Verunglimpfung

Bundespräsident Christian Wulff hat gegen einen Facebbok-Nutzer Strafanzeige wegen „Verunglimpfung des Bundespräsident“ (§ 90 StGB) gestellt.

berichtete gestern Rechtsanwalt Dr. Martin Bahr in seinen Rechtsnews.

In dem Verfahren vor dem Landgericht Dresden am 11. Januar 2012 geht es um ein Foto, auf dem das Präsidenten-Ehepaar zu sehen sein soll; die Frau Gemahlin mit nach oben ausgestrecktem rechten Arm – dem nach § 86a StGB strafbaren Hitlergruß; riecht ein wenig nach Photoshop.

Egal ob montiert oder nicht: Die Veröffentlichung dieses Fotos auf Facebook stellt nach Ansicht des Bundespräsidenten und der Staatsanwaltschaft eine Straftat nach § 90 StGB dar: Die relativ selten angeklagte „Verunglimpfung des Bundespräsidenten“.

Denn neben diesem Foto soll auch noch durch entsprechende (blödsinnige) Bildunterschriften eine Verbindung zwischen der Frau und dem Dritten Reich hergestellt worden sein.

Daß es sich insgesamt nicht um einen Ritt über den Ponyhof handelt, erkennt der Laie schon daran, daß es die Staatsschutzkammer des Landgerichts ist, die über diese Sache verhandelt. Was vor dieser Kammer sonst noch so Thema ist, kann man sich in § 74a GVG zu Gemüte führen.

Ob dieses Verfahren, was der BPräs. mit seiner „Ermächtigung“ (eine Art qualifizierter Strafantrag) losgetreten hat, tatsächlich so sinnvoll ist, scheint mir zweifelhaft. Und zwar nicht nur hinsichtlich des Streisand-Effekts (ohne den dieser Beitrag heute nicht geschrieben worden wäre).

Die Verunglimpfung ist eine Spezialität der Beleidigung nach § 185 StGB. Speziell ist beispielsweise die Strafandrohung: Mindestens 3 Monate Kerker.

Es gibt ein paar Probleme, ich mal so aus der Ferne sehe.

Unmittelbar betroffen wurde die Präsidenten-Gattin, nicht der Gatte selbst. Bereits an dieser Stelle kann man diskutieren, ob mit der … sagen wir mal … Karikatur der Schutzbereich der Norm berührt wird.

Geschützt ist der Bundespräsident in Person, nicht aber sein Vertreter nach Art. 57 GG. Dies folgt aus dem Wortlaut, der Entstehungsgeschichte und dem Charakter des § 90 als Sondervorschrift; zudem gewähren die §§ 185 ff. dem Stellvertreter ausreichenden strafrechtlichen Schutz.

liest man beispielsweise im Münchener Kommentar. Da ist also durchaus Spielraum für eine (Freispruch-) Verteidigung des Facebook-Freunds.

Dann haben wir noch die Grundrechte aus Art. 5 Abs. 1 und 3 GG, Meinung und Kunst.

Je nach Fallgestaltung kommt noch die Frage nach der Täterschaft hinzu, wenn nicht feststeht, wer zur Zeit der Veröffentlichung des „Beitrags“ hinter dem Rechner gesessen hat.

Alles in Allem ein paar Unwägbarkeiten, die im worst case (aus Sicht des Herrn Präsidenten) zu einem blamablen Prozeßende führen könnten.

Und überhaupt: Wenn ich in den vergangenen 2 1/2 Wochen hier im Weblog jede Verunglimpfung des Aushilfsbloggers durch so einige Kommentatoren zur Anzeige gebracht hätte … ganze Horden von Strafverteidigern hätten sich davon ihr Altenteil finanzieren können. ;-)

Kann es sein, daß der Herr Bundespräsident über ein nur sehr dünnes Fell verfügt?

… fragt sich der verunglimpfte Aushilfsblogger.