Polizist und Richter in Personalunion

Gibt es Warnhinweise und Internetverbote für Nutzer auch bald in Deutschland? Eine aktuelle Studie des Bundeswirtschaftsministeriums nährt Spekulationen in diese Richtung. Das Papier lobt nämlich die Modelle anderer Staaten wie Frankreich, die schon heute bei Urheberrechtsverletzungen mit Ermahnungen und Internetsperren reagieren.

Welche Gefahren mit solchen Plänen verbunden sind, klammert die Untersuchung weitgehend aus. Das müssen dann wohl andere erklären. Der Verein Digitale Gesellschaft macht jetzt einen Anfang. Die DigiGes hat einen umfangreichen “Schattenbericht” erstellt (Download). Auch dieser stellt die rechtliche Situation in anderen Ländern dar und vergleicht die jeweiligen Modelle zum Schutz des Urheberrechts. Im Gegensatz zur offiziellen Studie geht das Papier der DigiGes aber auch auf die praktische Umsetzbarkeit der Pläne ein. Außerdem diskutiert sie die möglichen Konsequenzen, die weit über das Verhältnis des einzelnen Internetnutzers zu seinem Provider hinausgehen.

Markus Beckedahl, Vorsitzender der DigiGes, fasst das Ergebnis zusammen:

Die Einführung einer Warnmodell-Infrastruktur ist vollkommen unsinnig und schafft eine gefährliche Privatisierung der Rechtsdurchsetzung. Internetanbieter und Hoster werden damit gleichzeitig zu Richtern und Hilfspolizisten in Personalunion gemacht. Diese Maßnahme durchbricht ein ehernes Prinzip: der Internetanbieter ist nicht für die transportierten Inhalte haftbar und soll sich ausdrücklich nicht um diese kümmern. Die Post schickt Ihnen auch keinen Warnbrief, wenn Sie eine Kopie eines Zeitungsartikels verschicken.

Tatsächlich seien Rechteinhaber in Deutschland schon heute komfortabel geschützt. Sie könnten über Gerichte die Daten möglicher Urheberrechtsverletzer ermitteln. Es stehe ihnen frei, statt der heute üblichen teuren Abmahnungen zunächst Warnhinweise zu schicken, statt diese Aufabe nun an die Provider abzuwälzen. “Dass dies nicht stattfindet, ist nicht den Nutzern anzulasten”, sagt Beckedahl. “Offensichtlich haben die Rechteinhaber daran überhaupt kein Interesse.”

Existierende Warnmodelle in anderen europäischen Staaten zeigen laut dem Schattenbericht, dass die Maßnahme erhebliche grund- und datenschutzrechtliche Probleme aufwerfen. Das System in Irland sei aufgrund solcher Bedenken sowie Beanstandungen durch den Datenschutzbeauftragten wieder eingestellt worden. Auch die EU-Kommission habe in der Vergangenheit immer wieder betont, Internetprovider dürften keinen Einblick in die Inhalte der von ihnen transportierten Daten nehmen.

Zudem seien solche Systeme fehlerbehaftet. Private Firmen ermitteln IP-Adressen in Filesharing-Netzwerken, um die Inhaber dieser Adressen zu verwarnen. Doch die bloße Anwesenheit im Filesharing-Netz bedeute noch keine begangene Urheberrechtsverletzung. Auch sei der Inhaber eines Internet-Anschlusses nicht automatisch der Benutzer hinter einer IP-Adresse. In anderen Staaten seien dutzende Fälle bekannt geworden, bei denen Unschuldige zu Unrecht verwarnt wurden.

Einmal eingeführt, werde so ein System nicht bei Warnhinweisen Halt machen. Vielmehr sei dann zu erwarten, dass weitaus drakonischere Strafen folgen. Zudem biete das Modell natürlich auch die Möglichkeit, gezielt nach anderen Inhalten zu suchen. Möglich wäre eine ähnliche Zensurinfrastruktur, die auch bei den Netzsperren wegen Kinderpornografie aufgebaut worden wäre, hätte sich die Politik nicht eines Besseren besonnen.

Beckedahl: “Warnhinweise und Strafen sind vom selben Geist wie die auf Eis gelegte US-Gesetzgebung SOPA und und das ACTA-Abkommen geprägt: Statt Nutzer zu bestrafen, sollte die Energie lieber in den Aufbau  niedrigschwelliger und attraktiver Angebote für Konsumenten gelegt werden.”

Kurzfassung der DigiGes-Studie

Rückschlag fürs Geschäftsmodell Partnerbörse

Ein Verleger soll mal gefragt worden sein, wie er darauf reagiert, dass seine Qualitätsmedien keinen Gewinn mehr abwerfen. “Mein Verlag war so klug”, sagte er, “eine Online-Partnerbörse zu gründen.” Aber auch den boomenden Lebenspartnervermittlern wird das Geldverdienen nicht leichtgemacht – wie ein aktuelles Urteil des Landgerichts Hamburg zeigt.

Die Partnervermittlungen ElitePartner und AcademicPartner haben ihren Kunden zwar das gesetzliche Widerrufsrecht eingeräumt. Trotzdem hielten sie die Hand auf, sofern Neumitglieder den Service doch nicht wollten und widerriefen (was ohne Begründung möglich ist). 99 Euro sollten auch die abspenstigen Kunden zahlen. Für eine Persönlichkeitsanalyse. Die Partnerbörsen beriefen sich darauf, die Analyse sei eine individuelle Leistung für den Kunden.

Richtig ist, dass das Widerrufsrecht für individuell nach Kundenwunsch angefertigte Produkte an sich nicht gilt. Auf diese Regelung haben sich früher auch Computerversender berufen, sobald der Kunde bei der Bestellung über die Größe des Arbeitsspeichers und der Festplatte entscheiden konnte. Das hatten Gerichte aber ausgebremst, denn nach ihrer Ansicht sind modularmäßig aufgebaute Computer keine individuelle Leistung im Sinne des Gesetzes.

Im Fall von ElitePartner und AcademicPartner hat das Landgericht nun die Klausel verboten, nach der das Persönlichkeitsprofil auch bei Widerruf bezahlt werden muss. Geklagt hatte die Verbraucherzentrale Hamburg. Sie argumentierte, die Partnervermittlung und Analyse seien keine zwei getrennten Geschäfte. Die Aufspaltung führe zu einer Aushöhlung des Widerrufsrechts. Der Kunde solle nach dem Widerruf nämlich ohne finanzielle Einbuße da stehen; hier zahle er immerhin 99 Euro.

Dem schloss sich das Landgericht Hamburg. Die Institute dürfen die Klausel nicht mehr verwenden, sofern das Urteil rechtskräftig wird. Partnervermittler Parship hatte übrigens ein ähnliches Geschäftsmodell. Parship gab aber außergerichtlich eine Unterlassungserklärung ab, berichtet die Verbraucherzentrale Hamburg.

Landgericht Hamburg, Urteil vom 31. Januar 2012, Aktenzeichen 312 O 93/11

Laufende Vernichtung

Nachricht aus der Asservatenkammer eines Polizeipräsidiums:

Aufgrund laufender BTM-Vernichtung kam es zu Rückständen bei der BTM-Asservierung.

Irgendwie sehe ich da eine riesige Wolke aus dem Keller des Gebäudes ziehen. Aber mit der Realität hat das natürlich nichts zu tun.

Regeln für Sozialdetektive

Für “Sozialdetektive” brechen härtere Zeiten an. Das Bundessozialgericht zeigt den Mitarbeitern von Jobcentern und ARGEN deutliche Grenzen auf, wenn sie sich bei anderen Leuten über Sozialleistungsempfänger erkundigen. Ohne Einverständnis der Betroffenen darf die Behörde nicht ohne weiteres offenbaren, dass jemand zum Beispiel Hartz IV bezieht.

Mit den Beziehern von Arbeitslosengeld II stritt das Jobcenter darüber, ob eine Kaution für eine Wohnung zu übernehmen ist. Das Ehepaar war in seiner alten Wohnung gekündigt worden. Bei der früheren Vermieterin hatten die Leistungsempfänger noch aus eigenen Mitteln eine Kaution geleistet.

Das Jobcenter verweigerte eine darlehensweise Gewährung der neuen Kaution mit der Begründung, das Ehepaar könne auch die alte Kaution einsetzen. Allerdings wiesen die Leistungsempfänger darauf hin, dass die alte Kaution frühestens in sechs Monaten fällig sei – so lange darf der Vermieter die Auszahlung zurückhalten.

Das Jobcenter schrieb darauf selbst an die erste Vermieterin und fragte, wann die Kaution fällig sei. Außerdem telefonierte der Sachbearbeiter mit dem Haus- und Grundbesitzerverein und dem Ehemann der Vermieterin. Die Vermieterin erfuhr erst jetzt davon, dass ihre bisherigen Mieter Sozialleistungen beziehen. Hierauf habe ihre Familie die Betroffenen mit Hohn und Spott überzogen.

Das Ehepaar verklagte das Jobcenter wegen Verletzung des Sozialgeheimnisses. In den ersten beiden Instanzen hatten sie keinen Erfolg. Anders beim Bundessozialgericht. Die Richter verweisen darauf, dass nach den geltenden datenschutzrechtlichen Vorschriften jeder Anspruch darauf hat, dass die ihn betreffenden Sozialdaten von den Leistungsträgern nicht unbefugt erhoben, verarbeitet oder genutzt werden.

Das Jobcenter könne das das Offenbaren der Sozialdaten hier nicht damit rechtfertigen, dass dies erforderlich gewesen sei, um die eigenen Aufgaben zu erfüllen. Es habe in jedem Fall die schutzwürdigen Interessen der Kläger beachten müssen. Zu diesem Zweck hätte das Jobcenter die Kläger erst mal um ihr Einverständnis bitten müssen.

In der Praxis müssen Leistungsempfänger jetzt also künftig gefragt werden, wenn die Behörde sich an Dritte wenden will.

Bundessozialgericht, Urteil vom 25. Januar 2012, Aktenzeichen  B 14 AS 65/11 R

Böser Mensch, guter Mensch

Die Polizei Wuppertal berichtet eine wirklich nicht alltägliche Geschichte:

Am 25. Januar besuchte ein 68-Jähriger Wuppertaler die “boot” in Düsseldorf. An der Kasse bemerkte er, dass er kurz zuvor seinen Geldbeutel, Bargeld, persönlichen Papiere und Bankkarten verloren hatte.

Kurz darauf wurden mit seiner Kreditkarte insgesamt 1.500.- EUR vom Konto abgehoben. Der Geschädigte erstattete Strafanzeige bei der Polizei. Am 1. Februar erhielt der Elberfelder ein anonym versandtes Päckchen. Inhalt: sein Geldbeutel mit allen Karten und Papieren. Außerdem lagen 1.520.- EUR Bargeld bei.

Im Begleitschreiben formulierte der Absender:  "Ich weiß nicht welcher Teufel mich geritten hat so einen Blödsinn zu machen. Ich hoffe, dass sie mir verzeihen können. Ich habe noch 20 EUR für Zinsen und Gebühren beigelegt, damit Ihnen wirklich kein Schaden entsteht – Ein reuiger Finder".

Auch wenn der Täter Einsicht zeigt, ermittelt die Wuppertaler Polizei doch weiter wegen Fundunterschlagung.

Monitor und Tastatur

Die Wohnung meines Mandanten wurde gründlich durchsucht. Insbesondere hatten es die Beamten auf Datenträger abgesehen. Sie nahmen ein Notebook, mehrere USB-Sticks, eine externe Festplatte und etliche DVDs mit.

Im Durchsuchungsbericht heißt es, auf dem Schreibtisch hätten sich ein Monitor und eine Tastatur befunden. Der “dazugehörige PC” sei jedoch nicht auffindbar gewesen. Auf die Mitnahme des Monitors und der Tastatur habe man verzichtet.

Der iMac hat also durchaus Vorzüge.

Ausgepresste Orangen

“90 Millionen suchen einen Käufer” lautete die Überschrift eines älteren Eintrags im law blog. Er berichtete darüber, dass die Abmahnkanzlei Urmann + Collegen Käufer für Forderungen sucht, die sich aus Filesharing-Abmahnungen ergeben sollen. Die Kanzlei kündigte die Auktion mit vielen Details auf ihrer Homepage an. So ließen sich einige Zahlen abschätzen. Bis zu 90 Millionen Euro sollten die Forderungen demnach Wert sein, die gegen die Inhaber von Internet-Anschlüssen wegen möglicherweise illegaler Downloads geltend gemacht werden.

Wie es aussieht, haben U + C zumindest ein Inkassobüro gefunden, das – meine Sicht – dumm genug für den Versuch ist, aus schon mehrfach ausgepressten Orangen etwas rauszuholen. Bundesweit erhalten Mandanten Schreiben der Debcon GmbH. Diese beginnt den altbekannten Mahnungsreigen wieder von vorn, indem sie “letztmalig außergerichtlich” zur Zahlung eines Betrages von 1.286,80 Euro auffordert.

Sicherlich am unangenehmsten ist der letzte Absatz des Briefes. Darin droht Debcon damit, die Sache der Schufa zu melden, “soweit die Forderung nicht ausgeglichen wird und die Weitergabe der Daten zur Wahrung unserer berechtigten Interessen oder der eines Dritten erforderlich ist.”

Die Formulierung ist geschickt gewählt, denn sie entspricht im Kern dem Gesetz. Dieses sagt aber auch: Wenn der Betroffene der Forderung inhaltlich widersprochen hat, dürfen Forderungen erst an die Schufa gemeldet werden, wenn sie rechtskräftig durch ein Gericht bestätigt sind.

Wer sich also bereits bereits gegen die Abmahnungen der Rechtsanwälte U + C schriftlich gewehrt und Gründe angegeben hat, warum er die Zahlung verweigert, darf nun auch von Debcon nicht an die Schufa gemeldet werden. Sollte Debcon dies trotzdem tun, kann man bei der Schufa widersprechen. Die Schufa reagiert hier meist sehr schnell und sperrt die Einträge. Außerdem kann man bei Gericht eine einstweilige Verfügung gegen das Inkassobüro erwirken und so dafür sorgen, dass die Meldung zurückgezogen wird.

Man sollte sich also nicht durch die Schufa-Drohung aus der Ruhe bringen lassen. Das gilt aber nur dann, wenn man, wie gesagt, schon bei U + C inhaltlich argumentiert hat. Wer Schreiben von U + C ignoriert hat, kann jetzt natürlich auch noch gegenüber Debcon widersprechen.

Ansonsten ist es nicht erforderlich, jetzt gegenüber Debcon alle Argumente zu wiederholen. Vielmehr muss das Inkassbüro schon wissen, was zum Beispiel an U + C geschrieben wurde. Debcon kann sich hier nicht dumm stellen. Genau in diese Richtung gehen aber die Formulierungen, nach Angaben der Rechteinhaber habe der Betroffen bislang nicht auf die Anschreiben von Urmann + Collegen reagiert. Da U + C aber praktisch immer mit mehreren Mahnungen auf Zahlungsablehnungen geantwortet haben, wird man gegebenfalls leicht das Gegenteil beweisen können.

Debcon macht die Forderungen auch nicht im eigenen Namen geltend. Vielmehr schreibt das Inkassbüro im Namen der ursprünglichen Plattenfirmen und Filmstudios, welche schon U + C beauftragt haben. Anscheinend sind die Rechte also doch nicht verkauft, sondern Debcon ist nur mit dem Einzug beauftragt worden.

Wenn man auf Debcons Forderungen nicht eingeht, kann das Inkassobüro selbst auch nicht klagen – sofern so etwas überhaupt beabsichtigt ist. Wenn geklagt werden soll, hätte es ja eher nahegelegen, wenn die bereits beauftragten Rechtsanwälte das selbst übernehmen. Debcon bzw. die Rechteinhaber müssten für ein Gerichtsverfahren nämlich sowieso wieder Anwälte beauftragen, sofern der Betroffene zum Beispiel einem Mahnbescheid widerspricht (was er durch ein einfaches Kreuzchen auf einem Formular machen kann).

Dann wären wieder U + C oder andere Anwälte am Zug. Viel Sinn macht das Ganze also nicht. Außer man betrachtet es als weiteren Akt der psychologischen Kriegsführung gegenüber Abgemahnten. Da aber U + C schon beharrlich mahnten und durchaus auch markige Worte fanden, stellt sich die Frage, wer sich wirklich von solchen Schreiben beeindrucken lässt.

Wobei wir wieder bei den ausgepressten Orangen wären.