Neulich haben wir im Fall Strauss-Kahn noch über den Perp Walk in den Vereinigten Staaten gestaunt. Dort werden Verhaftete gern so zu ihren Gerichtsterminen geführt, dass die Presse ausreichend Zeit hat, die gefesselten, unrasierten und übernächtigten Beschuldigten in möglichst unvorteilhafter Pose zu fotografieren.
Was in den USA Methode hat, gibt es in Deutschland mittlerweile auch – zumindest im bayerischen Passau. Allerdings ist der Perp Walk dort offiziell profaneren Gründen geschuldet. Dem Gefängnis fehlt nach eigenen Angaben schlicht das Geld, Gefangene im Auto zu transportieren. Stattdessen werden Häftlinge gefesselt und in Anstaltskleidung am hellichten Tag öffentlich vorgeführt – und zwar in der örtlichen Fußgängerzone.
Die Passauer Neue Presse schildert den aktuellsten Fall:
Ein Häftling der Justizvollzugsanstalt (JVA) wurde in Handschellen gekettet von zwei Beamten begleitet mitten durch die Fußgängerzone geführt. Der junge Mann trug zudem Anstaltskleidung. Ein für alle Beteiligten sichtlich unangenehmer Vorgang. Die Gäste in den Straßencafés waren irritiert, Mütter nahmen ihre Kinder schützend beiseite und dem Häftling selbst war das unangenehme Gefühl der öffentlichen Zurschaustellung merklich anzusehen.
Kein Einzelfall, räumt die Haftanstalt ein. Der Perp Walk sei aber Sachzwängen geschuldet. So hat das Gefängnis nach Angaben der stellvertretenden Leiterin kein eigenes Auto – und überdies keinen Abstellplatz für ein Fahrzeug. Außerdem fehle das Geld für einen Anstaltsarzt. Ein Allgemeinarzt mache zwar Visite im Knast. Andere Ärzte müssten die Gefangenen aber in deren Praxis aufsuchen. Der von der Lokalzeitung geschilderte Marsch durch die in der Nähe des Gefängnisses gelegene Fußgängerzone führte zu einem Zahnarzt.
Immerhin zeigt das Passauer Gefängnis Problembewusstsein. Man bemühe sich schon länger darum, die Gefangenen zu Zeiten auszuführen, in denen die Fußgängerzone möglichst leer sei. Auf die Anfrage der Lokalpresse will das Gefängnis nun prüfen, ob Gefangenen in Zivilkleidung und ungefesselt zum Arzt gebracht werden können. Sollte das nicht möglich sein, sollen sie ihr Aussehen verändern dürfen – “zum Beispiel durch Tragen einer Brille oder Kopfbedeckung”.