Wer hätte das gedacht? Ausgerechnet die Staatsanwaltschaft Frankfurt ermöglicht es dem verurteilten Kindesmörder Magnus Gäfgen, in den Schlagzeilen zu bleiben. Gäfgen kann nämlich dank pfiffiger Staatsanwälte demnächst einen neuen Prozess gegen den Staat führen – und wird ihn aller Voraussicht nach sogar gewinnen.
Eine Frankfurter Oberstaatsanwältin erklärte heute, die gestern von Gäfgen vor dem Landgericht Frankfurt erstrittene Entschädigung von 3.000 Euro werde mit seinen Schulden aufgerechnet. Mit 71.000 Euro soll Gäfgen bei der Justizkasse in der Kreide stehen; hierbei handelt es sich um die Kosten des gegen ihn geführten Strafverfahrens.
Grundsätzlich ist es zulässig, dass der Staat eigene Forderungen mit Ansprüchen eines Verurteilten aufrechnet. Aber kein Grundsatz ohne Ausnahme. Für Entschädigungen, die auf einer Verletzung der Grund- und insbesondere der Menschenrechte des Betroffenen beruhen, darf der Staat diese Aufrechnung jedenfalls nicht erklären.
Dies hat der Bundesgerichtshof erst vor wenigen Wochen in aller Deutlichkeit entscheiden. In diesem Fall hatte ein Häftling wegen menschenunwürdiger Unterbringung geklagt. Er erhielt ebenfalls eine Entschädigung zugesprochen. Auch diesen Betrag wollte die Justiz mit den Verfahrenskosten verrechnen. Der Bundesgerichtshof sieht hierin einen Verstoß gegen Treu und Glauben:
Eine Zulassung der Pfändung eines aus einer menschenunwürdigen Haftunterbringung herrührenden Entschädigungsanspruchs zur Befriedigung offener Verfahrenskosten würde die Funktion der Genugtuung, der Sanktion und der Prävention ebenso ins Leere laufen lassen wie die Zulassung einer Aufrechnung. Denn mit dem Zugriff auf die Forderung des Strafgefangenen würden deren nachteilige Wirkungen verblassen.
Der Staat würde sich, so die Richter, auf diese Weise eine Befriedigung der wirtschaftlich wertlosen Forderung verschaffen und gleichzeitig den mit der Zuerkennung des Entschädigungsanspruchs verfolgten Zweck umgehen.
Das Landgericht Frankfurt hat die Entschädigung schon in der mündlichen Urteilsbegründung ausdrücklich als “Strafe für das Land Hessen” bezeichnet. Auch hier wird es der Justiz also nicht möglich sein, mittels eines Tricks den mit der Strafe verbundenen Zweck zu vereiteln.
Entweder kennt die Oberstaatsanwältin die Entscheidung nicht. Oder sie ignoriert sie bewusst, um ihre Behörde entgegen der Rechtslage markig als “Retter in der Not” zu präsentieren. Der spätere Reinfall ist jedenfalls programmiert – und Gäfgen wird sich erneut im Licht der Öffentlichkeit sonnen.