Was am Freitag noch mit Fragezeichen versehen werden musste, ist jetzt belegt. Der aktuelle Entwurf für ein Leistungsschutzrecht mutiert zu einer Lex Google. Für die Übernahme von Presseerzeugnissen sollen nur Suchmaschinen zahlen. Blogger, Nutzer sozialer Netzwerke und Firmen werden nach den derzeitigen Plänen des Bundesjustizministeriums nicht mehr erfasst.
Deutlich wird dies am PDF der aktuellen Fassung, das seinen Weg zum Beispiel in diese Dropbox gefunden hat. Schon die Anmerkungen zum Entwurf sind eindeutig:
Jedoch ist ein Schutz nur vor systematischen Zugriffen auf die verlegerische Leistung durch die Anbieter von Suchmaschinen geboten, da deren Geschäftsmodell in besonderer Weise darauf ausgerichtet ist, für die eigene Wertschöpfung auf die verlegerische Leistung zuzugreifen. Nicht erfasst werden deshalb andere Nutzer, wie z.B. Blogger, Unternehmen der sonstigen gewerblichen Wirtschaft, Rechtsanwaltskanzleien oder private bzw. ehrenamtliche Nutzer.
Die genannten Gruppen würden, so betont der Entwurf weiter, durch das Leistungsschutzrecht nicht berührt. Das scheinen keine leeren Worte zu sein, denn auch im eigentlichen Gesetzestext spiegeln sich die Vorgaben wieder. Dort heißt es:
Zulässig ist die öffentliche Zugänglichmachung von Presseerzeugnissen,
soweit sie nicht durch die Anbieter von Suchmaschinen erfolgt.
Diese klaren Worte zerstreuen auch Bedenken, dass die verantwortlichen Beamten möglicherweise jede normale Webseite zu einer “Suchmaschine” deklarieren wollen. Findet sich doch heute kaum ein Blog und schon gar kein soziales Netzwerk, das ohne Suchfunktion auskommt.
Aber das wäre angesichts der Anmerkungen doch eine sehr gewagte Auslege. Somit meint man es im Justizministerium anscheinend ernst und beschränkt den Kreis der Zahlungspflichtigen auf echte Suchmaschinen wie Google, Bing oder Yahoo.
Damit dürfte sich die Hoffnung der Verlage, doch noch nennenswert mit dem Leistungsschutzrecht Kasse zu machen, zerschlagen. Die potentiellen Rechnungsempfänger sind nur noch eine sehr überschaubare Gruppe. Und ausgerechnet auch noch eine, die sich Streit und Prozesse leisten kann.
Zudem sitzen Google & Co. am längeren Hebel. Sie können theoretisch deutsche Presseerzeugnisse mit ein paar Mausklicks aus ihrem Index verbannen. Eine Maßnahme, welche die Verleger extrem scheuen dürften. Denn bei vielen Publikationen sollen mittlerweile zwischen 30 und 50 Prozent des gesamten Traffics über Suchmaschinen kommen. Ein Wegfall dieser Besucher würde die Reichweiten der Seiten extrem drücken, was wiederum sinkende Werbeeinnahmen bedeutet.
Die Zahlen erklären auch die Zurückhaltung vieler Verlage, die angeblichen Texteklauer unter den Suchmaschinen von sich aus zu boykottieren. Durch einen simplen Eintrag auf der eigenen Webseite lässt sich Google nämlich aussperren – dafür braucht man kein Leistungsschutzrecht. Die Crawler des Unternehmens respektieren solche “Zutritt verboten”-Signale.
Dagegen hat Google bereits einmal gezeigt, dass man sich ungern von Verlegern an die Kandare nehmen lässt. In Belgien klagten Verlage gegen Google News und bekamen vor Gericht recht. Allerdings interpretierte Google das Urteil so, dass jede Indexierung von Verlagsinhalten unzulässig ist. Google entfernte alle Links auf belgische Presseprodukte – auch in der normalen Suche. Im Anschluss daran war das Wehklagen groß. Irgendwie hat man sich in Belgien wohl wieder vertragen, Zeitungen sind jedenfalls wieder im Index. Dass die Suchmaschine aber nun Geld an die Verlage zahlt, ist noch nirgends berichtet worden.
Die aktuellen Pläne aus Berlin stoßen demgemäß auf wenig Begeisterung bei der Verlegerlobby. In dieser Fassung sei das Gesetz schlicht inakzeptabel, twitterte Springer-Lobbyist Christoph Keese. Seine Kritiker ließen es sich daraufhin nicht nehmen, Keese nun euphorisch in den Reihen der vehementen Gegner eines Leistungsschutzrechts zu begrüßen.
Ob die Lex Google den Verlegern wirtschaftlich etwas bringt, ist nur die eine Frage. Die andere lautet, ob die Regelung überhaupt so zulässig ist. Bruno Kramm, Urheberrechtsexperte der Piratenpartei, sieht laut Zeit ein sogenanntes Einzelfallgesetz. Solche Regelungen untersagt die Verfassung.