Während der Axel Springer Verlag kürzlich jedem Bürger ungefragt eine Gratis-Bild zustellen ließ, scheint er sich über Post in dieser Sache weniger zu freuen. Viele tausend dürften der kostenlosen Bild widersprochen haben, und die weitaus allermeisten verbanden das gleich mit einem Auskunftsverlangen nach dem Datenschutzrecht.
Diesen Berg muss Springer nun abarbeiten – und bemüht sich erst mal um Arbeitsvermeidung. Viele Betroffene sollen heute eine E-Mail des Verlages erhalten haben. Darin verlangt Springer für die weitere Bearbeitung der Auskunftsverlangen eine Kopie des Personalausweises. Begründung:
Wir haben im Verlauf der Aktion „Gratis-BILD für alle“ eine Vielzahl von E-Mails mit unzutreffenden Absenderangaben erhalten, so dass wir uns vor der Erteilung der Auskünfte über die Identität des Petenten versichern müssen.
Mit diesem Verlangen begibt sich der Axel Springer Verlag auf glattes Parkett. Jedenfalls für den neuen Personalausweis gilt nämlich ein Kopierverbot. Ausnahmen gibt es nur für bestimmte öffentliche Institutionen, zu denen der Axel Springer Verlag nicht gehört. Wer entgegen dem Verbot (neue) Personalausweise kopiert, begeht eine Ordnungswidrigkeit.
Streng genommen kann man die Anforderung einer Ausweiskopie als “Anstiftung” auffassen. Das könnte zur Folge haben, dass der oder die Verantwortlichen des Verlages so behandelt werden, als hätten sie die betreffende Ordnungswidrigkeit selbst begangen.
Unter Datenschützern ist höchst umstritten, ob und in welchem Umfang Bürger bei Auskunftsverlangen ihre Identität nachweisen müssen. Eine grundsätzliche Pflicht, sich durch seinen Personalausweis zu legitimieren, besteht jedenfalls nicht. Letztlich wird es wohl auf eine Interessenabwägung hinauslaufen. Im Fall Gratis-Bild dürft viele dafür sprechen, dass Springer nicht zu hohe Anforderungen stellen darf. Immerhin handelt es sich beim Angebot des Verlages um Massenware und nicht besonders sensible Dienstleistungen.
In jedem Fall hat der Springer Verlag aber keinen Anspruch auf eine vollständige Ausweiskopie. Es genügt in jedem Fall, wenn die Personendaten lesbar sind. Der Rest, etwa das Gültigkeitsdatum, kann in jedem Fall geschwärzt werden. Ein Hinweis hierauf findet sich in der Springer-Mail nicht.
Wer sich an den Verlag gewandt hat, sollte sich deshalb nicht einschüchtern lassen und darauf bestehen, dass die Auskünfte erteilt werden. Dies gilt umso mehr, als Springer ja auch seine berühmten roten Umschläge an Widersprechende versandt hat, ohne auf deren Identifikation zu bestehen. Da fragt man sich schon, woher nun dieser Gesinnungswandel kommt.
In den Briefen wurde an sich bereits angekündigt, dass nach der Gratis-Aktion alle Daten gelöscht werden. Wer einen roten Umschlag erhalten hat und dennoch nun die Mail bekommt, wird überdies wenigstens die Frage stellen dürfen, wieso der Verlag die Kontaktdaten überhaupt noch hat.
Höchst fragwürdig ist auch, wie Springer den Empfängern der Mail Angst einzujagen versucht. Diese waren nämlich zumeist einem Aufruf von netzpolitik.org gefolgt und hatten – wegen der kurzen Zeit – ihre Anfrage an acht verschiedene E-Mail-Adressen des Verlages gerichtet. Dies wertet Springer nun als illegales E-Mail-Bombing und Computersabotage.
Dazu hat netzpolitik.org bereits einen Juristen befragt, der sich wie folgt äußert:
Eine Anstiftung zur Computersabotage würde nach dem Strafgesetzbuch die Vorstellung voraussetzen, dass durch die Zusendung von – ggf. auch zahlreichen – eMails die Datenverarbeitung des Axel-Springer-Verlages möglicherweise erheblich gestört werden könnte.
Das wäre aber eine unrealistische Vorstellung, denn immerhin handelt es sich um einen der größten Verlage in Deutschland. Es ist kaum anzunehmen, dass dessen EDV nicht auf die Annahme von einigen tausend eMails eingerichtet sein könnte. Angesichts einer in Millionen zählenden Leserschaft dürften jeden Tag per eMail Leserbriefe in ähnlicher Zahl eingehen, die der Verlag offenbar ebenfalls bearbeiten kann, ohne dass dies die EDV in die Knie zwänge.
Das Strafgesetzbuch schützt außerdem nur vor Sabotage, nicht aber davor, ggf. auch von vielen Menschen mit abweichenden Meinungen konfrontiert zu werden. Daher dürfte man auch straflos zu virtuellen Demonstrationen aufrufen – selbst wenn sie lästig sein mögen.
Dem ist nichts hinzuzufügen. Da juristisch an dem Vorwurf so gut wie nichts dran ist, muss Springer sich die Frage gefallen lassen, ob der Verlag die Auskunftsverlangen nun durch Einschüchterung lösen will. Wer nicht auf einer Antwort besteht, wird auch nicht angezeigt. Zwar vermeidet es der Verlag in seiner Mail, diesen Zusammenhang direkt herzustellen, unausgesprochen steht er aber im Raum.
Die Kommentare im aktuellen Beitrag von netzpolitik.org gehen mehrheitlich in die Richtung, sich das von Springer nicht gefallen zu lassen. Dort finden sich bereits auch gut begründete Musterschreiben, um den Verlag doch noch zu den verlangten Auskünften zu zwingen.