Nichts – und das 72 Monate

Ich liebe die Vorschläge von Schuldnerberatungen:

Der Schuldner kann keine Zahlungen leisten. Diese Summe wird prozentual, entsprechend des Anteils an den Gesamtverbindlichkeiten, auf alle Gläubiger verteilt und 1 x jährlich zur Auszahlung gebracht. Dies gilt für einen Zeitraum von 72 Monaten.

Ein wirklich vielversprechendes Angebot. Wer würde dazu schon nein sagen?

“Fremdgelder”, die es gar nicht gibt

Betrüger haben sich anscheinend international tätige Anwaltskanzleien als Angriffsziele ausgesucht. Die Rechtsanwaltskammer Hamburg veröffentlicht den Erfahrungsbericht eines Anwalts, dessen Sozietät um rund eine halbe Million US-Dollar geprellt werden sollte.

Die “Vorarbeiten” sahen so aus:

Anfang September 2011 wurden wir über unser Shanghaier Büro von einem vermeintlich japanischen Unternehmen kontaktiert. Dieses gab an, eine Kaufpreisforderung in Höhe von ca. 1,9 Millionen USD gegen eine tatsächlich existierende Firma in Hannover zu haben. Es wurde eine Passkopie des Anfragers übermittelt.

Außerdem erhielten wir diverse Dokumente, die ihrem äußeren Anschein nach einen normalen kaufmännischen Vorgang zu dokumentieren schienen.

Bevor wir an den Gegner herantreten konnten, hatte die Mandantschaft
diesen bereits informiert. Der Gegner meldete sich daraufhin per Email, uns anzukündigen, dass er zur Vermeidung einer streitigen Auseinandersetzung in Kürze eine halbe Million USD an uns zahlen werde. Mit Email wurde uns sodann vom Schuldner bestätigt, dass die Zahlung „abgeschickt“ wurde und bei uns „abgegeben“ werden würde.

Die Anwälte waren aber vom Bundeskriminalamt, das wohl schon in vergleichbaren Fällen ermittelt, vorgewarnt. Sie kündigten sofort das Mandat, das wahrscheinlich ohnehin keines war. Ansonsten wäre es wahrscheinlich wie folgt gelaufen:

Wir erhalten einen Verrechnungsscheck über 500.000,00 USD, den wir zum Einzug geben und der uns bedingungsgemäß am nächsten Banktag gutgeschrieben wird („Eingang vorbehalten“). Sodann werden wir gebeten, wegen des dringenden Liquiditätsbedarfes der Mandantin den Fremdgeldbetrag schnellstmöglich an diese weiterzuleiten, dabei jedoch unser Honorar einzubehalten. Wenige Tage später käme der Rückscheck und wir säßen auf einem Schaden von einer halben Million USD.

Wer also einen Scheck auf dem eigenen Konto einlöst, darf sich zwar über den Eingang freuen, sollte sich aber nicht in Sicherheit wiegen. Zwar schreibt die eigene Bank den Scheckbetrag meist innerhalb von ein, zwei Tagen gut. Dies geschieht aber immer unter dem Vorbehalt, dass die Bank des Scheckausstellers das Geld tatsächlich überweist.

Platzt der Scheck, wird auch die Gutschrift auf dem eigenen Konto rückgängig gemacht. Und dabei spielt es keine Rolle, ob der Scheckempfänger das vermeintlich erhaltene Geld vielleicht schon an Dritte gezahlt hat. Im Zweifel zahlt also der leichtgläubige Scheckempfänger zunächst die Zeche. Ob und von wem er sein Geld wiederkriegt, ist dann seine Sache.

Wer auf Nummer Sicher gehen will, lässt sich also von der eigenen Bank bestätigen, dass sie das Geld bekommen hat und die Gutschrift deshalb wasserdicht ist. Ich werde bei mir im Büro auch gleich noch mal darauf hinweisen…

Staatsanwaltschaft lässt sich bestehlen

Wenig Freude an seiner Beute dürfte ein Bilderdieb haben, der sich ausgerechnet im Panzerschrank der Staatsanwaltschaft Essen bediente. Aus dem Tresor verschwand zwischen 2005 und 2006 ein beschlagnahmtes Gemälde, bei dem es sich um einen echten Renoir gehandelt haben könnte. Aber, so das Landgericht Dortmund, nicht hat.

Der Eigentümer des Gemäldes, gegen den strafrechtlich ermittelt wurde, wollte sich verständlicherweise nicht damit abfinden, dass offensichtlich Langfinger ausgerechnet zur  Asservatenkammer einer deutschen Staatsanwaltschaft Zugang haben. Für seinen aus der Obhut der Strafverfolger verschwundenen Renoir, der ein nach dem Motiv “Mädchen mit Orange” heißen soll, verlangte er vom Land Nordrhein-Westfalen 32 Millionen Euro Schadensersatz.

Das Landgericht Dortmund verhandelte heute die Klage. Pech für den Eigentümer: Ein Kunstsachverständiger hat 2005 das Bild in der Behörde angesehen und Fotos davon gemacht. Der Eigentümer des Bildes bestritt heute zwar vor Gericht, dass die Fotos des Sachverständigen das Gemälde zeigen. Die Richter glaubten aber dem Sachverständigen und legten die Bilder einer weiteren Expertin vor, die sich besonders gut mit Renoirs auskennen soll.

Diese Sachverständige kam zu einem eindeutigen Ergebnis. Das vermeintliche Original sei nur ein billiger Faksimiledruck und ohne eigenen Wert. Das Gericht glaubte ihr und wies die Klage heute ab. Das Land Nordrhein-Westfalen, so hieß es in der mündlichen Urteilsbegründung, habe seine Pflichten verletzt. Der Kläger gehe aber leer aus, weil er keinen Schaden habe.

Für den Ruf der Essener Staatsanwaltschaft dürfte der Prozess in doppelter Hinsicht nicht förderlich sein. Die Behörde hat sich nämlich nicht nur beklauen lassen. Sie hat es bis heute auch nicht geschafft, den Täter zu ermitteln.

Milde gegenüber zu Guttenberg

Es wird wahrscheinlich keine Anklage gegen Karl-Theodor zu Guttenberg erhoben. Das berichtet Zeit online. Die Staatsanwaltschaft Hof soll erwägen, das Verfahren wegen der plagiierten Doktorarbeit des früheren Verteidigungsministers gegen Zahlung einer Geldauflage einzustellen.

Strafrecht sollte unbeeinflusst bleiben von Politik. Vor diesem Hintergrund bin ich der Meinung, so eine Einstellung geht durchaus in Ordnung. Guttenberg hat zwar abgeschrieben und damit Urheberrechte verletzt. Wenn ich die bekannten Taten des Ex-Politikers mit anderen Fällen vergleiche, ist das Ergebnis ziemlich eindeutig: Auch ein Beschuldigter ohne Promibonus (bzw. –malus) müsste nicht damit rechnen, vor Gericht gezerrt zu werden – die Zuständigkeit eines umsichtigen Staatsanwalts vorausgesetzt.

Für die alltäglichen Urheberrechtsverletzungen, z.B. Filesharing, bringen die Strafverfolger schon länger kein Interesse mehr auf. Für sie gilt die Anweisung, selbst Fälle mit einigen hundert raubkopierten Liedern einfach einzustellen. Sogar bei Festplatten mit tausenden MP3s und Filmen zweifelhafter Herkunft wird nicht groß gefragt, sondern im Normalfall ohne weitere Ermittlungen gleich ein Auge zugedrückt.

Natürlich geht es im Fall zu Guttenberg nicht nur um Massenware, das heißt möglichst preisgünstiges Futter für den iPod. Er hat durch sein Verhalten seiner Universität, seinen Professoren und der Wissenschaft insgesamt geschadet. Aber in der Folgezeit hat sich ja herausgestellt, dass er nicht allein auf weiter Flur plagiiert hat. Auch andere Ertappte haben mittlerweile ihren Doktortitel abgegeben.

Der wirtschaftliche Schaden seines Verhaltens wird kaum messbar sein. Er ist, zumindest nach meiner Kenntnis nicht vorbestraft. Die Gefahr, dass er ohne einen Gang vor den Strafrichter erneut böse Dinge tun wird, ist sicher auch nicht größer als bei einem Beschuldigten, dessen Name es nie in die Presse schafft.

Eine Einstellung gegen Geldauflage lässt das Gesetz zu, wenn die Auflage das öffentliche Interesse an einer Strafverfolgung auf Null reduziert und die Schwere der Schuld nicht entgegensteht. Wenn man mal den Namen zu Guttenberg und den Riesenwirbel um die Sache selbst ausblendet, darf die Staatsanwaltschaft Hof mit gutem Grund milde sein.

Jack-Bauer-Stil

Der Reemtsma-Entführer Thomas Drach hat sich heute zum Auftakt eines neuen Prozesses gegen ihn geweigert, beim Transport vom Gefängnis ins Gericht eine Augenbinde zu tragen. Das Gericht hatte die Binde zwar nicht angeordnet, aber die mit dem Transport beauftragte Sondereinheit der Hamburger Polizei hielt sie für erforderlich. Nachdem Drach sich weigerte, die Binde aufzusetzen, ordnete das Gericht seine Zwangsvorführung für den Nachmittag an – einschließlich des “Sehschutzes”.

Solche Maßnahmen kennt man in der Öffentlichkeit ansonsten nur vom Bundeskriminalamt. Dessen Mitarbeiter lassen es sich insbesondere bei der Festnahme von Terrorverdächtigen nicht nehmen, die Beschuldigten bei der Landung des Hubschraubers am Bundesgerichtshof in Karlsruhe in roter Gefangenenkluft und überdies blind zum Ermittlungsrichter zu führen. Zufälligerweise geschieht dies immer so, dass die am Geländerand postierten Paparazzi stets einen Schnappschuss kernig dahinschreitender Beamter und guantanamomäßig gefesselter Verdächtiger machen können.

Nun also ein ähnliches Prozedere beim Reemtsma-Entführer. Auch wenn dieser als gefährlich und fluchtgeneigt eingestuft wird, begibt sich das Gericht mit der Augenbinde auf rechtlich unsicheres Terrain.

Drach ist derzeit Strafgefangener, so dass für ihn in erster Linie die Vorschriften des Strafvollzugs und nicht die für Untersuchungsgefangene gelten. Danach ist es Sache des Anstaltsleiters, die Sicherungsmaßnahmen für einen Transport zu klären. Das Hamburger Strafvollzugsgesetz, aber auch das des Bundes kennen als “besondere Sicherungmaßnahme” in diesem Zusammenhang nur die Fesselung des Gefangenen. Andere Maßnahmen sind auch nicht entsprechend erlaubt. Eine entsprechende Anordnung des Anstaltsleiters wäre also rechtswidrig.

Was das Gericht anordnen darf, ist dagegen nicht so genau geregelt. Nach dem Gerichtsverfassungsgesetz steht dem Vorsitzenden die “Sitzungspolizei” zu. Die sitzungspolizeiliche Gewalt beginnt und endet aber spätestens am Gerichtsgebäude, das heißt die Ausführung des Transports kann das Gericht nicht über seine Befugnisse im Rahmen der Sitzungspolizei steuern.

Bleiben nur die Regelungen über die Untersuchungshaft. Wenn man sie denn anwenden will, obwohl Drach ja in Strafhaft sitzt, kann das Gericht zur Abwendung einer Fluchtgefahr “Beschränkungen” anordnen. Dazu kann auch die Fesselung des Angeklagten gehören. Auch eine “Blendung” des Angeklagten ist sicher eine denkbare Maßnahme – auch wenn sie in der Fachliteratur, die ich zu Rate gezogen habe, noch nicht einmal erwähnt wird.

Ich persönlich meine, dass ein Gericht die Maßnahme nicht anordnen kann. Wenn die Regeln für den Strafvollzug einen eindeutigen Katalog enthalten, der Augenbinden gerade nicht vorsieht, wird man diese bei der Untersuchungshaft kaum in den ohnehin sehr schwammigen Begriff “Beschränkung” einsortieren können. Fluchtgefahr bleibt ja Fluchtgefahr, unabhängig ob sie im Strafvollzug oder in der Untersuchungshaft auftritt. Warum sollte einem Anstaltsleiter für seinen Strafgefangenen bei einem Transport weniger erlaubt sein als einem Gerichtsvorsitzenden?

Letztlich bleiben ohnehin zwei Fragen. Die nach der Verhältnismäßigkeit. Und ob Augenbinden noch mit dem Anrecht eines jeden Menschen vereinbar sind, vom Staat nicht zu einem bloßen Objekt herabgewürdigt zu werden. Drachs Anwalt bezeichnete den Transport seines Mandanten heute als “Angriff auf die Menschenwürde”. Dem würde ich zustimmen. Außerdem tut martialisches Auftreten der Staatsmacht, noch dazu im Jack-Bauer-Stil, einem demokratischen Gemeinwesen niemals gut. 

Facebook erleichtert Polizeiarbeit

Ich erzähle schon länger, dass Facebook bei der Polizei als Fahndungshilfe angekommen ist. Gerade im Bereich der Jugendkriminalität schauen Beamte gern auf die Pinnwände von Beschuldigten und Zeugen. Der Satz “Den kenne ich nicht, nie gesehen” geht dann bei einschlägigen Party- und Ausflugsfotos mitunter nach hinten los.

Ein anderes Beispiel, noch dazu aus dem eher harmlosen Bereich der Ordnungswidrigkeiten, kursiert derzeit im Netz. Da teilt die Polizei einer vermeintlichen Temposünderin mit, sie sei über Fotos auf der Facebook-Seite ihres Ehemannes als Fahrerin identifiziert worden. Der Ehemann ist der Halter des Wagens.

Das Schreiben (Quelle) sieht so aus:

111013a

Darf die Polizei so was überhaupt? Ja, lautet die Antwort jedenfalls im Fall Facebook. Sofern der Inhalt der Seiten öffentlich, wenn auch vielleicht nur für Facebook-Mitglieder, zugänglich ist, darf auch die Polizei drauf schauen. Das ist dann im Kern eine ganz normale Ermittlungsarbeit, die vom Auftrag der Polizei gedeckt ist.

Ein Beamter darf ja auch die Zeitung lesen. Nachbarn befragen. Oder sich sogar vor der Haustür der “Verdächtigen” auf die Lauer legen, um zu sehen, ob sie dem Messbild ähnlich sieht. So was war bisher durchaus auch üblich. Die Bezirksbeamten in Nordrhein-Westfalen verbringen einen guten Teil ihres Arbeitstages mit der Ermittlung von Temposündern.

Wie man sieht, macht Facebook für sie die Sache nicht nur einfacher. Sondern auch bequemer.

Senden Sie uns einen E-Postbrief

Mit einem kleinen Gewinnspiel macht die Deutsche Post auf Facebook (Eintrag vom 5. Oktober) für ihren E-Postbrief Reklame:

Wir verlosen 3×2 Tickets für das Bundesligaspiel 1. FC Köln gegen Borussia Mönchengladbach am 25.11. im RheinEnergieStadion. Schicken Sie uns bis zum 31. Oktober einfach einen E-POSTBRIEF an fc-tickets@deutschepost.epost.de

Die PR hat die Post wahrscheinlich nötig, ist ihr doch neulich erst gerichtlich untersagt worden, den E-Postbrief als einsatztauglich für alle Rechtsgeschäfte anzupreisen. Was er nicht ist, weil der E-Postbrief nicht die eigenhändige Unterschrift ersetzen kann. Das Landgericht Bonn stufte den Slogan „Der E-Postbrief ist so sicher und verbindlich wie der Brief“ demgemäß schlicht als unwahr ein.

Nun wäre an dem Preissausschreiben vielleicht alles in Ordnung, wenn der E-Postbrief kostenlos wäre. Die Übersendung der Nachricht als E-Postbrief, die ja an sich nur eine E-Mail ist, kostet den Nutzer aber schon mal 55 Cent – auch an eine Adresse der Post.

Wer also teilnehmen will, muss also entweder (kostenpflichtig) E-Postbriefe versenden können. Oder er muss sich gar erst für den E-Postbrief anmelden, wenn er eine Gewinnchance haben will.

Solche Koppelungen sind, sagen wir es mal so, rechtlich durchaus riskant. Wie ein Blick in § 4 Nr. 6 des Gesetzes gegen den unlauteren Wettbewerb zeigt:

Unlauter handelt insbesondere, wer die Teilnahme von Verbrauchern an einem Preisausschreiben oder Gewinnspiel von dem Erwerb einer Ware oder der Inanspruchnahme einer Dienstleistung abhängig macht…

(Danke an Frank N. für den Hinweis)

Partnerbörsen: Männer zahlen, Frauen nicht

Ausgesprochen pfiffig argumentierte der männliche Kunde eines Dating-Portals, der keine weiteren Mitgliedsbeiträge für die Partnersuche zahlen wollte. Der Mann hatte festgestellt, dass Frauen auf der Internetseite für die gleiche Leistung (Premium-Mitgliedschaft) nichts zahlen müssen, während er 99 Euro dafür auf den Tisch zu legen hatte.

Der Kunde sah darin eine geschlechtsbezogene Diskriminierung und somit einen Verstoß gegen das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz. Nach seiner Auffassung war der Vertrag deshalb unwirksam. Eine Sicht, der sich das Amtsgericht Gießen, in Person eines männlichen Richters, nicht anschließen wollte.

Der Richter bejahte zwar eine Ungleichbehandlung, sah dafür aber einen sachlichen Grund. Durch eine kostenlose Mitgliedschaft gelockt, würden sich auf jeden Fall mehr Frauen anmelden. Das wiederum komme auch den männlichen Kunden der Plattform zugute. Hierdurch stehe den Männern “eine größere Auswahl an potentiellen Partnern” zur Verfügung.

Stillschweigend geht das Gericht offenbar davon aus, dass auf Singlebörsen meist ein Ungleichgewicht zugunsten von Frauen besteht. Vor diesem Hintergrund ist das Argument, die kostenlose Mitgliedschaft für Frauen führe zu einer Win-Win-Situation, nicht von der Hand zu weisen.

Amtsgericht Gießen, Urteil vom 26. Mai 2011, Aktenzeichen 47 C 12/11 / via neubauerlaw.de

Willkür am Jugendgericht

Immer wieder gibt es Streit darüber, ob und wann ein Verteidiger eine schriftliche Vollmacht vorlegen muss. Die höheren Gerichte urteilen zwar regelmäßig, dass die Strafprozessordnung die Vorlage einer schriftlichen Vollmacht nicht vorsieht; allenfalls bei konkreten Zweifeln am Mandat des Anwalts dürfe ein Nachweis verlangt werden. Das hindert aber viele Amtsrichter und insbesondere auch Bußgeldstellen nicht daran, immer wieder auf eine schriftliche Vollmacht zu pochen.

Besonders hart traf es in letzter Zeit den Gladbecker Strafverteidiger Thomas Wings, der übrigens auch ein Blog hat. Ein Jugendrichter am Amtsgericht Gladbeck verlangte in allen Fällen eine schriftliche Vollmacht – sonst dürfe Wings die Akte nur auf der Geschäftsstelle einsehen. Der Streit eskalierte bis zum Bundesverfassungsgericht. Die Karlsruher Richter schlugen sich nun auf die Seite des Gladbecker Anwalts. Die Praxis des Jugendrichters stufen sie schlicht als Willkür ein.

Ausschlaggebend für das Verfassungsgericht ist, dass die Anordnung des Richters schon keinen Sinn ergibt. Bestehen Zweifel an der Bevollmächtigung, kann der Richter eine schriftliche Vollmacht verlangen. Den Anwalt aber auf die Geschäftsstelle zu zitieren und ihm dann (ohne Vollmachtsnachweis) dort Akteneinsicht zu gewähren, bewerten die Karlsruher Richter im Ergebnis als simple Gängelei. Sie erkennen deshalb einen Verstoß gegen den Gleichheitsgrundsatz.

Eine abschließende Entscheidung zur Vollmachtsfrage trifft das Bundesverfassungsgericht nicht. Allerdings enthält der Beschluss zwischen den Zeilen doch das deutliche Signal, dass man in Karlsruhe die Sache wohl so sieht wie die meisten Obergerichte. Dass eine schriftliche Vollmacht nämlich nur verlangt werden darf, wenn das Gericht an einem Mandat zweifelt. Klar ist auch, dass diese Zweifel auf tatsächlichen Anhaltspunkten im konkreten Fall beruhen müssen. Bloße Vorbehalte eines Richters gegen die bösen Anwälte reichen dem Verfassungsgericht offensichtlich nicht aus.

Hier ist die Entscheidung nachzulesen.

Post aus Gammelsdorf

Die Paid Content GmbH aus dem beschaulichen Gammelsdorf betreibt unter anderem die Internetseite mitfahrzentrale-24.de. Unter “Kundeninformationen” am rechten Rand der Registrierungsseite ist im Fließtext erwähnt, dass die Mietgliedschaft auf der Seite 12 Euro im Monat kostet und der Vertrag mindestens zwei Jahre läuft.

Viele Nutzer lesen das sicher einfach nicht. Auch deswegen, weil niemand annimmt, die bloße Anmeldung bei einer Mitfahrzentrale könne kostenpflichtig sein. Wo doch beim, sagen wir, seriösen und tatsächlich nennenswert aktiven Teil der Branche allenfalls die Vermittlung konkreter Fahrten provisionspflichtig ist. Der eine oder andere wird auch gegen seinen Willen von Scherzbolden angemeldet werden – einen Identitätscheck macht die Paid Content GmbH offensichtlich nicht.

Sie konzentriert sich stattdessen darauf, ihre vermeintlichen Gebühren einzutreiben. Auf einen meiner Mandanten, der sich noch nicht mal selbst angemeldet hat, prasselte in den letzten Wochen eine wahre Flut von Mahnungen nieder. Wobei die Paid Content GmbH auch noch ein Inkassobüro nutzt, das parallel Briefe schreibt.

Ich habe bereits mitgeteilt, dass mein Mandant nicht zahlt und weitere Korrespondenz deshalb fruchtlos bleiben wird. Trotzdem schickt die Paid Content GmbH jetzt sogar einen Klageentwurf. Am schönsten finde ich folgenden Satz:

Die Zahlungsunwilligkeit im Internet sowie häufige Identitätsverschleierungen stellen den E-Commerce vor Probleme, die der Volkswirtschaft schaden. Daher kann nicht hingenommen werden, dass Forderungen – auch Kleinstforderungen – unverfolgt bleiben.  

Falls die Klage eingereicht wird, freue ich mich schon auf die Erwiderung. Ich werde dann etwas näher darlegen, wie Seiten vom Schlage der mitfahrzentrale-24.de ebenfalls dem E-Commerce Probleme bereiten und der Volkswirtschaft schaden. Und dass es unbedingt geboten ist, sich unberechtigten Forderungen – auch Kleinstforderungen – entschieden zu widersetzen.