthält das Urteil deswegen nicht. Dies bedeutet, dass die ARD zumindest momentan ihre Tagesschau-App weiter anbieten und mit Inhalten befüllen kann.
Das Landgericht folgte der Argumentation der Verlage, wonach es sich bei der Tagesschau-App um ein nichtsendungsbezogenes presseähnliches Angebot handelt, das nach den Bestimmungen des Rundfunkstaatsvertrages unzulässig ist. Dies bedeute auch einen Wettbewerbsverstoß, so dass den Zeitungsverlagen ein Unterlassungsanspruch zusteht.
Das Angebot ist nach Auffassung des Gerichts geeignet, als Ersatz für die Lektüre von Zeitungen oder Zeitschriften zu dienen – mit einer Informationsdichte, die an herkömmlicher “Presseerzeugnisse”, also Zeitungen und Zeitschriften,
heranreicht. Daran ändern nach Meinung der Richter auch Verknüpfungen mit Hörfunk- oder Fernsehbeiträgen nichts. Zugleich sind die Angebote der App nicht hinreichend sendungsbezogen. Das bedeutet, ihnen fehlt der ausdrückliche
Bezug zu einer konkreten Hörfunk- oder Fernsehsendung.
Bei diesen Fragen war nach Auffassung des Landgerichts auf das Angebot in seiner Gesamtheit abzustellen, so dass es für das Verbot ausreichte, dass die presseähnlichen und nicht sendungsbezogenen Beiträge einen breiten Raum
einnehmen, das Angebot auch optisch dominieren und so den Gesamteindruck wesentlich mitbestimmen.
Ein generelles Verbot der App scheidet nach Auffassung der Kammer allerdings aus, weil die App das Genehmigungsverfahren nach dem Rundfunkstaatsvertrag durchlaufen hat. Weil sich das Verbot der App nur auf einen konkreten Tag in der Vergangenheit bezieht, kann die ARD sie nach derzeitigem Stand weiter anbieten.
Unklar ist noch, ob die an sich siegreichen Verleger nun einen juristischen Weg suchen und vor allem finden, um die App wirklich vom Markt zu bringen. Alternativ ist auch wieder im Gespräch, dass sich die Parteien an einen Tisch setzen und verhandeln. Dazu hatte das Kölner Landgericht die ARD und die Verleger mehrfach aufgefordert, da der Streit nur medienpolitisch, aber kaum juristisch beizulegen sei.
Landgericht Köln, Urteil vom 27. September 2012, Aktenzeichen 31 O 360/11
Ein Mindestalter für den Aufstieg in eine höhere Laufbahn ist im Beamtenrecht unzulässig. Dies hat das Bundesverwaltungsgericht in Leipzig entschieden. Die Richter kippen damit eine Vorschrift in einer Laufbahnverordnung für Finanzämter, die eine Mindestaltersgrenze von 40 Jahren vorschreibt.
Den Klägerinnen, zwei Steuerhauptsekretärinnen in der Finanzverwaltung des Saarlandes, war die Zulassung zum Aufstieg für besondere Verwendungen für Steuerbeamte verweigert worden, weil sie noch nicht 40 Jahre alt waren. Ihre hiergegen gerichteten Klagen waren in beiden Vorinstanzen erfolglos geblieben.
Das Berufungsgericht hatte gemeint, die Mindestaltersregelung sei mit höherrangigem Recht vereinbar. Der Verordnungsgeber bewege sich mit der Annahme, dass Lebensältere im Sinne von "gestandenen" Männern und Frauen mit einer verfestigten Persönlichkeit eher als Vorgesetzte akzeptiert würden als Lebensjüngere, im Rahmen seines Gestaltungsspielraums.
Das Bundesverwaltungsgericht sieht das anders. Gemäß Art. 33 Abs. 2 des Grundgesetzes habe jeder Deutsche nach seiner Eignung, Befähigung und fachlichen Leistung gleichen Zugang zu jedem öffentlichen Amt. Dem Anwendungsbereich dieser Vorschrift unterfallen, so die Richter, auch Auswahlentscheidungen im Vorfeld der Verleihung eines öffentlichen Amtes, wie hier die Zulassung zu einer Ausbildung für einen Laufbahnaufstieg.
Ein Bewerber kann bei einer solchen Auswahlentscheidung nur dann wegen seines zu geringen Alters abgelehnt werden, wenn deswegen eine Beurteilung seiner Bewährung (noch) nicht möglich ist. Vom Lebensalter sind grundsätzlich keine Rückschlüsse auf die Eignung für das angestrebte Amt möglich.
Ebenfalls unzulässig sind demnach auch längere Mindestwartezeiten, die der Bewerber im Beamtenverhältnis oder in seinem bisherigen Amt verbracht haben muss; auch diese zielen darauf, ältere Bewerber den jüngeren ohne Rücksicht darauf vorzuziehen, wer der bessere ist. Die Nichteinbeziehung der Klägerinnen in die Auswahl aus Altersgründen verstieß zudem gegen die Vorschriften des Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetzes (AGG).
Fragt sich nur, was nach diesem Urteil mit dem Mindestalter für Bundespräsidenten wird. Während man ab 18 Jahren schon in Parlamente einziehen, Minister und sogar Bundeskanzler werden kann, steht das erste Amt im Staate nur Bewerbern über 40 Jahren offen. So will es das Grundgesetz selbst, welches in dem vom Gericht zitierten Art. 33 Abs. 2 erstaunlicherweise etwas anderes postuliert.
Bundesverwaltungsgericht, Urteile vom 26. September 2012, Aktenzeichen 2 C 74.10 und 2 C 75.10
Es war ein echter Großeinsatz: Nach einer DDoS-Attacke auf die Webseite der GEMA soll das Bundeskriminalamt mehr als 100 Wohnungen durchsucht haben. Die Betroffenen wurden der Computersabotage verdächtigt. So hoch die Ermittlungen anfangs aufgehängt waren, so zerschlägt sich jetzt anscheinend vieles in bedingtem Wohlgefallen. Jedenfalls scheint das Interesse der Strafverfolger nicht sonderlich groß, die vermeintlichen Übeltäter tatsächlich vor Gericht zu bringen.
In einem von mir betreuten Verfahren macht die Generalstaatsanwaltschaft Frankfurt nun ein Angebot, das man eigentlich nicht ausschlagen kann. Mein Mandant soll stolze 150 Euro an die Aktion Deutschland Hilft zahlen, dann wird das Verfahren eingestellt. Im Verhältnis zu den möglichen Anwalts- und Gerichtskosten und dem Risiko einer Vorstrafe ist das natürlich ein Klacks.
Sogar seinen Computer soll mein Mandant wieder erhalten. So eine geschmeidige Haltung der Staatsanwälte ist natürlich zu begrüßen. Sie wirft aber kein sonderlich gutes Licht auf die Umstände, wie es zu den etlichen Hausdurchsuchungen gekommen ist. Offenkundig besteht nämlich ein Missverhältnis zwischen dem Anlass und den gewählten Mitteln.
Die Aktionen der Polizei richteten sich nämlich nicht gegen echte Anonymous-Aktivisten. Anonymous soll die DDoS-Attacke auf den Weg gebracht haben. Im Visier waren vielmehr Menschen, die auf einer extra eingerichteten Seite einen Link geklickt haben, der ihren Computer in die DDoS-Attacke einband.
Es lag also auch für die Ermittler nahe, vorher mal zu überlegen, wie groß der Kollateralschaden bei den Hausdurchsuchungen sein würde. Längst nicht alle Teilnehmer dürften sich darüber klar gewesen sein, welche Tragweite dieser Klick haben kann.
Dazu kommt natürlich die bislang ungeklärte Frage, ob das bloße Klicken eines Links überhaupt eine strafbare Computersabotage sein kann. Auch stellt sich die Frage, ob die Seite der GEMA wirklich, wie es das Gesetz fordert, erheblich beeinträchtigt gewesen ist. Die DDoS-Attacke soll nämlich zur meisten Zeit nur den Effekt gehabt haben, dass die Webseite der GEMA langsamer lud als normal.
Letztlich hätte auch vorher klar sein müssen, dass die Durchsuchungen zig Unbeteiligte behelligen wird. Auch bei meinem Mandanten wurde erst mal das Elternhaus durchsucht, obwohl er schon längst nicht mehr dort wohnt. Zwar verhielt sich die Polizei hier umsichtig und packte nicht die Computer der Eltern ein. Von anderen Betroffenen habe ich aber gehört, dass ganze Familien ihrer kompletten Hardware beraubt wurden.
Ich will gar nicht sagen, dass die Strafverfolger nun nachträglich kalte Füße bekommen haben. Immerhin ist die jetzt dokumentierte Milde ja etwas, was mich und meinen Mandanten freut. Es bleibt aber doch ein wenig der Verdacht, dass mit der martialischen Aktion weniger Strafverfolgung, dafür umso mehr Abschreckung betrieben wurde.
Ein Franzose, der zu Unrecht mehr als sieben Jahre im Gefängnis saß, erhält knapp 800.000 Euro Schadensersatz vom Staat. Das Berufungsgericht in Rennes sprach ihm diese Summe zu. Eine 14-Jährige hatte fälschlicherweise behauptet, der Mann habe sie mehrfach vergewaltigt.
Im Jahr 2003 war der Betroffene zu 16 Jahren Haft verurteilt worden. Erst im Jahr 2008 erklärte die Frau, dass die Vorwürfe falsch waren. Der Mann will während seiner Haft Übergriffen ausgesetzt gewesen sein. Deshalb habe er sogar versucht, sich das Leben zu nehmen.
In Frankreich gilt die zugesprochene Summe nach Presseberichten als Rekordschmerzensgeld. In Deutschland würde ein derartiger Justizirrtum weit geringer “vergütet”. Denn bei uns gibt es zunächst mal nur pauschal 25 Euro für jeden Tag ungerechtfertigter Haft.
Bei den sieben Jahren und drei Monaten, die der Franzose eingesperrt war, käme man in Deutschland auf eine Entschädigung von 66.125 Euro. Daneben können aber noch konkrete Vermögensschäden geltend gemacht werden, zum Beispiel Verdienstausfall durch Verlust des Arbeitsplatzes.
Allerdings kann ich aus Erfahrung sagen, dass die deutsche Justiz in solchen Fällen meist verbissen um jeden Cent feilscht. Entschädigungsprozesse werden regelmäßig zu einer Kraft- und Geduldsprobe, selbst wenn keine überzogenen Ansprüche gestellt werden. Betroffene empfinden das oft als zweite Bestrafung.
Kaum ein strafrechtlicher Begriff ist schillernder als der des “Handeltreibens” mit Drogen. Mit Drogen handelt nach Auffassung vieler Gerichte schon, wer ein solches Geschäft ernsthaft plant. Das kann Gefängnis geben, obwohl noch gar nichts passiert ist. Also ein klassisches Gedankenverbrechen. So weit der Begriff des Handeltreibens auch verstanden wird, gibt es doch auch deutliche Grenzen. In einem aktuellen Urteil zeigt der Bundesgerichtshof eine davon auf.
Ein Kokainkonsument hatte vor, mehrfach eine größere Menge Stoff zu erwerben. Einen Teil wollte er selbst konsumieren, den Rest gewinnbringend verkaufen. Bei dieser Gelegenheit erklärte er sich bereit, einem Bekannten 5 beziehungsweise 15 Gramm mit zu besorgen. Diese Menge wollte er dem Bekannten aber zum Einkaufspreis geben.
Das Landgericht Düsseldorf hat den Angeklagten wegen Handeltreibens zu einer Freiheitsstrafe auf Bewährung verurteilt, und zwar auch wegen des Stoffes, den er seinem Bekannten überlassen wollte. Begründung: Der Angeklagte habe insgesamt eine größere Menge kaufen können. Dafür habe er sich einen besseren Mengenrabatt versprochen. Das sei ein wirtschaftlicher Vorteil (“Eigennutz”), der für ein Handeltreiben ausreiche.
Der Bundesgerichtshof sieht das anders. Aus dem Beschluss:
Ob der Täter im Sinne eines Handeltreibens nach § 29 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 BtMG eigennützig handelt, ist bezogen auf das konkret in Frage stehende Umsatzgeschäft zu beurteilen. Es muss sich gerade aus diesem Umsatzgeschäft ein eigener Nutzen für den Täter ergeben; dass ihm aus den Umständen des Erwerbs der umzusetzenden Betäubungsmittel Vorteile erwachsen, genügt für sich alleine nicht .
Daher liegt kein Handeltreiben vor, wenn der Täter zur Erzielung eines günstigeren Einkaufspreises auch für andere Abnehmer einkauft und diesen die Betäubungsmittel dann zum Einkaufspreis überlässt.
Es genügen also keine indirekten Vorteile, die sich aus dem Zusatzgeschäft ergeben. Diese Sicht der Dinge hat enorme praktische Bedeutung. Es kommt ja ziemlich häufig vor, dass Konsumenten anderen was “mitbringen” und lediglich den Einkaufspreis weiter berechnen. Für ein Handeltreiben reicht das dann jedenfalls nicht aus.
Im entschiedenen Fall reduzierte sich die Bewährungsstrafe enorm – von anderthalb Jahren Gefängnis auf sechs Monate und eine Woche.
Bundesgerichtshof, Beschluss vom 27. März 2012, Aktenzeichen 3 StR 64/12
Netzfreiheit – in vielen Ländern nur ein Traum
Niederländische Forscher fordern das Aus fürs Urheberrecht
Justizministerium legt Gesetzentwurf für Beschneidung vor
Mordfall Bögerl: Wie ein Besucher der Trauerfeier zum Mordverdächtigen wrude
„Scheiß RTL“ – Gericht hält Aussage für plumpe Schmähung
Wahlrecht: Bundestag will Bundesverfassungsgericht kaltstellen
Medaillenvorgaben müssen transparent bleiben
Wer vor Gericht steht, darf auch mal etwas aufdrehen. Zumindest verbal. Äußerungen, die im wirklichen Leben als beleidigend gelten, können in Prozessen noch durchgehen. Das gilt zum Beispiel für die Äußerung, jemand sei schlicht zu faul zu arbeiten. So sieht es jedenfalls das Amtsgericht Königs Wusterhausen.
Der Richter wies die Klage gegen einen Anwalt ab, der das vernichtende Urteil über die Arbeitslust in einem Schriftsatz getroffen hatte. Im Verfahren machte eine Frau Unterhalt gegen ihren Vater geltend. Der Anwalt vertrat den Vater und lehnte jede Zahlungspflicht ab. Unter anderem mit dem Hinweis, der Lebenspartner der Tochter sei schlicht zu faul zu arbeiten. Hintergrund war, dass der Kläger mit seiner Lebensgefährtin schon zwei Kinder hatte, aber mit 27 Jahren noch das Abitur auf dem zweiten Bildungsweg nachholte.
Die Behauptung, er sei zu faul zu arbeiten, wollte sich der Lebenspartner nicht bieten lassen. Das AG Königs Wusterhausen hielt seine Klage gegen den Anwalt bereits für unzulässig. Nach Auffassung des Richters haben auch Unbeteiligte am Prozess jedenfalls dann kein Rechtsschutzbedürfnis, wenn die Behauptungen nicht völlig sachfremd sind und auch nicht wider besseres Wissen aufgestellt werden.
Diese Voraussetzungen lagen nicht vor. Das Gericht:
Angesichts des Alters und bisherigem Werdegang des Klägers muss die – hier polemisch überspitzte – Frage erlaubt sein, ob der Kläger nicht vorrangig gehalten ist, den Lebensunterhalt für seine Familie zu verdienen, anstatt sein Recht auf Bildung wahrzunehmen, wie er in der mündlichen Verhandlung dargelegt hat.
Im Prozess, so das Gericht, sei der Ehrenschutz eingeschränkt. Die Äußerung des Anwalts sei zwar eindeutig ehrverletzend. Doch vor Gericht müsse im Zweifel die freie Rede Vorrang haben, damit Prozessbeteiligte ohne übertriebene Scheu ihre Position verteidigen können.
AG Königs Wusterhausen, Urteil vom 11. April 2012, Aktenzeichen 20 C 569/11
ACTA ist zwar in der Versenkung verschwunden, doch innerhalb der Europäischen Union wird weiter fleißig an einer Überwachung des Internets und einer Einschränkung der Bürgerrechte gearbeitet. CleanIT heißt ein jetzt ins Blickfeld gerücktes EU-Projekt. Dessen Name ist durchaus Programm.
Die im Ressort der EU-Kommissarin Cecilia Malmström, einer Befürworterin von Netzsperren, angesiedelte Projektgruppe schlägt einen Maßnahmenkatalog vor, dessen Kontrolldichte der des Iran oder anderer autoritärer Staaten kaum nachsteht. Das entsprechende Dokument hat die Bürgerrechtsiniative “European Digital Rights” jetzt veröffentlicht.
Während sich CleanIT auf der offiziellen Homepage als potentielle Taskforce im Kampf gegen den Terrorismus präsentiert, enthüllt die Lektüre des aktuellen Berichts die wahren Dimensionen des Projekts. Zwar ist auch darin immer wieder von “Terrorismus” die Rede. Es wird aber noch nicht mal der Versuch unternommen, diesen Begriff zu definieren.
Stattdessen ergibt sich aus jedem Absatz des Dokuments, dass in Wirklichkeit eine umfassende Infrastruktur zur Kontrolle des Netzes geplant ist, und zwar in Bezug auf unerwünschte Inhalte jeder Art. Ansonsten ist der umfassende Maßnahmenkatalog kaum zu erklären.
In einem ersten Schritt ist geplant, Internetprovider künftig für “terroristische Aktivitäten” haftbar zu machen. Dies soll praktisch dazu führen, dass Provider von sich aus quasi als Privatpolizei jedweden Content löschen oder zumindest sperren, den sie als riskant betrachten. Im Zusammenarbeit mit den Polizeibehörden sollen möglichst bald außerdem “automatische Detektionssysteme” implementiert werden, die fragwürdigen Content ermitteln.
Außerdem in der Planung sind Meldebuttons für “terroristische Inhalte” und eine strikte Klarnamenpflicht in Foren und sozialen Netzwerken. Anbieter aus dem Bereich Web 2.0 sollen nicht nur verpflichtet werden, ihre Nutzer rechtssicher zu identifizieren. Soziale Netzwerke sollen sogar dafür Verantwortung tragen, dass Nutzer nur echte Profilfotos von sich hochladen.
Das sind nur Ausschnitte aus dem Horrorkatalog. “European Digital Rights” fasst weitere Empfehlungen des Papiers zusammen:
Insgesamt gehen die Ideen von CleanIT weit über das hinaus, was man von ACTA kennt. Sie ergänzen sich im übrigen offensichtlich mit dem Grundkonzept eines anderen EU-Projekts namens INDECT. Dieses soll Verbrechen durch vorsorgliche Beobachtung aller Bürger verhindern. Auch INDECT setzt auf umfassende Kontrollen offline wie online.
An keiner Stelle wird in dem Papier dargelegt, wie groß die angebliche terroristische Bedrohung durch Internetaktivitäten angeblich ist. Ebenso wenig findet sich eine Abwägung, ob und inwieweit die Maßnahmen mit europäischen und nationalen Grund- sowie Bürgerrechten vereinbar sind. Auch eine Prüfung der Verhältnismäßigkeit fehlt.
Die nächste CleanIT-Konferenz soll am 5. November in Wien abgehalten werden. Zu den wichtigsten Gästen werden wohl wieder die Hersteller von Überwachungs- und Filtersoftware gehören.
Was ist schon das Einrichten eines Büros gegen dessen Auflösung? Zu der gehören, neben der Plackerei zugunsten sauber hinterlassener Räume, auch die kleinen juristischen Schritte. Beispielsweise die Kündigung des Vertrages mit den Stadtwerken, der Telefongesellschaft, der Betriebsversicherung. Und dazu gehört – fast vergessen – die Abmeldung bei der Gebühreneinzugszentrale.
Diese GEZ hatte zwischendurch zwar fleißig kassiert, aber dennoch immer wieder gequengelt und Auskunft verlangt: dieses Büro, dieser Betrieb sei ihr gar nicht bekannt. Die Mahnungen hat der Inhaber, ebenso fleißig, ignoriert.
Jetzt allerdings weiß er kaum noch weiter. Er hat kürzlich den Betrieb und die Geräte bei der GEZ abgemeldet. Und der geschrieben: „Wir melden zum 1. September 2012 alle hier vorhandenen Geräte ab und kündigen zum o.a. Zeitpunkt jegliche Verpflichtung“. Um ja kein Missverständnis entstehen zu lassen, hat er sogar noch betont: „Zum o.a. Zeitpunkt und danach gibt es hier keine anmeldepflichtigen Geräte mehr“.
Und er hat – sicher ist sicher – wissen lassen: „Ihre schriftliche Bestätigung dieses Schreibens erreicht uns (nur noch) über ein Postfach“. Doch hat er mit der, sagen wir: Beharrlichkeit der GEZ gerechnet? Hätte er besser. Die schreibt jetzt zurück.
Zunächst macht sie aus dem jahrelangen Gebührenzahler, also aus dem Kunden, einen auf Knien angekrochenen, um Gnade flehenden Petenten. Sie schreibt dem Mann: „Sie bitten um Abmeldung“. Um dann in diesem Sinne weiterzumachen: „Wir haben sie zunächst nicht durchgeführt, da aus dem Schreiben nicht zweifelsfrei hervorgeht, dass die Geräte tatsächlich nicht mehr vorhanden sind“.
Denn, so behauptet es die GEZ: „Die bloße Erklärung, dass es die Geräte nicht mehr gibt, reicht für eine Abmeldung nicht aus“. Die Rechtsgrundlage für derlei Unterstellung holt sich die GEZ aus dem Rundfunkgebührenstaatsvertrag. Dort heißt es: „Die zuständige Landesrundfunkanstalt kann vom Rundfunkteilnehmer oder von Personen, bei denen tatsächliche Anhaltspunkte vorliegen, dass sie ein Rundfunkempfangsgerät zum Empfang bereithalten und dies nicht oder nicht umfassend nach § 3 Abs. 1 und 2 angezeigt haben, Auskünfte über Grund, Höhe und Zeitraum ihrer Gebührenpflicht verlangen“.
Tatsächliche Anhaltspunkte?
Die GEZ nennt keine – woher will sei auch nehmen? Also dreht sie die Beweislast um. Und verlangt: „Teilen Sie uns bitte Tatsachen mit, die belegen, dass die Geräte nicht mehr vorhanden sind“. Das will der Kunde jetzt gerne tun.
Er wird zum Recyclinghof eilen, dort die Herausgabe der längst zu Elektronikschrott verlangten Rundfunkgeräte verlangen. Und diesen Müll der GEZ schicken. Bevor die ihren nächsten produziert. (pbd)
EU will Internetzensur ganz ohne Gesetze
Deutscher Juristentag: Den Bürger überwachen – wir sind dafür
Irische Datenschützer geben Facebook gute Noten
Gesuchter NS-Arzt für tot erklärt
Robuster Umgang mit dem Hausrecht / Rechtliche Einschätzung
Filesharing-Abmahnungen: die 12 größten Lügen
Die vom Land Nordrhein-Westfalen angekauften Steuer-CDs sind anscheinend nicht so ergiebig, wie das öffentlich gern behauptet wird. Die Landesregierung räumte jetzt auf eine Anfrage der Piratenfraktion ein, dass rund 90 Prozent der eingeleiteten Strafverfahren ohne negative Folgen für die Betroffenen eingestellt werden.
Insgesamt haben die nordrhein-westfälischen Ermittlungsbehörden 3.413 Verfahren eingeleitet, die auf angekauften Steuerdaten beruhen. 903 Verfahren sind mittlerweile abgeschlossen – mit einem eher durchwachsenen Ergebnis.
So gab es gerade elf Strafbefehle. 80 Verfahren wurden gegen Zahlung von Auflagen eingestellt. 812 von 903 Verfahren endeten jedoch mit einer schlichten Einstellung wegen geringer Schuld oder mangelnden Tatverdachts. In solchen Fällen müssen die Betroffenen keinen Cent Strafe zahlen.
Die Höhe der verhängten Geldstrafen beläuft sich nach Angaben der Landesregierung auf 2,8 Millionen Euro. Demgegenüber stehen nach Medienberichten etwa 9 Millionen Euro, die das Land den Verkäufern der Steuer-CDs gezahlt hat.
Das Projekt Steuer-CDs ist also noch nicht einmal kostendeckend. Man kann allenfalls die Mehreinnahmen durch Selbstanzeigen hinzuzählen. Hier spricht die Landesregierung von 400 Millionen Euro. Allerdings kommen diese Zahlungen von Bürgern, die gar nicht auf den Steuer-CDs verzeichnet waren. Es bleibt also offen, wie viele der Selbstanzeigen in einem Zusammenhang mit dem Ankauf der Datenträger stehen.
Daniel Schwerd hat die Anfrage für die Piratenfraktion gestellt. Sein Fazit:
Nicht die Verfolgung von Straftätern steht im Vordergrund, sondern es geht wohl darum, Steuerhinterzieher zu erschrecken und zu Selbstanzeigen zu bewegen. Die auf den CDs befindlichen Personen sind, soweit es die bereits beendeten Verfahren betrifft, in der absoluten Mehrzahl unschuldig.
Diese Personen werden, so Schwerd, dazu benutzt, um Steuersünder zu bluffen.
Das Internet soll kein rechtsfreier Raum sein. Aber auf der anderen Seite darf Strafverfolgung im Internet nicht frei von den prozessualen Schranken und den Bürgerrechten stattfinden, wie wir sie im wirklichen Leben kennen. Der Deutsche Anwaltverein (DAV) lehnt deshalb Vorschläge ab, die Grundrechte der Bürgerinnen und Bürger im Interesse einer größeren Effizienz der Strafverfolgung im Internet aufzuweichen.
„Das betrifft den Schutz der Bürgerinnen und Bürger, aber auch des Anwaltsgeheimnisses vor staatlichem Zugriff mit informationstechnischen Spähprogrammen“, sagte Rechtsanwalt Dr. Friedwald Lübbert, DAV-Vizepräsident, auf dem Deutschen Juristentag in München. Auch im Internet dürfe es keine Wahrheitsfindung um jeden Preis geben. Deshalb sei die pauschale Forderung nach Eingriffsbefugnissen unter Verwendung von Ermittlungstechniken, die denen der Internetkriminalität ebenbürtig sind („auf Augenhöhe“), abzulehnen.
Soweit der Präsident des Bundeskriminalamtes Jörg Ziercke fordert, einen neuen Straftatbestand der „Datenhehlerei“ einzuführen, weist der DAV auf die Notwendigkeit hin, dies nicht nur mit Blick auf Internetaktivitäten mit „geklauten Identitäten“ zu prüfen. Vielmehr müssten folgerichtig auch andere Formen des Ankaufs illegaler Daten erfasst werden. „Damit meinen wir auch den Ankauf illegal beschaffter Steuerdaten aus dem Ausland“, sagte der DAV-Vizepräsident.