Normalerweise schütze ich Überlastung vor oder verweise auf meine Vorliebe fürs Strafrecht, wenn mir Nachbarschaftsstreitigkeiten angetragen werden. Der Fall, der vor einigen Tagen reinkam, hat jedoch seinen Reiz.
Mein Mandant wohnt im Erdgeschoss. Er darf den Garten hinter dem Haus alleine nutzen. Ein schöner Garten übrigens; er ist mit einer dichten Hecke, Bäumen und einem Zaun vor der Nachbarschaft abgeschirmt. Die Nachbarin Frau Böse zog vor einiger Zeit in den ersten Stock. Das Verhältnis war von Anfang an unterkühlt. Wobei das eher nicht an meinem Mandanten liegen dürfte; den kenne ich schon seit vielen Jahren als umgänglichen Menschen.
Nun begab es sich im September, dass mein Mandant an einem schönen Spätsommertag sein Hemd auszog und im Garten zur Tat schritt. Diverse Gehölze mussten getrimmt werden. Das wiederum gefiel Frau Böse ganz und gar nicht, denn sie ist nach eigenen Angaben fast so was wie eine gelernte Juristin. Oder kennt zumindest einen Juristen. So genau hat mein Mandant das nicht verstanden. Jedenfalls war sich Frau Böse aufgrund ihrer Fachkenntnis sicher, dass mein Mandant gegen die örtliche Gartensatzung oder Naturschutzgesetze verstößt, wenn er im September bei Sonnenschein das Messer an die Pflanzen setzt.
Darauf hat Frau Böse meinen Mandanten aber nicht angesprochen. Sie behielt ihre Bedenken für sich, schlich sich dafür aber auf den Balkon und erstellte ein paar aussagekräftige Fotos. Diese zeigen, wie mein Mandant mit entblößtem Oberkörper Gartenarbeit verrichtet. Die Bilder schickte Frau Böse ans Gartenamt und die Vermieterin. Natürlich mit einem Brief, in dem sie den Umweltfrevel meines Mandanten bitterlich beklagt.
Allerdings weiß Frau Böse wohl nicht, dass mein Mandant im öffentlichen Dienst ist und es mit Vorschriften ziemlich genau nimmt. Weder der Vermieter noch das Gartenamt sahen trotz der Beweismittel einen Grund zum Einschreiten. Mein Mandant hatte sich nämlich vor den Arbeiten extra beim zuständigen Mann des Gartenamtes erkundigt, was er beachten muss. Und an diese Vorgaben hielt er sich auch. Das von Frau Böse angestoßene Ordnungwidrigkeitenverfahren gegen meinen Mandanten wurde sogleich mangels Tatverdachts eingestellt.
Als mein Mandant erfuhr, dass sich nun in der Vermietungsakte und in den Unterlagen des Gartenamtes Oben-ohne-Fotos von ihm finden, war er nicht erbaut. Vor allem möchte er nicht, dass die Dame die Fotos noch weiter verbreitet. Oder gar neue schießt.
Also eine Abmahnung. Die haben ich nicht nur auf das Recht am eigenen Bild und das allgemeine Persönlichkeitsrecht gestützt, sondern auch auf den Paparazzi-Paragrafen. Der Schutz des höchstpersönlichen Lebensbereichs gilt, entgegen weit verbreiteter Annahme, keineswegs nur für Prominente. Auch der Garten kann zu diesem geschützten Lebensbereich gehören, jedenfalls wenn er wie der meines Mandanten “gegen Einblick besonders geschützt” ist (Hecken, Bäume, Zaun).
Bleibt eigentlich nur die Frage, ob die Vorschrift dann nicht gilt, wenn gar nicht durch den Sichtschutz fotografiert wird. Von ihrem Balkon im ersten Stock hat Frau Böse nämlich ungehinderten Blick in den Garten. Nach meinem Verständnis stellt das Gesetz nur darauf ab, ob sich durch den Sichtschutz für den Betroffenen das berechtigte Gefühl ergibt, ziemlich privat sein zu können. Auch ein Foto, das aus von einer Rampe oder einem Fluggerät geschossen wird, wird ja nicht dadurch erlaubt, weil der Sichtschutz wirkungslos geblieben ist.
Ein Nachbarschaftsstreit mit besonderer Note also. Mein Mandant ist sich sowieso sicher, dass die Sache vor Gericht geht. Vielleicht hören wir ja von dort ein paar klärende Worte zum Paparazzi-Paragrafen. Die könnten für jeden Gartenbesitzer interessant sein.