Die Bewährungshelferin war sauer: “Der Proband ist zum wiederholten Mal unentschuldigt nicht zum Gesprächstermin erschienen. Ich bitte zu prüfen, ob die Bewährung widerrufen wird.”
Zu allem Überfluss stand mein (neuer) Mandant wenige Tage später auch noch in einer anderen Sache vor Gericht und holte sich weitere fünf Monate Gefängnisstrafe ab. Für das Gericht war es wegen dieser neuen Strafe nun wirklich einfach, seine Bewährung auf eine frühere Freiheitsstrafe zu widerrufen.
Das geht natürlich nicht, ohne dass der Betroffene seine Sicht der Dinge darstellen kann. Das Gericht beraumte also pflichtgemäß einen Anhörungstermin in der Bewährungssache an. Mein Mandant erschien unentschuldigt nicht. Der Beschluss mit dem Bewährungswiderruf wurde ihm ordnungsgemäß zugestellt. Doch die Rechtsmittelfrist verstrich, ohne dass mein Mandant etwas unternahm. Es hätte ja vielleicht schon gereicht, mal seinen damaligen Anwalt anzusprechen.
Ins Gefängnis ging mein Mandant dann im Glauben, er müsse jetzt die fünf Monate absitzen. Erst als ihm bei Lektüre seines Vollstreckungsblatts dämmerte, dass zu den fünf Monaten noch die alte Reststrafe von einem Jahr kommt, kam ich ins Spiel. Das heißt, nachdem sein bisheriger Anwalt ihm gesagt hat, da könne man jetzt nichts mehr machen und er solle die Zähne zusammenbeißen. Das wiederum konnte sich der Mandant ganz und gar nicht vorstellen. Und ich, für meinen Mandanten offenbar der Harry Potter unter den Strafverteidigern, soll die Sache nun noch mal unter die Lupe nehmen.
Also schaue ich mir die Akte heute abend noch mal Blatt für Blatt an, um vielleicht doch noch einen Ansatz zu finden. Allerdings ist in der Sache auch noch ein Richter tätig, der sehr pingelig auf Formalien achtet. Ich fürchte deshalb, dass ich der Auskunft des Kollegen nicht viel hinzufügen kann.
Irgendwann ist halt auch die Justiz mit ihrer Geduld am Ende.