Nach dem unfreiwilligen Ende von Megaupload stellt sich für viele Nutzer die Frage, ob sie Abmahnungen oder gar Ärger mit der Polizei zu befürchten haben. Eine Boulevardzeitung schürt aktuell Panik, indem sie im Zusammenhang mit der Verhaftung von Kim Dotcom Schmitz von einer Abmahnwelle erzählt, die – angeblich – Deutschland überrollt.
Das mit der Abmahnwelle ist richtig. Aber sie hat mit Megaupload oder anderen Filehostern nichts zu tun.
Tatsächlich mahnt die Contentindustrie schon seit Jahren massenhaft ab. Aber praktisch nur Nutzer, die in Tauschbörsen wie Gnutella oder eMule aufgefallen sind. Tauschbörsen sind dezentrale Netzwerke, in dem ein Download meist nur möglich ist, wenn man gleichzeitig Inhalte zum Upload bereit hält. Die beteiligten Rechner identifizieren sich im Netzwerk der Tauschbörse immer über ihre IP-Adresse. Diese wiederum kann von Überwachungsfirmen geloggt und dann zur Identifizierung des Anschlussinhabers verwendet werden. Genau so gehen die Abmahner vor.
Filehoster funktionieren anders, und an ihrem System beißen sich Contentanbieter bislang die Zähne aus. Filehoster sind Unternehmen, die riesige Speicherkapazitäten zur Verfügung stellen. Jeder Nutzer kann auf den Festplatten der Filehoster Daten hinterlegen. Für jede gespeicherte Datei erhält er einen Link. Über diesen Link können dann Dritte, die den Link kennen, die Datei ebenfalls herunterladen.
Beim Filehoster geht also nicht um Tausch, sondern ausschließlich ums Rauf- und wieder Runterladen (über einen genau definierten Link). Die IP-Adresse des Nutzers taucht im Gegensatz zu einer Tauschbörse an keiner Stelle auf, wo Rechteinhaber sie einfach abgreifen können. Deshalb bleiben die Nutzer von Filehostern normalerweise anonym. Und genau aus der Erkenntnis, dass man mit den heutigen technischen Möglichkeiten an die Nutzer nicht herankommt, fordert zum Beispiel nun die deutsche GVU, Filehostern das Haftungsprivileg für die bei ihnen hinterlegten Inhalte zu entziehen.
Die einzig praktisch relevante Quelle für die IP-Adresse von Kunden eines Filehosters sind momentan dessen eigene Datenbanken. Aber muss man davon ausgehen, dass Megaupload oder andere Dienste wirklich so dumm sind und genau festhalten, über welche IP-Adresse welche Dateien gezogen wurden?
Das wären nämlich genau jene Daten, die (möglicherweise) belegen, dass der allergrößte Teil des Traffic mit urheberrechtlich geschütztem Material geschieht. Beweismittel also, die den Verfolgern vom FBI und ihren Kollegen Freudentränen in die Augen treiben dürften.
Filehoster handeln also schon im eigenen Interesse, wenn sie möglichst keine Verbindungsdaten speichern. Dieses Interesse dürfte nicht geringer geworden sein, seitdem die mutmaßlichen Köpfe hinter Megaupload im Gefängnis sitzen und ihre Auslieferung an die USA befürchten müssen.
Razzien bei Filehostern dürften also kaum bergeweise Verbindungsprotokolle ergeben. Hinzu kommt, dass die meisten Provider in Deutschland die Verbindungsdaten bei dynamischen IP-Adressen nur für einen begrenzten Zeitraum speichern. Mit Ablauf dieses Zeitraums ist es dem Provider nicht mehr möglich, die eventuell beim Filehoster gespeicherte IP-Adresse einem deutschen Nutzer zuzuordnen.
Eine Vorratsdatenspeicherung würde hieran übrigens auch nichts ändern. Denn das bloße Runterladen von urheberrechtlich geschütztem Material ist kein so schweres Delikt, welches nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts einen Rückgriff auf Verbindungsdaten zulässt.
Eine Möglichkeit gibt es aber dennoch, deutsche Nutzer von Filehostern zu ermitteln. Der Weg führt über die Buchhaltung. Wer, wie so viele, für einen Premiumzugang beim Filehoster mit Kreditkarte, PayPal oder Bankeinzug bezahlt, hinterlässt klare Datenspuren. Diese Datenspuren sind auch nicht einfach so aus der Welt zu kriegen.
Aber was folgt aus der bloßen Tatsache, dass jemand für einen Premiumzugang beim Filehoster zahlt? Reicht das für einen Anfangsverdacht wegen gewerblicher Urheberrechtsverletzung? Nur auf diesen könnte ja zum Beispiel eine Hausdurchsuchung durch die Polizei gestützt werden, bei der sich möglicherweise “Beweismittel” finden. (Sony oder Universal dürfen ja zum Glück – noch – nicht einfach so zu Hause vorbeischauen.)
Nach meiner Meinung kann man aus einem Premiumzugang keinen Anfangsverdacht herleiten. Vom Grundsatz her sind Filehoster nämlich legale Dienste. Firmen nutzen sie, um große Datenmengen zu bewältigen. Und natürlich steht es jedermann frei, selbst geschaffenes oder freies Material über Filehoster zu vertreiben. Von daher lässt sich kaum schlussfolgern, dass jeder Premiumkunde eines Filehosters auch ein “Raubkopierer” sein muss.
Selbst wenn also Listen zahlender Kunden in die Hände der Ermittlungsbehörden gelangen, werden diese sehr sorgfältig überlegen müssen. Zumal Kunden, die auch Filme und Musik geladen haben, bis dahin ohnehin genug Zeit gehabt haben dürften, ihre Festplatten zu bereinigen.