An ein Testament denken Menschen mitunter erst spät. Oftmals geschieht dies im hohen Alter, vor gefährlichen Operationen oder langen Reisen. Verläuft die Operation dann gut oder stürzt das Flugzeug nicht ab, stellt sich die Frage, ob das Testament auch noch viel später gültig ist. Das Oberlandesgericht München hatte einen solchen Fall zu entscheiden, auf den die Arbeitsgemeinschaft Erbrecht im Deutschen AnwaltVerein hinweist.
Der Erblasser war nicht verheiratet und hatte keine Kinder, allerdings sechs Cousins und Cousinen. Er lebte rund 40 Jahre mit seiner Lebensgefährtin zusammen. Vor einer Gallensteinoperation im Jahre 1983 verfasste er im Krankenhaus ein Testament. Er schrieb: „Sollte mir bei der Gallenoperation etwas zustoßen“ und setzte dann seine Lebensgefährtin als Erbin ein.
Die Operation verlief jedoch gut; der Mann starb erst 27 Jahre später. Die Lebensgefährtin beantragte die Ausstellung eines Erbscheins als Alleinerbin. Es ging um zwei Sparbücher und ein Baugrundstück. Die Verwandten meinten jedoch, das Testament sei nur für den Fall verfasst, dass der Erblasser im Rahmen der Gallenoperation verstorben wäre. Das Nachlassgericht folgte der Argumentation und verweigerte der Lebensgefährtin den Erbschein.
Die Beschwerde der Frau beim Oberlandesgericht war erfolgreich. Mit dem Testament von 1983 habe ihr Lebensgefährte die Erbfolge nicht allein auf die Umstände der Operation beschränkt, sondern generell seine Lebenspartnerin als Alleinerbin eingesetzt. Dafür spreche, so die Richter, schon einmal, dass er das Testament von 1983 nicht widerrufen oder ein neues verfasst habe.
Bei der Formulierung solcher Testamente sei die Operation außerdem nur Anlass, nicht jedoch die Bedingung. Auch das Aufsetzen des Testaments erst im Krankenhaus lasse keinen anderen Schluss zu, sondern weise lediglich darauf hin, dass die Operation der – nachvollziehbare – Beweggrund für die Errichtung des Testaments sei.
Beschluss des Oberlandesgerichts München vom 15. Mai 2012, Aktenzeichen 31 Wx 244/11