Der Papst will die Titanic verklagen

Die Liste jener, die sich vom Satiremagazin Titanic angepisst fühlen, ist lang. Auch gerichtliche Auseinandersetzungen hat die Titanic schon in endloser Zahl geführt. Wahrscheinlich gäbe es das Magazin schon gar nicht mehr, käme nicht alle Nase lang ein Prominenter, der seine Persönlichkeitsrechte von der Titanic mit Füßen getreten sieht. Die Auflage dürfte nämlich mit jeder juristischen Posse, die in schöner Regelmäßigkeit auch noch zu Gunsten der Titanic ausgehen, einen satten Sprung nach oben machen.

Nun drängelt sich ein absoluter A-Promi nach vorne, um der Titanic neues Leben einzuhauchen. Die Chefredaktion hätte sich wahrscheinlich am meisten über eine Fehde mit Barack Obama gefreut, aber unser Mann in Rom ist in jedem Fall auch nicht schlecht.

Man glaubt es eigentlich fast nicht, aber der Papst persönlich geht gegen das aktuelle Titelbild der Titanic vor. Über die Bonner Anwaltskanzlei Redeker ließ er der Titanic eine Unterlassungserklärung zu kommen, weil er mit einem gelblichen Fleck auf seiner Soutane nicht einverstanden ist und seine Persönlichkeitsrechte verletzt fühlt. 

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Titelbild, südlich zensiert

In einer ersten Stellungnahme weist die Redaktion der Titanic die Vorwürfe zurück. "Benedikt muss uns missverstanden haben", sagt Chefredakteur Leo Fischer. Der Titel zeige einen Papst, der nach der Aufklärung der Spitzelaffäre ("Vatileaks") feiert und im Überschwang ein Glas Limonade verschüttet hat. Laut Fischer ist es allgemein bekannt, dass der Papst ein großer Freund des Erfrischungsgetränks Fanta ist.

Angesichts dieser Aussage wird die Titanic wohl kaum dazu neigen, die Unterlassungserklärung zu unterzeichnen. Sollte der Papst tatsächlich klagen, wird das zuständige Gericht mal wieder entscheiden müssen, ob die Titanic Satire macht, die wiederum Kunst ist und als solche bekanntlich alles darf.

In ähnlich religiösem Kontext hat übrigens vor Jahren schon Jürgen Klinsmann gegen die taz verloren. Das Blatt hatte den damaligen Bayerntrainer als Jesus ans Kreuz genagelt. Selbst ein bayerisches Gericht kam nicht umhin, darin eine zulässige Satire zu sehen.

Es wird spannend sein, ob der Papst unter diesen ungünstigen Auspizien tatsächlich gegen die Titanic vor Gericht zieht. Und falls ja, was ihm die Titanic dafür zahlt.

Nachtrag: Das Landgericht Hamburg hat eine einstweilige Verfügung gegen die Titanic erlassen.

Nachtrag zum Nachtrag: Das Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe hat am (Platzhalter) der Verfassungsbeschwerde der Titanic gegen die Urteile des Landgerichts Hamburg und des Oberlandesgerichts Hamburg stattgegeben.

Sportstudio: Vorerkrankung kann teuer werden

Wer beim Abschluss eines Fitnessvertrags schon von einer Krankheit weiß, kann wegen dieser Beschwerden nicht fristlos kündigen. Das Amtsgericht München hält mit dieser Begründung einen Freizeitsportler an einem Fitnessvertrag fest.

Der Mann hatte sich bei einem Sportstudio für eine zweijährige Mitgliedschaft entschieden. Kurz nach Beginn wollte er wieder aus dem Vertrag. Er leide an einer chronischen Gelenkserkrankung. Deshalb könne er doch nicht, wie zunächst erhofft, in dem Studio trainieren.

Das Studio wollte den Vertrag aber nicht auflösen, sondern berechnete 1.029 Euro Gebühren für die Restlaufzeit. Vor dem Amtsgericht München bekam der Fitnessanbieter recht.

Kunden dürfen zwar, so das Gericht, im Falle einer Erkrankung kündigen. Aber eben nur dann, wenn sie nach Abschluss des Vertrages erkranken. Wer dagegen weiß, dass er möglicherweise wegen gesundheitlicher Gründe das Angebot nicht wahrnehmen darf, nehme nicht genügend Rücksicht auf die Interessen des Sportstudios. Dieses rechnet ja damit, dass seine Kunden nicht vorzeitig aussteigen.

Wer eine Vorerkrankung mitbringt, muss nach Auffassung des Amtsgerichts München beim Vertragsschluss ein Sonderkündigungsrecht vereinbaren. Das hatte der Kunde jedoch nicht getan; jedenfalls konnte er es nicht beweisen.

Urteil des Amtsgerichts München vom 13. Oktober 2011, Aktenzeichen 213 C 22567/11

Nicht so zugeknöpft

Werbung von Rechtsanwälten ist oft bieder. Hier mal ein Plakat in der Straßenbahn, dort ein Kuli mit aufgedruckter Kanzleiadresse im Besprechungszimmer. In Köln balgen sich Strafverteidiger um Werbeplätze an den Fahrradständern vorm Justizzentrum. Doch selbst Progressive – etwa der Berliner Kollege Carsten Hoenig mit seiner Wanne – müssen sich jetzt warm anziehen: Ein Dresdner Anwaltsbüro wirbt mit einem Kettensägenmord.

Frank Hannig aus der Kanzlei Hannig Ahrend & Partner beschäftigt sich vornehmlich mit Gesellschafts- und Vertragsrecht. Trotz oder gar wegen dieser trockenen Materie hatte er persönlich die Idee fürs aktuelle Video seines Anwaltsbüros: Eine Frau verlässt ein Haus, reibt sich die blutverschmierte Hand über die Stirn und wirft eine blutige Kettensäge weg. Mit einem ordentlichen Scheidungsanwalt wäre das nicht passiert, lautet die Botschaft.

Hannig lässt seinen Spot (hier anschauen) nicht nur auf der Kanzleihomepage flimmern. Der Film ist derzeit auch als Reklame bei den Dresdner Filmnächten geschaltet. Er läuft immer vor dem Hauptfilm.

Eine Boulevardzeitung fragt bereits mit routiniertem Entsetzen:

Darf ein Anwalt so für sich werben?

Hannig bejaht das mit dem Hinweis, der Spot solle zeigen, seine Kanzlei sei ein bisschen anders, unkonventionell und nicht so zugeknöpft. Vor zehn Jahren, gibt der Anwalt zu, hätte er sich den Spot nicht getraut. Auch heute ist er nicht sicher, ob vielleicht doch noch Post von der Anwaltskammer kommt.

Was womöglich noch mal fast so gute Reklame wäre.

Gesetzgeberische Infamie

Was bei der Eurorettung schon lange kritisiert wird, ist anscheinend auch ein beliebtes Mittel bei anderen Gesetzesvorhaben: In letzter Minute kriegt der Gesetzentwurf eine andere Fassung – und der Inhalt verkehrt sich mitunter in sein Gegenteil. Genau das ist am vergangenen Freitag im Bundestag bei einem heiklen Datenschutzthema geschehen. Obwohl es vorher anderes geplant war, dürfen Meldeämter bald die Daten aller Bürger verkaufen. Betroffene, also wir alle, können zwar widersprechen. Es hilft nur nichts.

Es geht um einen eher sperrigen Sachverhalt. Der Bund will ein Melderrechtsrahmengesetz in Kraft setzen. Damit sollen die Meldepflichten, die bisher Ländersache sind, einheitlich geregelt werden. Unter anderem ist vorgesehen, dass für eine Anmeldung wieder eine Vermieterbestätigung erforderlich ist. Damit soll offiziell die Begründung von Scheinwohnsitzen verhindert werden. Tausende Eltern sollen sich zum Beispiel fiktiv für Wohnungen in anderen Stadtteilen oder Orten angemeldet haben, um ihren Kindern einen Platz in der Wunsch-Schule zu beschaffen.

Zufälligerweise ist diese Regelung aber auch ein Anliegen der GEZ. Die Rundfunkgebühren werden bald nach Haushalten und nicht mehr nach Personen berechnet. Da stellt sich die Frage, wer denn konkret Zahlungspflichtiger ist, also tatsächlich an der Adresse wohnt und damit zum Haushalt gehört. Das lässt sich natürlich am einfachsten belegen, wenn Informationen zum Mietverhältnis vorlegen. Die Vermieterbestätigung, auf die nun etliche Jahre verzichtet wurde, liefert genau diese Daten.

Noch viel problematischer ist jedoch die Art und Weise, wie künftig mit Meldedaten umgegangen werden soll. Der ursprüngliche Gesetzentwurf sah vor, dass die beim Einwohnermeldeamt gespeicherten Daten nur für amtliche Zwecke verwendet werden dürfen. Der Verkauf an Werbefirmen oder Adresshändler sollte grundsätzlich nur mit vorheriger Zustimmung des Bürgers möglich sein.

Auskünfte an Dritte wären nach dem Entwurf ohnehin nur zulässig gewesen, wenn der Anfragende versichert, die Daten gerade nicht für Werbung oder den Adresshandel zu verwenden. Der Bürger hätte sich also gegen die illegale Verwendung seiner Daten wehren können.  Unternehmen, die sich nicht an die Zusicherung halten, hätten außerdem das Datenschutzgesetz verletzt, was eine Straftat sein kann.

Im Gesetz, das der Bundestag letzten Freitag passieren ließ, steht faktisch das Gegenteil. Plötzlich sind die Meldedaten nicht automatisch gesperrt, sondern der Bürger muss ausdrücklich Widerspruch einlegen. Der Wortlaut:

Es ist verboten, Daten aus einer Melderegisterauskunft zu Zwecken der Werbung oder des Adresshandels zu verwenden, … wenn die betroffene Person gegen die Übermittlung für jeweils diesen Zweck Widerspruch eingelegt hat.

Ohne aktiven Widerspruch, der sich sogar noch auf die konkreten Verwendungsformen der Daten beziehen muss, haben die Meldeämter also das Recht, alle gespeicherten Daten der Betroffenen zu verkaufen – Werbung und Adresshandel eingeschlossen.

Damit nicht genug. Selbst wenn sich jemand die Mühe macht, den Widerspruch zu erklären, hat dieser praktisch keine Wirkung. Das Gesetz formuliert es direkt im Anschluss an das obige Zitat so:

Dies gilt nicht, wenn die Daten ausschließlich zur Bestätigung oder Berichtigung bereits vorhandener Daten verwendet werden.

Anfragen bei Meldeämtern beruhen logischerweise immer auf bereits vorhandenen Daten. Eine Firma kann sich ja schlecht nach dem Wohnsitz oder Familienstand von Max Mustermann erkundigen, wenn sie keine Daten zu Max Mustermann hat.

Schon der Name und eine Anschrift von Max Mustermann reichen also aus, um an die gewünschten Informationen zu kommen. Entweder bestätigt das Meldeamt, Max Mustermann wohnt noch an der genannten Adresse. Oder es berichtigt die Daten und teilt mit, wo Max Mustermann jetzt angemeldet ist. Gleiches gilt für den Familienstand und andere Daten. Es genügt völlig, fiktiv irgendwas anzufragen. Im Zweifel wird eben berichtigt.

Der Nachsatz hebelt das Widerspruchsrecht der Bürger nachhaltig aus. Man hätte das Widerrufsrecht also gleich weglassen können – aber das wäre ja möglicherweise doch aufgefallen. Die Formulierung ist, harmlos gesagt, eine Frechheit, weil sie Datenschutz vorgaukelt, wo dieser absichtlich ausgehebelt wird. Man könnte auch von aktiver Wählertäuschung sprechen, sozusagen von gesetzgeberischer Infamie. Der kleine Trick mit großer Wirkung ist jedenfalls ein augenfälliges Beispiel dafür, warum das Vertrauen in die Seriösität von Politikern stetig schwindet.

Nach dem jetzt verabschiedeten Gesetz haben Kommunen die Möglichkeit, großflächig in den Adresshandel einzusteigen.Adresshändler sowie Werbewirtschaft können sich sogar noch ungehemmter an unseren Daten bedienen, als dies nach jetzigem Recht der Fall ist. Allerdings ist die Geldquelle noch nicht abschließend erschlossen. Der Bundesrat muss dem Gesetz noch zustimmen. Die Abstimmung soll im September sein.

Vielleicht wacht ja bis dahin jemand auf.

Unterschrift auf Tablet kann unwirksam sein

Es ist sicher schick und praktisch für Geschäfte, den Kunden auf einem Tablet-PC unterschrieben zu lassen. Jedoch kann dies zu Problemen bei Verträgen führen, welche die Schriftform erfordern. Für einen Verbraucherkreditvertrag hat das Oberlandesgericht München jetzt entschieden, dass die Unterschrift auf einem Tablet nicht ausreicht. 

Der Kläger kaufte im Fachmarkt einen Fernseher auf Kredit. Für die Finanzierung unterschrieb er vor Ort den Kreditantrag einer Bank. Dabei verwendete der Kundenberater ein Tablet. Der Vertrag mit der Unterschrift des Kunden und die Allgemeinen Geschäftsbedingungen wurden für den Kunden ausgedruckt. 

Nach zweieinhalb Wochen widerrief der Kunde den Kreditvertrag. Das lehnte die Bank ab, weil nach ihrer Meinung die Widerrufsfrist abgelaufen war. Der Kunde berief sich jedoch darauf, der Vertrag sei insgesamt unwirksam, weil er nicht “schriftlich” unterzeichnet habe.

Das Landgericht München I stellte sich auf die Seite der Bank. Ebenso wie eine Schiefertafel sei das Tablet grundsätzlich geeignet, die darauf enthaltenen Schriftzeichen dauerhaft festzuhalten. Auf dem Tablet habe der Kläger auch eigenhändig unterschrieben. Er sei auch ausreichend über die zweiwöchige Widerrufsfrist aufgeklärt worden. Sein Widerspruch komme deshalb zu spät.

Das Oberlandesgericht München korrigierte diese Entscheidung. Der Vertrag sei formnichtig gewesen, weil die gesetzliche Schriftform auf einem Tablet nicht gewahrt werde. Zwar werde die Unterschrift elektronisch gespeichert, aber sie sei eben zu keinem Zeitpunkt körperlich vorhanden. Dies jedoch erfordere das Gesetz. Der Ausdruck gebe auch nur die elektronisch gespeicherte Unterschrift wieder, der Abdruck sei aber nicht “eigenhändig”.

Durch die Auszahlung des Darlehens ist der Formmangel allerdings nach Auffassung der Richter geheilt worden. Aber auch das half der Bank nichts, denn jedenfalls war die Widerrufsfrist noch nicht abgelaufen. Die Widerrufsfrist beginne im Fall einer unwirksamen Unterschrift nämlich frühestens mit der Auszahlung des Geldes. Überdies fehle es an der Übergabe korrekter Vertragsunterlagen, so dass die Widerrufsfrist jedenfalls noch nicht abgelaufen war.

Oberlandesgericht München, Urteil vom 4. Juni 2012, Aktenzeichen 19 U 771/12.

Vorratsdaten: Die EU lernt aus dem ACTA-Debakel

Seit heute gibt es für Deutschland einen guten Grund mehr, die Vorratsdatenspeicherung (VDS) nicht einzuführen – selbst wenn die EU-Kommission mit Strafzahlungen droht. Die VDS-Richtlinie steht nämlich auch auf europäischer Ebene zur Überarbeitung an. Und wie es aussieht, wollen die Verantwortlichen die bisherigen Vorgaben deutlich abschwächen.

EU-Kommissarin Cecilia Malmström gibt in einem Interview mit der FAZ deutlich zu erkennen, dass in Brüssel die Tendenz zwar weiter zur Vorratsdatenspeicherung geht, aber eher in einer abgespeckten Variante. So betont die Kommissarin insbesondere, viele Länder würden die Vorratsdatenspeicherung zur Bekämpfung der Kleinkriminalität und gar für die “Gewährleistung der öffentlichen Ordnung” einsetzen. Das sei nicht Sinn der Vorratsdatenspeicherung; die Daten dürften nur für die Bekämpfung des Terrorismus und schwerer Kriminalität zum Einsatz kommen.

Auch die bisherigen Speicherfristen scheinen der EU-Kommission nicht mehr zu behagen. Malmström erklärt, die Fristen müssten “natürlich” kürzer ausfallen.

Anscheinend sucht die EU-Kommission einen Ausweg aus dem VDS-Dilemma. Ich nehme an, dass man auf europäischer Ebene unbedingt auch ein zweites ACTA vermeiden will und somit jedenfalls Bereitschaft besteht, nichts übers Knie zu brechen. Dazu zählt auch die Ankündigung Malmströms, VDS-Kritiker und Datenschützer in die Debatte einzubeziehen.

Konsequenz ist zunächst, dass nach Angaben der Kommissarin in diesem Jahr nicht mehr mit einer neuen VDS-Richtlinie zu rechnen ist. Alles in allem viele Gründe mehr für Justizministerin Leutheusser-Schnarrenberger, sich weiter gegen eine schnelle Wiedereinführung der Vorratsdatenspeicherung in Deutschland zu stemmen. Sich trotz verfassungsrechtlicher Bedenken einer EU-Richtlinie zu beugen, die schon an ihrer Quelle mittlerweile als überzogen erkannt wird, wäre der falsche Weg.

netzpolitik.org zum gleichen Thema

Gebrauchte Software darf verkauft werden

Gebrauchte Software darf weiter verkauft werden. Dabei spielt es keine Rolle, ob der Kunde das Programm auf einem Datenträger erworben oder per Download bezogen hat. Der Europäische Gerichtshof löst mit dieser Entscheidung eine Streitfrage zu Gunsten der Gebrauchthändler und -käufer, die seit Jahren Gerichte beschäftigt.

Das Urteil erging in einer Sache, in der sich die deutsche Firma UsedSoft und der amerikanische Softwareproduzent Oracle gegenüber standen. UsedSoft handelt unter anderem mit gebrauchter Software.

Nach Auffassung des EuGH sind Programme nicht wesentlich anders zu beurteilen als körperliche Produkte. So wie ein Neuwagenhändler einem Kunden nicht verbieten darf, den Wagen weiter zu verkaufen, so könne auch ein Softwareproduzent keine weitergehenden Rechte geltend machen. Mit dem Verkauf des Programms sei sein Einfluss “erschöpft”.

Das Recht zum Weiterverkauf erstreckt der EuGH ausdrücklich auch auf Software, die online bezogen wurde. Oracle hatte argumentiert, bei einem Download erwerbe der Käufer kein Eigentum, sondern lediglich ein individuelles Nutzungsrecht. Dieses Recht könne so eingeschränkt werden, dass ein Weiterverkauf nicht zulässig ist.

Dem folgte der EuGH nicht. Er stellt vielmehr klar, dass der Verkäufer lediglich eine Pflicht hat: Er selbst darf keine Kopie des erworbenen Programms behalten oder eine neue herunterladen. Dass so etwas schwierig zu kontrollieren ist, sehen die Richter. Allerdings rechtfertige das Überwachungsinteresse keine Einschränkungen.

Der Erwerber der gebrauchten Software hat die vollen Rechte am Programm. Er kann somit auch die vertragsgemäßen Softwareupdates verlangen.

Eine wichtige Einschränkung macht das Urteil allerdings. Bündellizenzen dürfen nur insgesamt gebraucht verkauft werden. Es geht also zum Beispiel nicht, dass jemand ein Textprogramm mit drei Lizenzen erwirbt, zwei verkauft und eine weiter nutzt.

Urteil des Europäischen Gerichtshofs

Morgens um halb sieben

Vorratshaltung ist sicher keine schlechte Sache. Bei Durchsuchungsbeschlüssen ist das jedoch anders. Wer mit so einer Maßnahme konfrontiert wird, sollte sich deshalb unbedingt gleich zu Anfang den gerichtlichen Beschluss zeigen lassen. Der erste Blick geht dabei idealerweise auf das Datum, an dem der Richter die Durchsuchung angeordnet hat. Mitunter erlebt man hier eine erfreuliche Überraschung.

Ein Durchsuchungsbeschluss darf nämlich nicht älter als sechs Monate sein. Darauf hat das Bundesverfassungsgericht jetzt noch mal in einem Beschluss hingewiesen, den das Heymanns Strafrecht Online Blog zitiert. Danach tritt ein Durchsuchungsbeschluss exakt sechs Monate nach seinem Erlass automatisch außer Kraft. Mit der Frist soll vermieden werden, dass sich Ermittlungsbehörden Beschlüsse auf Vorrat besorgen und damit Druck ausüben können – auch wenn sich die Sachlage möglicherweise längst geändert hat. 

Die Grundsatzentscheidung zu dieser Frage ist zwar schon 16 Jahre alt. Lange genug sollte man meinen, dass nicht mehr aus abgelaufenen Beschlüssen vollstreckt wird. Doch in der Praxis sieht das durchaus anders aus. Überlastete Polizeistationen und Kommissariate arbeiten Durchsuchungsbeschlüsse vom Stapel ab. Das gilt jedenfalls für Fälle, die die nicht als brandeilig gelten.

Beschlüsse laufen auch schon mal ab, weil die Polizeibeamten den Beschuldigten persönlich antreffen wollen. Das passiert, wenn die Kosten für einen Schlüsseldienst vermieden werden sollen. Das Hauptmotiv ist allerdings meist, dass man den Beschuldigten gerne im Rahmen der Durchsuchung oder sofort danach vernimmt. Morgens um halb sieben ist für die meisten nämlich der schwierigste Zeitpunkt, sich auf die eigenen Rechte zu besinnen.

Wenn die Beamten mehrmals klingeln müssen, bis sie jemanden treffen, passiert es halt, dass Durchsuchungsbeschlüsse über die Sechsmonatsgrenze prokrastiniert werden. Vielleicht fällt die Verfristung im Eifer des Gefechts gar nicht auf. Oder sie wird halt ignoriert, weil es sonst nur Komplikationen gibt und das Ganze gegenüber den Vorgesetzten peinlich ist.

Der Fristablauf produziert ohnehin nur Probleme, wenn der Beschuldigte oder sein Anwalt die Lage erkennen und sich wehren, etwa mit einer Beschwerde. Ich habe es jedenfalls noch nicht erlebt, dass Polizei oder Staatsanwaltschaft von sich aus Konsequenzen gezogen haben, auch wenn ihnen das Alter des Beschlusses eigentlich aufgefallen sein muss.

Ist der Beschluss älter als sechs Monate, gilt er automatisch als nichtig. Sollte trotzdem durchsucht werden, ist das normalerweise rechtswidrig. Was allerdings nicht heißt, dass dann eventuell gefundene Beweise unberücksichtigt bleiben müssen. Diesen Automatismus gibt es in Deutschland leider bis heute nicht.

Mehr oder weniger verpeilt

Der Chef des deutschen Verfassungsschutzes, Heinz Fromm, räumt mit 63 Jahren seinen Arbeitsplatz. Bundesinnenminister Hans-Peter Friedrich hat Fromm heute entlassen, nachdem dieser selbst darum gebeten hatte.

Grund dürften in erster Linie die bislang nicht vollständig aufgeklärten NSU-Morde sein – und die Rolle, die der Verfassungsschutz spielte. Fromm hatte in den letzten Tagen selbst eingeräumt, wie fragwürdig sich sein Amt in der Angelegenheit verhalten hat und es vermutlich noch immer tut.

Jedenfalls für die aktuellen Entwicklungen trägt die politische Verantwortung aber der Bundesinnenminister selbst. Auch Hans-Peter Friedrich selbst wird deshalb früher oder später dazu Farbe bekennen müssen, wie weit er sein Ressort im Griff hat. Hierzu gehört ja nicht nur der Verfassungsschutz, sondern auch das Bundeskriminalamt. Diese Behörde hat im NSU-Komplex ebenfalls versagt; BKA-Chef Ziercke räumte es vor Tagen selbst ein. Gut möglich also, dass Ziercke als nächster auf der Entlassungsliste steht. Womit der Schutzwall vor Friedrich selbst niedergerissen wäre.

Die weitaus spannendere Frage stellt sich jedoch abseits von schlagzeilenträchtigen personellen Folgen. Brauchen wir einen Verfassungsschutz? Und wenn ja, sollte er nicht zumindest völlig anders organisiert sein? Die bisherige Ausrichtung als ein klassischer Geheimdienst ist jedenfalls untragbar. Für den Bürger erscheint der Verfassungsschutz zu Recht längst als “Staat im Staate”. Selbst die politisch Verantwortlichen haben diesen Moloch offenbar nicht mehr im Griff.

Ich selbst habe in diversen Ermittlungsverfahren Erfahrungen mit dem Verfassungsschutz gemacht. Das waren meist keine guten – sowohl was die Qualität der Arbeit als auch die Aufbereitung der Ergebnisse angeht. Das ist interessanterweise völlig unabhängig davon, ob es gegen mutmaßlich links, rechts, radikal oder terroristisch geht. Mehr oder weniger verpeilt zu sein, gehört beim Amt in Köln wohl zum Berufsbild. Eine Einschätzung, die man übrigens auch von Staatschützern bei der Polizei, bei Staatsanwälten oder Richtern hören kann.

Bei diesem Verfassungsschutz wird es nicht ausreichen, die Putzkolonne durchzuschicken. Es wird sich früher oder später die Frage stellen, ob die sauberste Lösung so aussieht: Zerschlagung, geordneter Neuaufbau bei klarer Beschränkung aufs eigentliche Kerngeschäft. Die Anschlussverwendung vieler etwas einseitig qualifizierter Beamter wäre sicher ein Problem. Aber selbst eine Auffanggesellschaft fürs Däumchendrehen wäre kein zu hoher Preis. Was sich die Telekom leisten kann, sollte für die Demokratie nicht zu teuer sein.

Bericht auf Spiegel online