Seit einem dreiviertel Jahr fahndete die Polizei in Hannover auch über Facebook nach Verdächtigen. Nun ist das Projekt abgeblasen – es gibt Bedenken wegen des Datenschutzes.
Der niedersächsische Datenschutzbeauftragte hatte sich gegen die Steckbriefe auf Facebook ausgesprochen. Wie der NDR berichtet, beanstandet der Datenschützer den Umstand, dass Facebook in Amerika sitzt und deshalb das deutsche Datenschutzrecht nicht gilt. Dem schloss sich jetzt die niedersächsische Polizeiführung an. Sie verfügte einen vorläufigen Stopp des Projekts. Im niedersächsischen Innenministerium soll die Rechtslage nun genau geprüft werden.
Ich gehe davon aus, dass die Hannoveraner Polizei bald wieder ihre Fahndungsaufrufe bei Facebook einstellen darf. Ein Verstoß gegen das deutsche Datenschutzrecht scheint mir nämlich weit hergeholt; womöglich trägt die vehemente Antifacebook-Kampagne in Schleswig-Holstein hier unerwarteteFrüchte. Im Nachbarland droht der dortige Datenschutzbeauftragte Thilo Weichert ja sogar Behörden und Unternehmen mit Unterlassungsaufforderungen und Bußgeldern, wenn sie Facebook-Seiten mit “Like”-Buttons betreiben.
Fakt ist doch zunächst, dass öffentliche Fahndungen von einem Richter genehmigt werden müssen. Dieser legt auch fest, welche Informationen und Bilder des Verdächtigen in den Aufruf einfließen dürfen. Die entsprechenden Texte und Bilder stellen die Polizeibehörden dann zum Beispiel ins Portal “Polizeipresse”, wo sich praktisch jeder die Informationen ansehen, sie kopieren und verwenden kann. Außerdem schickt die Polizei das Material an Zeitungs-, Fernseh- und Rundfunkredaktionen.
Facebook dürfte für die Polizei Hannover deshalb nur ein weiterer Kanal gewesen sein, über den Fahndungen öffentlich gemacht wurden. Nun kann ich aber beim besten Willen nicht erkennen, wieso die von der Polizei gesteuerte Speicherung der Informationen auf Facebook-Servern brisant sein soll, wenn es sich ohnehin für die Öffentlichkeit bestimmte Daten handelt.
Es ist ja auch keiner ausländischen Zeitung untersagt, Fahndungsaufrufe deutscher Polizeibehörden in ihre Onlineausgabe zu stellen. Dann sind die Daten ebenso auf ausländischen Servern gespeichert. Und im Gegensatz zum eigenen Facebook-Account haben die Beamten noch nicht einmal die Möglichkeit, auf die Daten ausländischer Medien, Blogs eingeschlossen, zuzugreifen.
Ähnlich ist es ja auch im Inland. Veröffentlicht etwa ein deutscher Blogger einen Fahndungsaufruf mit einem “Täter”bild, ist er möglicherweise in der zivilrechtlichen Haftung, wenn sich die Unschuld des Betreffenden herausstellt, er aber das Foto trotzdem weiter auf seiner Seite lässt. Die Polizei kann höchstens um Entfernung der Bilder bitten – den Blogger verklagen kann letztlich aber nur der Betroffene.
Ein anderes Beispiel ist das Verhalten von Boulevardmedien. Die greifen gern auf archivierte Fahndungsfotos zurück und veröffentlichen diese, wenn der Gesuchte festgenommen wird oder vor Gericht steht. Auch das ist an sich nicht zulässig, denn die Bilder sind eben nur für die Fahndung freigegeben. Dennoch bleibt es dem Betroffenen überlassen, gegen die mögliche Verletzung seiner Persönlichkeitsrechte zu klagen. Die Polizei selbst kann den Journalisten höchstens ins Gewissen reden oder ihnen vielleicht mit Informationsboykott drohen.
Wir halten also fest: Es handelt sich bei den Fahndungsdaten um Informationen, die gerade für die Öffentlichkeit bestimmt sind. Die Polizei hat keinen Einfluss darauf, wie die Informationen von Medien im In- und Ausland verwendet werden. Aber es soll ein Problem sein, dass die Polizei diese öffentlichen Informationen auf einem ausländischen Server speichert, wobei sie ausgerechnet hier sogar den “Kanal” selbst steuert und somit bestimmt, was auf Facebook zu sehen ist?
Eine andere Frage ist allerdings, ob die Polizei Facebook auch als Antwortkanal nutzen darf. Sofern Nutzer direkt über Facebook etwas zu dem Aufruf sagen, ist es natürlich richtig, dass ihre “sachdienlichen Hinweise” dann auch von Facebook-Admins gelesen werden können. Das können durchaus brisante und sicherlich auch private Informationen sein, zumal es für einen Hinweis ja auch eines Facbook-Accounts bedarf. “Anonyme” Nachrichten wären so kaum möglich. Um die Probleme auszuschalten, würde es auch reichen, die Hinweise eben per Mail oder Telefon zu erbitten und das Feedback via Facebook abzuschalten, sofern das technisch möglich ist.
Mehr als der Datenschutz überzeugt mich übrigens das Argument, dass es doch höchst fraglich ist, ob ausgerechnet ein soziales Netzwerk, in dem sich ja auch Kinder und Jugendliche bewegen, eigentlich der richtige Ort für die öffentliche Verbrechersuche ist. Von daher wäre es vielleicht für alle besser, wenn die Polizei Hannover bei Facebook offline bleibt.