Während man in Köln mitunter lange auf einen Verhandlungstermin warten muss, widmet sich der Präsident des Landgerichts weiter wichtigen Dingen. So führt er ungerührt und eifrig seine Fehde gegen eine bloggende Rechtsanwältin. Zunächst hatte er sich über einen kritischen Prozessbericht der Juristin bei der Anwaltskammer beschwert und dabei, wenn schon denn schon, angeregt, die Rechtmäßigkeit von Anwaltsblogs generell zu untersuchen. Die Antwort der Anwaltskammer fiel wohl nicht ganz zu seiner Zufriedenheit aus, denn nun kartet der Gerichtspräsident nach.
Heidrun Jakobs, die betroffene Rechtsanwältin, hat die Abschrift eines Briefes bekommen, in dem sich der Präsident des Landgerichts Köln wiederum darum bemüht, über die Anwaltskammer kritische Äußerungen der Anwältin zu unterbinden bzw. sie vom weiteren Bloggen abzuhalten. So schreibt er:
Aus hiesiger Sicht sind – gerade in der neuerlichen Blog-Veröffentlichung und in den o.a. Kommentaren – jedenfalls die Grenzen rechtsanwaltlicher Internetauftritte unter dem Blickwinkel des § 43b BRAO berührt. … § 43b BRAO soll aber dem Anwalt grundsätzlich nur eine rein sachliche Informationswerbung eröffnen; dies gilt auch für Internetauftritte. Dies zwingt nicht zu einer Beschränkung auf rein nüchterne Fakten (BverfG NJW 2004, 3765), aber ein Abdriften ins zu „Reklamehafte“ ist unzulässig (BGH BRAK-Mitt. 1998, 98; OLG Hamm AnwBl. 1996, 470).
Weiter heißt es:
Der vorliegende Blog stellt allein wertende und suggestive Elemente sowie Selbstanpreisungen der gegen die „Missstände in der Justiz“ ankämpfenden Anwältin in den Vordergrund. Schutzgut des § 43b BRAO ist die Sachwalterstellung des Anwalts, dem keine übermäßige Selbstanpreisung gestattet ist. Die Werbung ist unzulässig, wenn – wie hier aus Umständen und sprachlichem Duktus der Werbung das Vertrauen in die Integrität und Unabhängigkeit des Berufsträgers gefährdet werden.
Die kritischen Berichte der Anwältin, die auch vor starken Worten nicht zurückschreckt, sind also nichts weiter als Reklame, und die auch noch in Form “übermäßiger Selbstanspreisung”. Eine wahrlich bahnbrechende Erkenntnis. Zumal den Präsidenten des Landgerichts eingestandermaßen vor allem stört, dass Heidrun Jakobs auch mal geschrieben hat, es gehe ihr darum “Missstände in der Justiz” aufzuzeigen und so dagegen anzukämpfen.
Das geht bei uns natürlich gar nicht, dass eine Anwältin Missstände in der Justiz öffentlich macht. Zumal es, das weiß der Präsident nach eigenen Worten sehr genau, gar nicht ihr Ziel ist, etwas für ihre Mandanten und womöglich andere Betroffene zu erreichen. Nein, das schiebt Heidrun Jakobs alles nur vor – um schnöde Reklame für sich zu machen.
Der Präsident des Landgerichts Köln täte gut daran, sich an die neue mediale Wirklichkeit zu gewöhnen.
Anwälte, die etwas zu sagen haben, sind nicht mehr wie früher darauf angewiesen, dem Gerichtsreporter des Express was ins Ohr zu flüstern und zu hoffen, dass es am nächsten Tag für zwölf Zeilen im Lokalteil reicht. Wie (zum Glück) jeder andere auch, können sie eine Internetseite einrichten, ein Blog aufmachen, auf Facebook, Google+ oder bei Twitter schreiben.
Anwälten übers Standesrecht kritische Anmerkungen zu eigenen Verfahren untersagen zu wollen, ist schon deshalb dreist, weil Gerichte, Staatsanwaltschaften und Polizei heute selbst gut besetzte Pressestellen unterhalten, die Tag für Tag zu eben diesen Verfahren ihre Sicht der Dinge ins Netz stellen. Es gehört, schon wegen der Waffengleichheit, zu den Rechten eines Anwaltes, auch medial für seine Mandanten einzutreten.
Dass dies auf Interviews mit etablierten Medien oder selbstverfasste Artikel in der Neuen Juristischen Wochenschrift beschränkt wäre, hätte der Präsident des Landgerichts Köln vielleicht gerne. Dafür ist er aber 20 Jahre zu spät im Amt.
Anmaßend ist es, wenn ein Gerichtspräsident sich über den sprachlichen Duktus seines Konterparts mokiert. Wäre es nicht ein Fluch, wenn bloggende Anwälte so furztrocken daher schreiben müssten, wie Bürokraten es seit jeher für ihre unabänderliche Pflicht erachten?
Ist die selbst auferlegte Unfähigkeit eines Gerichtspräsidenten, über ein als misslich empfundenes Verfahren auch mal sprachlich zu schäumen wie Henkell Trocken, nun das Maß der Dinge? Findet gar das Grundrecht auf Meinungsfreiheit, das auch Anwälte für sich in Anspruch nehmen können, seine Grenze nun schon an der Empfindsamkeit eines leicht mimosigen Amtsträgers?
Dann hätte jedenfalls Bastian Sick eine wichtige Bastion verloren.
So weit kann man die Versuche des Gerichtspräsidenten ja noch mit einem Lächeln verfolgen. Traurig ist allerdings, wie betriebsblind er auf die Obrigkeitsmasche setzt. Ihm geht es um Disziplinierung auf dem Dienstweg, angesichts der Beharrlichkeit seiner Eingaben womöglich auch handfest um Einschüchterung all jener Anwälte, die vielleicht in Zukunft mal erzählen wollen, was sie in seinem Betrieb so erleben. (Wobei das ja nicht immer unbedingt negativ sein müsste.)
Offenbar ist dem Präsidenten des Landgerichts gar nicht klar, wie arm das aussieht, wenn er der Anwaltskammer ansinnt, aus einem vermeintlich höherrangigen Interesse gegen eine Bombenbauerin die Verfasserin gedruckter Worte vorzugehen.
Ich war bei den Prozessen nicht dabei, also kann ich nicht ausschließen, dass Rechtsanwältin Jakobs in ihren Berichten falsche Tatsachen behauptet oder gar die Ehre Beteiligter verletzt. Aber sollte das so sein, dann können die Betroffenen oder von mir auch der Gerichtspräsident als ihr Dienstherr doch mit offenem Visier dagegen angehen.
Was bedeuten würde, klipp und klar zu sagen, womit man nicht einverstanden ist. Und, von mir aus, die Äußerungen abzumahnen und notfalls zu klagen. Damit muss jeder Blogger rechnen, Anwälte nicht ausgenommen. So lange sich in dieser Richtung nichts tut, muss sich der hohe Herr in Köln den Vorwurf gefallen lassen, die Meinungsfreiheit unlauter zu traktieren.