Der Berliner Rechtsanwalt Carsten Hoenig verteidigt einen befreundeten Rechtsanwalt. In der Hauptverhandlung begab sich folgendes:
Die Richterin begann in eisigem Ton, die Personalien abzufragen. Ich hatte dann noch ergänzende Fragen an den Mandanten zur Person – es gab ein paar Probleme mit der wirksamen Zustellung des Strafbefehls und der Ladung zum Hauptverhandlungstermin.
“Seit wann wohnst Du dort und seit wann bist Du dort behördlich angemeldet?”
Bevor der Mandant antworten konnte, richtete sich die Richterin an mich:
“Herr Verteidiger. Können Sie bitte den Angeklagten Siezen, wie es sich hier bei Gericht gehört?!”
Hoenig räumt ein, er sei zunächst sprachlos gewesen. Ich glaube, das wäre mir auch passiert, so absonderlich ist die Auffassung der Richterin zu dem, was sich vor Gericht gehört.
Dem Verteidiger vorschreiben zu wollen, in welcher Höflichkeitsform er mit seinem Mandanten kommuniziert, geht deutlich über die gängigen Empfindlichkeiten hinaus. Ein Evergreen ist zum Beispiel das Verlangen, dass kein Prozessbeteiligter eine Kopfbedeckung trägt. Obwohl es mittlerweile glücklicherweise genug Richter gibt, die über so was stehen. (Vielleicht sind sie auch nur vor dem Umstand resigniert, dass in gewissen Zeugenkreisen die Kappe heutzutage angewachsen ist.)
Für das von der Berliner Richterin reklamierte Duz-Verbot zwischen Verteidiger und Mandant gibt es – natürlich – keine gesetzliche Grundlage. Und ebenso wenig einen verbindlichen Brauch, auf den man sich berufen könnte.
Das Ansinnen ist deshalb schon ein ziemlicher Affront. Aber auf diesen hat der Kollege dann ja doch noch richtig reagiert, indem er die Unterbrechung der Hauptverhandlung beantragte, sicherlich, um einen Befangenheitsantrag zu stellen.