Handy am Steuer – bei diesem Vorwurf machen viele Amtsrichter kurzen Prozess. Haben Polizeibeamte gesehen, wie der Autofahrer ein Mobiltelefon ans Ohr hält, dann war das eben so. Ein Richter am Amtsgericht Berlin-Tiergarten wäre heute wahrscheinlich auch gern so verfahren. Doch leider legten ihm ausgerechnet die Zeugen der Anklage so viele Steine in den Weg, dass ein Autofahrer am Ende doch noch um Bußgeld und Punkte herumkam.
Der Autofahrer hatte sich schon mal geschickt verteidigt. Er sei sehr viel im Auto unterwegs. Deshalb nutze er auch eine Freisprecheinrichtung. Allerdings ein Modell, über das man die Rufnummer nicht wählen kann. Deshalb gab der Autofahrer auch zu, dass er an einer Berliner Innenstadtkreuzung das Handy in die Hand genommen und eine Nummer gewählt habe. Aber nur, so lange er vor einer roten Ampel stand. Und während das Auto stand, habe er den Motor ausgeschaltet.
Das Wort hatten nun die Zeugen. Eine 30-jährige Polizistin und ihr gleichaltriger Kollege. Sie erzählten, dass sie öfter an der betreffenden Kreuzung gezielte Kontrollen machen. Sie stehen dann in Zivil in Höhe der Ampel und gucken, wer im Auto telefoniert. Die Sünder geben sie per Funk an den Anhaltetrupp durch, der etwa 200 Meter hinter der Kreuzung wartet.
“Haben Sie denn gesehen, dass der Autofahrer beim Fahren telefoniert?” fragte der Richter. “Er befand sich im Fließverkehr”, antwortete die Polizistin. “Was ist denn für Sie Fließverkehr?” “Fließverkehr ist alles, wenn das Auto nicht abgeparkt ist.” “Also kann es auch sein, dass der Autofahrer an der roten Ampel gestanden hat?” “Ja, was macht das für einen Unterschied?” “Es könnte ein Unterschied sein, wenn er den Motor aus hatte. Haben Sie darauf geachtet?” “Nein, ob der Motor angeschaltet ist oder nicht, das interessiert uns nicht.”
Der Polizist sagte im Kern das Gleiche. Auch ihm ist es egal, ob er einen Autofahrer aufschreibt, der nur in einem stehenden Wagen telefoniert. Seine Erklärung: “Die Kreuzung ist so laut, da kann ich doch gar nicht feststellen, ob der Motor läuft. Viele Autos haben ja heute auch eine Start-Stop-Automatik.” Auf Rückfrage des Richters: “Also, wenn einer vor der roten Ampel steht und telefoniert, dann schreibe ich den im Zweifel auf. Für mich fällt das eindeutig in den Schutzbereich der Ordnungswidrigkeit.”
Dem Richter blieb nichts anderes übrig, als die Beamten mal in die Vorschriften gucken zu lassen. § 23 Straßenverkehrsordnung verbietet zwar Handys am Steuer. Aber nicht, “wenn das Fahrzeug steht und bei Kraftfahrzeugen der Motor ausgeschaltet ist”. Betretenes Schweigen. Der Paragraf war den beiden Beamten offenbar nicht bekannt.
Nun ja, der Richter sah es nicht als seine Aufgabe an, auf der Polizeischule offensichtlich nie vermitteltes Basiswissen nachzuholen. Er stellte das Verfahren kurzerhand ohne Folgen für den Autofahrer ein, auch wenn das Polizistenpärchen das offensichtlich als völlig neben der Sache betrachtete. Jedenfalls guckten sie ziemlich schräg und rauschten empört aus dem Saal. Man darf also damit rechnen, dass der Lerneffekt eher gegen Null ging und die Kontrollen so weiter gehen, wie man das für richtig hält.