In einer Strafsache könnte es sinnvoll sein, wenn die frühere Anwältin des Angeklagten einige Informationen gibt. Das Mandat ist mittlerweile beendet. Es ist nur nicht ganz klar, ob die Anwältin oder der Angeklagte den Schlussstrich gezogen hat.
Wie auch immer, die zuständige Amtsrichterin hat es eilig, an die Informationen zu kommen. Deshalb schreibt sie folgendes an die bisherige Anwältin:
Durch die Mitteilung des Herrn S., das Mandatsverhältnis sei beendet worden, dürfte bereits konkludent die Entbindung von der Schweigepflicht erfolgt sein.
Meine Güte, wen lässt die Justiz denn neuerdings auf das rechtsuchende Publikum los?
Bis heute ist jedenfalls noch niemand auf den Gedanken gekommen, die Schweigepflicht des Anwalts könnte ans Ende des Mandats gekoppelt sein. Ganz im Gegenteil: Die Schweigepflicht währt nach allgemeiner Auffassung sogar über den Tod hinaus.
Dass der Anwalt, aus welchen Gründen auch immer, nicht mehr für den Mandanten tätig ist, wird dann wohl kaum ausreichen. Wäre ja auch noch schöner, wenn jeder Anwalt nach Ende seines Auftrags Einzelheiten daraus erzählen könnte. Demgemäß kennt auch das Strafgesetzbuch keine zeitliche Grenze für die Verletzung von Privatgeheimnissen.
Die angeschriebene Anwältin ist auch noch eine erfahrene Strafverteidigerin. Es besteht also kaum die Aussicht, dass sie auf einen Bluff hereinfallen würde. Bleibt als alternative Erklärung nur, dass die Richterin wirklich glaubt, was sie von sich gibt. Ich empfinde weder das eine noch das andere als sonderlich angenehm.