Mein Mandant raucht schon mal ganz gern einen Joint. Den Stoff besorgte er bei einem Bekannten. Dummerweise stand der Bekannte bereits im Verdacht, sich mit dem Verkauf weicher Drogen etwas dazu zu verdienen. Deshalb wurde seine Kommunikation abgehört. Mit der Folge, dass auch Beweismittel gegen meinen Mandanten anfielen.
Die gewechselten SMS waren vielsagend. So gab mein Mandant, damals noch ohne Anwalt, den Erwerb von einigen Gramm Marihuana zu. Es werde schon nicht so schlimm kommen, sagte ihm der freundliche Kommissar. Das Ganze falle ja fast noch unter Eigenbedarf.
Als mein Mandant jetzt Post vom Gericht bekam, fiel er aus allen Wolken. Von wegen Eigenbedarf. In dem Schreiben hieß es nämlich:
In Ihrer Strafsache wegen Anbau, Herstellung, Handeltreiben, Schmuggel, Erwerb von BtM werden Sie auf Anordnung des Gerichts zur Hauptverhandlung geladen.
Auch der Eröffnungsbeschluss war beigefügt. Darin stand:
In der Strafsache gegen B.N. wegen Anbau, Herstellung, Handeltreiben, Schmuggel, Erwerb von BtM wird die Anklage der Staatsanwaltschaft … zugelassen.
Mein Mandant kriegte natürlich leichte Panikattacken. Das las sich ja nicht so harmlos. Selbst mit dem Gericht diskutieren wollte er nicht. So kam ich ins Spiel. Wie sich herausstellte, arbeitet das betreffende Amtsgericht offenbar gern mit Textbausteinen. Wenn jemand wegen eines Drogendelikts angeklagt wird, fügt die Geschäftsstelle in die Ladung und die Eröffnungsbeschlüsse immer Anbau, Herstellung, Handeltreiben, Schmuggel, Erwerb von BtM ein.
Auch wenn das so gar nicht stimmt. Die Anklageschrift der Staatsanwaltschaft legt meinem Mandanten nämlich nur den Erwerb der paar Gramm Marihuana zur Last, den er tatsächlich bei der Polizei zugegeben hat. Vor Gericht kann immer nur das verhandelt werden, was auch angeklagt ist. In der Ladung mag man den Textbaustein noch verschmerzen. Im Eröffnungsbeschluss, der ja für das Verfahren eine große Bedeutung hat, ist die Aufzählung der gesamten Drogenverwertungskette als Tatvorwurf schon ein krasser Schnitzer. Es stellt sich die Frage, ob der Richter liest, was er unterschreibt.
Ich werde mal vorsichtig nachfühlen, ob man das in Zukunft nicht lieber unterbinden möchte. Von formalen Angriffspunkten abgesehen, kann der Richter doch nicht wollen, dass verunsicherte Angeklagte sich schon auf Jahre im Knast sehen – und sich deswegen womöglich sogar aus dem Staube machen. Wobei einige schlaflose Nächte, die mein Mandant hatte, ja eigentlich ausreichen sollten, um amtliche Schreiben nicht mit falschen Vorwürfen zu garnieren.
Andererseits hat die Praxis des Amtsgerichts mir einen Auftrag gebracht. Mein Mandant hatte eigentlich vor, die Sache wegen der paar Gramm selbst durchzustehen. Jetzt will er auf keinen Fall ohne Verteidiger in die Verhandlung. So ganz konnte ich sein Vertrauen in die Fähigkeiten des Gerichts nicht wieder herstellen. Wie auch.