Bei manchen Sachen dreht sich mir wirklich der Magen rum. Ich hoffe, man liest das nicht zu sehr aus dem nachfolgenden Schreiben, das ich heute an einen Amtsrichter geschickt habe.
Es geht darum, dass der Mieter einer Wohnung Kindergartenbeiträge schuldete. Die Stadtkasse vollstreckte und besorgte sich einen Durchsuchungsbeschluss. Doch statt nach verwertbarer Habe zu suchen, stocherten die Beamten vornehmlich in privaten Papieren und im (unpfändbaren) Hausrat.
Dabei gingen so so genau vor, dass sie – vornehmlich anhand von Damenkleidung, Kosmetika und einigen Briefen, die natürlich an Ort und Stelle gelesen wurden – meinten feststellen zu können, dass meine Mandantin gar nicht an ihrer Meldeanschrift wohnt, sondern bei dem Schuldner. Folge war ein Bußgeldbescheid über 200 Euro wegen eines Meldeverstoßes.
Hier meine Eingabe ans Gericht:
In dem Bußgeldverfahren
g e g e n N. S.
beantrage ich,
das Verfahren nach § 47 Abs. 2 OWiG einzustellen.
Die von der Ordnungsbehörde angeführten Beweise durften nicht erhoben werden. Sie sind jedenfalls unverwertbar. Die Betroffene rügt dies hiermit.
Es handelte sich ausweislich der Akte um eine Durchsuchung im Rahmen der Zwangsvollstreckung von öffentlich-rechtlichen Forderungen.
Ein derartiger Durchsuchungsbeschluss erstreckt sich darauf, dass die Vollstreckungsbeamten nach pfändbarer Habe des Schuldners suchen. Hier war es aber offensichtlich so, dass die durchsuchenden Beamten gezielt persönliche Unterlagen sowie (wertlosen) “Hausrat” meiner Mandantin, die gar nicht Adressatin des Durchsuchungsbeschlusses war, unter die Lupe genommen haben.
Die Beamten nutzten also die formale Rechtsposition des Durchsuchungsbeschlusses aus, um in Wirklichkeit Ermittlungen zu führen, die von ihrer durch den Durchsuchungsbeschluss abgesteckten Kompetenz gar nicht umfasst waren.
Im Rahmen einer Zwangsvollstreckung, auch einer Durchsuchung, muss im übrigen der Verhältnismäßigkeitsgrundsatz gewahrt sein. Auch den Vollstreckungsbeamten obliegt es, auf die Privat- und Intimsphäre betroffener Personen Rücksicht zu nehmen. Das gilt insbesondere für am Verfahren unbeteiligte Dritte, hier die Betroffene.
Auch aus diesem Grund bestand überhaupt kein Recht der Vollstreckungsbeamten, offensichtlich unpfändbare Gegenstände wie persönliche Dokumente oder Hausrat darauf zu überprüfen, wer denn nun deren Eigentümer sei und schon zu diesem Augenblick (unausgesprochen) Ermittlungen gegen die Betroffene wegen eines Verstoßes gegen die Meldepflicht zu führen.
Es handelt sich also nicht um “Zufallsfunde”, die möglicherweise auch in einem Bußgeldverfahren grundsätzlich verwertbar wären. Vielmehr haben die Beamten nicht Zufallsfunde zur Kenntnis genommen, sondern gezielt gesucht, und zwar mit der Zielrichtung, meiner Mandantin einen Verstoß gegen die Meldepflicht anzuhängen. Und das, obwohl sich der Durchsuchungsbeschluss gegen eine dritte Person richtete. Es handelte sich hier eindeutig um gezielte Ermittlungen. So ein „fishing for evidence“ ist aber etwas anderes als ein grundsätzlich verwertbarer Zufallsfund.
Ohne die rechtswidrige Ausnutzung des wegen öffentlich-rechtlicher Forderungen ergangenen Durchsuchungsbeschlusses hätten die angeblichen Beweismittel gar nicht aufgefunden werden können. Die Beamten haben durch ihr Verhalten grob rechtswidrig und im Sinne der Rechtsprechung zu Beweisverwertungsverboten auch willkürlich gehandelt. Die dargelegten rechtlichen Grundsätze sollten ihnen jedenfalls bekannt sein. Somit kann davon ausgegangen werden, dass der Verfolgungseifer mit ihnen durchgegangen ist.
Bei der Frage, ob ein Beweisverwertungsverbot eingreift, ist abzuwägen zwischen dem staatlichen Strafinteresse und dem Interesse des Betroffenen, aber auch dem Bedürfnis nach Einhaltung rechtsstaatlicher Regeln. Hier ist festzustellen, dass das Verfolgungsinteresse denkbar gering ist. Es handelt sich noch nicht einmal um eine Straftat, sondern lediglich um eine Ordnungswidrigkeit. Die Abwägung geht hier eindeutig zu Lasten der staatlichen Organe aus.
Nach meiner Auffassung liegt es nahe, das Verfahren nach dem Opportunitätsprinzip einzustellen. Ansonsten würde eine umfangreiche Beweisaufnahme anstehen. Zudem wären die aufgeworfenen Rechtsfragen zu entscheiden. Ich habe nicht den Eindruck, dass der vorliegende Fall dazu taugt, die Ressourcen der Justiz weiter zu belasten.
Rechtsanwalt