Die Sitten und Gebräuche im Gerichtssaal hängen immer maßgeblich vom Vorsitzenden ab. Der Vorsitzende wacht über die Ordnung im Saal, und je nach persönlicher Empfindsamkeit eckt er mit seinen Vorstellungen schon mal bei den sonstigen Anwesenden an.
Über Marotten diverser Richter kann man jedenfalls immer mal wieder was lesen. Zum Beispiel bei einem Blogger, der aktuell über den Prozess gegen den mutmaßlichen Abofallenbetreiber Michael B. berichtet:
Es wurde mir untersagt mitzuschreiben. Ob per Smartphone, Laptop oder schriftlich auf einem Block. Ich darf nur zuhören. Schreiben dürfen nur die von der Presse.
Das ist in der Tat eine Praxis, die in vielen Gerichtssälen durchgesetzt wird. Das “normale” Publikum darf sich keine Notizen machen. Wer sich weigert, fliegt. Oder auch nicht. Denn als Zuschauer kann man es gerade in Strafprozessen ruhig mal darauf ankommen lassen, ob der Richter einen wirklich aus dem Gerichtssaal eskortieren lässt.
Es gibt nämlich keine ausdrückliche gesetzliche Vorschrift, die Zuschauern im Gerichtssaal Schreiben oder Zeichnen verbieten. Das Gericht kann sich höchstens darauf stützen, so was gefährde die bereits erwähnte Ordnung der Verhandlung. Nur bei einer solchen Störung kann das Gericht Sanktionen verhängen.
Wobei es natürlich extrem schwierig sein dürfte, die Störung im Einzelfall zu belegen. Zumal wenn mitschreibende Profijournalisten anwesend sind, die sich unbehelligt Notizen machen, womöglich sogar auf einem klappernden Notebook.
Strafverteidiger freuen sich übrigens, wenn sich der Richter mit vermeintlich renitenten Zuschauern streitet. Fliegen diese nämlich unberechtigt raus, ist die gesetzlich vorgeschriebene Öffentlichkeit der Hauptverhandlung nicht mehr gewahrt. Das ist ein absoluter Revisionsgrund – leichter kriegt man ein Verfahren nicht neu aufgerollt.
Als ich zuletzt so einen Krach miterlebte, ging er übrigens zu Gunsten eines Herrn aus, der sich auf Nachfrage des Richters als “Bürgerjournalist” vorstellte. Der Richter drohte zwar mit dem Rausschmiss und einem Ordnungsgeld. Doch der Zuschauer schrieb ungerührt weiter mit und erklärte, man müsse ihn schon raustragen, wenn er aufhören soll. Der Richter schwieg eine Minute. Man konnte förmlich sehen, wie es in ihm arbeitete.
Schließlich setzte er die Verhandlung fort, als sei nichts gewesen. Der Bürgerjournalist schrieb bis zum Ende mit, und ich hatte eine Revisionsgrund weniger.