Die Regensburger Kanzlei Urmann + Collegen ist eine Größe im Abmahngeschäft. Unter anderem fällt sie auch dadurch auf, dass eine stattliche Zahl der von ihr vertretenen Rechteinhaber aus der Erotikbranche stammt. Nun kündigen die Anwälte einen gewagten Schritt an: Sie wollen ab dem 1. September sogenannte “Gegnerlisten” veröffentlichen. Was durchaus bedeuten könnte, dass sich von U + C Abgemahnte demnächst namentlich auf der Homepage der Anwälte finden könnten. Ein Internetpranger – traut sich U + C das wirklich?
Der Ankündigungstext lässt jedenfalls erahnen, wie das Kalkül der Regensburger Juristen ist:
In einem großen Teil der uns anvertrauten Mandate erzielen wir vergleichsweise Einigungen. Im Interesse unserer Mandanten ist dies häufig sinnvoller als der Gang durch die Gerichtsinstanzen.
Wer sich nicht einigt, könnte aber namentlich auf einer Online-Liste landen. Denn diese wird schon im übernächsten Satz in Aussicht gestellt. U + C beruft sich auf eine Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts. Dieses hatte solche Listen grundsätzlich für zulässig gehalten. Das Grundrecht auf freie Berufsausübung müsse dem Anwalt auch ermöglichen, über seine Rechtsstreite zu berichten.
Allerdings bezieht sich die Entscheidung nur auf Mandate im gewerblichen Bereich, im entschiedenen Fall ging es um Klagen gegen Kapitalanlagefirmen. Ob das ein Freibrief ist, auch Privatleute bloßzustellen, ist höchst fraglich. Zwar könnte man argumentieren, dass die Gerichte die betreffenden – angeblichen – Urheberrechtsverletzungen als “gewerblich” ansehen. Denn sonst wären die Provider nicht verpflichtet worden, Namen und Adressen der Anschlussinhaber zu den festgestellten IP-Adressen herauszugeben. (Eine neue Entscheidung des Bundesgerichtshofs stellt das alles zwar etwas auf den Kopf, aber diese Rechtsansicht war seinerzeit ja noch nicht bekannt.)
Ich gehe davon aus, dass die Veröffentlichung persönlicher Daten mutmaßlicher Filesharer rechtswidrig ist. Wenn ein Anwalt eine Firma oder einen Prominenten als “Gegner” nennen kann, hat das einen Informationswert. Der Name und ggf. die Adresse eines Bürgers, der nicht im Licht der Öffentlichkeit steht, lässt dagegen überhaupt keinen Rückschluss auf die Tätigkeit oder gar die Qualität des Anwalts zu. Bei den Abmahnungen handelt es sich ja auch um standardisierte Schreiben.
Es würde also auch völlig ausreichen, zum Beispiel die Zahl der Gegner aus diesem Bereich zu nennen. Ob eine Kanzlei 10.000 oder 200.000 Bürger abgemahnt hat, mag für ihre potenzielle Kundschaft durchaus eine interessante Information sein.
Ohne dass U + C daraus einen Gewinn ziehen könnten, würden die Persönlichkeitsrechte eines Abgemahnten verletzt. Gerade eine Abmahnung wegen pornografischer Inhalte ist sicher etwas, was viele Betroffene in ihrem Umfeld bloßstellen und lächerlich machen würde. Hinzu kommt, dass sich die Abmahnungen ja immer gegen den Anschlussinhaber richten. Selbst wenn jemand über seine Internetleitung einen Porno gezogen hat, heißt dies noch lange nicht, dass es auch der genannte Gegner war.
Eine Abwägung der widerstreitenden Interessen fällt eindeutig zu Gunsten der U + C – Gegner aus. Deshalb wage ich die Prognose, dass die Regensburger Anwälte die Namen von Filesharing-Gegnern nicht veröffentlichen werden. Sollte dies doch geschehen oder noch konkreter angekündigt werden, würde ich Mandanten raten, sofort eine einstweilige Verfügung zu erwirken. Außerdem müsste man überlegen, ob das Ganze nicht auch als (versuchte) Nötigung strafbar wäre.