Die Bundesregierung hat heute ein Gesetz zum Schutz “alter, überholter Geschäftsmodelle” beschlossen – auch wenn sie in der Begründung zu ihrem Gesetzentwurf genau das Gegenteil beteuert. Mit dem Leistungsschutzrecht wird für die die deutschen Presseverleger – und niemanden sonst – eine sachlich nicht zu rechtfertigende Geldquelle erschlossen. Auf der Strecke bleibt ein Teil der Meinungsfreiheit, wie wir sie bisher kennen.
Die Verlegerlobby hat lange um dieses Gesetz gerungen. Ihr Flehen um neue Fleischtöpfe von Staats wegen hatte teilweise Züge absurden Theaters, wie Stefan Niggemeier jüngst dokumentierte. Immerhin hat sich im Verlauf der Debatte gezeigt, dass die Politik längst nicht mehr nur auf emsige Lobbyisten im klassischen Sinn hören kann. Denn ein glatter Durchmarsch ist den Verlegern keineswegs gelungen.
So sollten nach dem ersten Gesetzentwurf zum Beispiel noch Blogger zur Kasse gebeten werden. Wobei in die Kategorie Blogger durchaus auch alle fallen, die eine Facebook-Seite unterhalten oder twittern. Jede noch so kleine Wiedergabe eines Zeitungsartikels, ja sogar Teile einer Überschrift hätte sie zum Freiwild für Kostenrechnungen und Abmahnungen der Verlagshäuser gemacht.
Das ins Gesetz reingefummelte Merkmal, wonach pro forma nur gewerbliche Blogger betroffen sein sollten, nahm der Politik ohnehin niemand ab. Mit dem Begriff “gewerblich” sind die Gesetzesmacher ja schon beim Thema Filesharing auf die Nase gefallen. Die Gerichte tun dort seit jeher so, als stehe dieses Wort gar nicht im Gesetz. Seitdem rollt in Sachen Film, Musik und Hörbücher ein Abmahn-Tsunami durchs Land.
Die Motivation war jedenfalls so klar wie anrüchig: Durch die Schaffung rechtlicher Grauzonen wäre es den Verlegern leicht möglich gewesen, den ins Internet schreibenden Teil der Bevölkerung mit Abmahnungen und Kostenrechnungen zu überziehen und so die Deutungshoheit in der virtuellen Welt wenigstens ein Stückweit zurückzuerobern. Dafür hätte schon der “Chilling Effect” gesorgt. Denn der Facebook-Nutzer wie du und ich hat wenig Bedarf daran, sich auf Kosten eines Halbjahreslohnes mit schlagkräftigen Rechtsabteilungen und Heerscharen von Abmahnanwälten anzulegen.
Allerdings scheint auch in Berlin manchem klar geworden zu sein, dass ein Großteil der Bürger mittlerweile online publiziert (ja, und auch reproduziert). Diese Menschen sind eine vielleicht eher gesichtslose, aber dennoch mächtige Lobby. Die Gefahr, es sich womöglich mit dem eigenen Wähler zu verscherzen, wenn man eine Statusmeldung oder einen Tweet über ein Tagesereignis zum juristisch unkalkulierbaren Risiko macht, wurde offenbar erkannt. Die Bürger-Publizisten waren im zweiten Entwurf raus.
Es verblieben nur noch die Suchmaschinen als potenzielle Zahler. Da es nur noch eine relevante Suchmaschine gibt, hieß der einzige Adressat des Leistungsschutzrechts plötzlich Google. Das roch ein wenig nach unzulässigem Sondergesetz. Insbesondere aber nach einer Totgeburt. Dass nämlich ausgerechnet der mächtigste Player im Net den deutschen Verlagen freiwillig stattliche Summen überweist, ist eher unwahrscheinlich. Jedenfalls nicht wahrscheinlicher, als dass Google das komplette Angebot deutscher Verlage aus seinem Index schmeißt. In Belgien hat es der Konzern jedenfalls so ähnlich schon praktiziert.
Nun also Entwurf Nummer drei, der erst wenige Stunden vor der Kabinettssitzung bekannt wurde. Neben Suchmaschinen sollen nun auch Dienste erfasst werden, die Informationen “entsprechend” aufbereiten. Das dürfte sich vornehmlich gegen Aggregatoren richten, die Pressemeldungen zusammenfassen und auf Endgeräten hübsch aufbereiten. Dienste wie Flipboard oder Rivva etwa.
Davon wird die Welt nicht untergehen, könnte man sagen. Allerdings ist jeder Anwendungsfalls des Leistungsschutzrechts einer zu viel. Das Gesetz schränkt faktisch die Meinungsfreiheit ein. Was zum Beispiel nach dem geltenden Urheberrecht noch als Zitat zulässig ist, wird nun durch das Leistungsschutzrecht kostenpflichtig. Oder sogar verboten. Nämlich dann, wenn sich Verleger dazu entscheiden, nicht die Hand aufzuhalten, sondern Unterlassung zu verlangen. Auch das Mundtot-Machen ist nämlich eine Alternative des Leistungsschutzsrechts.
Fakt ist, dass die Zeitungsverlage knapp 20 Jahre lang keine konstruktive Antwort auf die digitale Herausforderung gefunden haben. Es gibt Stimmen, die meinen, sie haben einfach gepennt. Nun lassen sie sich einen staatlichen Rettungsschirm spannen. Richtig wäre es, sie im Regen stehen zu lassen. “Alte, überholte Geschäftsmodelle” haben nichts anderes verdient.