Die Zeiten, in denen sich Staatsanwaltschaften gegenüber der Presse wortkarg gaben, sind längst vorbei. Jede dieser Behörden hat mittlerweile einen Pressesprecher, und bei vielen Staatsanwaltschaften dürfen auch die einzelnen Mitarbeiter über ihre Fälle Auskunft geben.
Dass Ankläger bei der Pressearbeit mitunter auch übers Ziel hinausschießen, zeigt ein aktuelles Urteil des Verwaltungsgerichts Gießen. Ein Arzt sah sich durch Äußerungen des Pressesprechers der Staatsanwaltschaft Gießen plötzlich wieder im Fokus von Zeitungsberichten – obwohl ein Ermittlungsverfahren wegen Körperverletzung an Patienten gegen ihn mangels Tatverdachts längst eingestellt war.
Trotzdem gab der Pressesprecher der Staatsanwaltschaft zu dem Fall ein Interview, als der betreffende Arzt und das frühere Verfahren im Rahmen von Dissertationsskandalen wieder ins Blickfeld rückten. Hierbei sagte der mittlerweile pensionierte Staatsanwalt: “Wir waren uns sicher, dass an der Sache etwas dran war.”
Zu einer solchen Äußerung war er jedoch nicht berechtigt, meinen die Verwaltungsrichter. Denn zum Zeitpunkt des Interviews war das Verfahren nicht nur eingestellt; die Vorwürfe waren auch verjährt. Selbst wenn also an der Sache etwas dran gewesen wäre, hätte die Staatsanwaltschaft den Arzt nicht mehr anklagen dürfen.
Spätestens ab diesem Zeitpunkt, befinden die Richter, dürfen die Ermittler auch gegenüber der Presse nicht mehr nachkarten. Vielmehr hätte die Auskunft lediglich lauten dürfen, dass es Ermittlungen gab, diese aber wegen fehlenden Tatverdachts eingestellt wurden. Jede weitere Spekulation verletze die Persönlichkeitsrechte des damaligen Beschuldigten.
Die Entscheidung ist noch nicht endgültig, denn das Gericht hat die Berufung zugelassen.
Verwaltungsgericht Gießen, Urteil vom 27. Februar 2012, Aktenzeichen 4 K 2152/11.GI