Mein Mandant fühlte sich auf den Schlips getreten – und das völlig zu Recht. Ich schrieb seinen Kontrahenten an und machte Unterlassungsansprüche geltend. Eigentlich ging ich davon aus, wir werden klagen, sofern der Gegner nicht einknickt.
Die Beweislage war jedenfalls hervorragend. Doch die Sache entwickelte sich anders als erwartet. Bevor ich überhaupt was vom Gegner hörte, hatte mein Mandant völlig abweichende Vorstellungen. Diese legte er mir dar. Ich sollte dem Kontrahenten erneut schreiben. Erster Punkt war die Mitteilung, dass wir nichts unternehmen werden. Kein Problem. Ich dränge ja niemanden aufs Schlachtfeld.
Der zweite Punkt stürzte mich allerdings in gelinde Verwirrung. Ich sollte mich beim Gegner ausdrücklich entschuldigen. Nicht im Namen meines Mandanten, sondern persönlich. Nach dem Motto: Das Schreiben tut mir furchtbar leid, das hätte nicht passieren dürfen. Bitte verzeihen Sie mir noch mal.
Für mich war das eine komplett neue Situation. Ich fragte sicherheitshalber nach, ob ich alles richtig verstanden hatte. Entschuldigung? “Ja.” In Ihrem Namen? “Nein, Sie sollen sich selbst entschuldigen. Für den Brief insgesamt.” Näheres wollte mir der Mandant nicht erklären. Er sagte nur, die Sache müsse ein Ende haben, und sein Gegner bestehe nun mal auf einer persönlichen Entschuldigung vom Anwalt. Die solle er auch kriegen.
Klar kann er die kriegen – wenn es nur nach ihm ginge. Aber ich habe da ja wohl auch ein oder zwei Worte mitzureden. Zwar verstehe ich mich als Dienstleister. Deshalb mache ich gerne alles, was zu meinem Berufsbild gehört. Nach Möglichkeit sollte es allerdings auch keine Gesetze strapazieren. Aber eine persönliche Entschuldigung, noch dazu ohne erkennbaren sachlichen Grund?
Ich bat den Mandanten noch ein paar Mal, er solle mir doch verraten, was hinter dieser Idee steckt. Doch er rückte nicht mit der Sprache raus. Ich sah allerdings auch keine Möglichkeit, komplett über meinen Schatten zu springen. Deshalb saugte ich mir einen Text aus den Fingern, der den Wünschen des Mandanten so nah kam wie möglich, der aber auch meinen Vorbehalten noch einigermaßen gerecht wird. Das Ganze ist so verschwurbelt formuliert, dass man wahrscheinlich ohnehin alles reinlesen kann. Der Mandant fand das Schreiben sogar in Ordnung.
Ich hoffe, damit ist die Sache vom Tisch. Sonst muss ich doch noch mal verschärft darüber nachdenken, wo denn nun meine Grenzen sind. Ein gekauftes Sorry scheint mir bislang jenseits zu liegen.