Kündigt ein Anwalt einen unaufschiebbaren Antrag an, weiß der Richter Bescheid. Er wird gleich wegen Befangenheit abgelehnt werden. Wobei “gleich” relativ zu sein scheint. Bisher dachte ich, unaufschiebbar bedeutet unaufschiebbar. Ich habe auch noch nicht erlebt, dass ein Gericht ernsthaft den Versuch macht, unaufschiebbare Anträge aufzuschieben. Bis heute.
Die Ankündigung eines unaufschiebbaren Antrags quittierte der Richter mit dem Hinweis, der Antrag könne zu gegebener Zeit gestellt werden, und zwar “ohne Rechtsverlust”. Das Gericht werde darauf zurückkommen, damit der Antrag gestellt werden könne. Offenbar zu einem Zeitpunkt, der dem Gericht genehm ist. Dann wollte er im normalen Programm weiter machen.
Ein ziemlich eigenwilliges Prozedere, wie sich auch am lautstarken Protest der Anwälte zeigte. Immerhin schreibt das Gesetz ja vor, dass Befangenheitsanträte ohne schuldhaftes Zögern gestellt werden müssen. Ob die Zusage des Gerichts reicht, das gehe auch noch später “ohne Rechtsverlust”, ist jedenfalls ein Risiko, das ich lieber nicht eingehen würde. Das dürfte in etwa so verlässlich sein wie die Zusage eines Handyverkäufers, dass man den Vertrag selbstverständlich auch noch nach Ablauf des Widerrufsrechts widerrufen kann, weil, “wir sind da sehr kulant”.
Nun ja, das Gericht zog sich wenigstens zur Beratung zurück. Offenbar hatten die weiteren Richter einen heilsamen Einfluss auf den Vorsitzenden und haben ihm verklickert, dass ein weiter unaufschiebbarer Antrag wahrscheinlich lauten würde, dass er wegen der Nichtentgegennahme unaufschiebbarer Anträge befangen ist.
Die unaufschiebbaren Anträge durften also gestellt werden. Und ich bin um eine merkwürdige Erfahrung reicher.