Sehr schlau vom Angestellten eines Elektromarkts, Geldbörse und Handy in eine Schublade am Infoterminal zu legen – und diese Schublade auch noch offen stehen zu lassen. Eines Abends waren die Wertsachen weg, und die hauseigene Security checkte die Überwachungsvideos. Die spätere Auswertung durch die Polizei ergab dann den Verdacht, mein Mandant sei Mittäter oder Gehilfe des Diebstahls. Bemerkenswert an der Geschichte ist, wie sich der zuständige Krip-Beamte das alles gemeinsam mit Verkäufern des Elektromarktes zusammengereimt hat.
Der Angestellte sah auf dem Videoband, dass mein Mandant um 19:31 Uhr und 5 Sekunden den Elektromarkt betrat. Er erinnerte sich, dass mein Mandant schon mal am Nachmittag da gewesen war; er hatte einen Blue-Ray-Player gekauft. Fakt ist weiter, dass derjenige, der in die Schublade griff, um 19.30 Uhr und 36 Sekunden den Markt betrat. Das war etwa eine halbe Minute, bevor mein Mandant abends durch die Eingangsschleuse ging.
Um 19.33 Uhr und 31 Sekunden greift der Dieb in die Schublade. Er nimmt das Handy und die Geldbörse an sich und verlässt zügig den Laden. Nun haben die Kameras aber auch aufgezeichnet, dass mein Mandant in diesem Augenblick ungefähr zehn Meter weiter an einer Auslage steht. Dort spricht er mit dem einzigen Mitarbeiter, der um diese Uhrzeit in der Abteilung Dienst gehabt haben soll.
Die Polizei legte das nun so aus, dass mein Mandant den Dieb kennt und den “einzigen Zeugen” (so steht es in der Anzeige) ablenkte, damit die Tat nicht auffällt. Als unschlagbarer Beweis wird eine weitere Videosequenz herangezogen. In der geht mein Mandant an eben jenem Infoterminal vorbei. Wenn man viel Fantasie aufbringt, könnte man der Meinung sein, mein Mandant habe abends im Vorbeigehen in Richtung der offenen Schublade des Infoterminals geguckt. Ebenso fair muss man aber feststellen, dass der gerade Weg vom Eingang zu dem Regal, an dem mein Mandant mit dem Verkäufer sprach, an diesem Infoterminal vorbeigeht.
Dass mein Mandant keine redlichen Absichten hatte, leitet die Polizei übrigens aus dem Umstand her, dass er schon zum zweiten Mal an diesem Tag in den Markt gekommen ist. Da kann doch was nicht koscher sein – sagt zumindest die kriminalistische Erfahrung. War es aber wohl doch. Mein Mandant berichtet jedenfalls recht glaubwürdig, dem Player habe kein HDMI-Kabel beigelegen. Den Verkäufer, den er angeblich bewusst ablenkte, will er nur nach einem passenden Kabel gefragt haben.
Interessanterweise gibt es keine Sequenz, auf der mein Mandant und der Dieb nahe zusammen sind. Oder gar miteinander sprechen. Aber auch das irritierte den Polizeibeamten nicht. Denn er schreibt, der Verkäufer habe gesagt, er habe das Gefühl gehabt, dass sich die beiden kennen. Worauf dieser Eindruck beruhte, ist leider nicht festgehalten.
Womöglich hat sich der Beamte auch gedacht, er kann es ja mal versuchen. Von meinem Mandanten war nämlich Name und Adresse im System des Elektromarktes. Die Daten hatte er nachmittags angegeben, als er den Blu-Ray-Player kaufte. Vom eigentlichen Dieb gibt es dagegen nur das Video. Aber diese Person erkannte niemand.
Der einzige Anknüpfungspunkt waren also Name und Adresse meines Mandanten. In die Bilder wurde also enorm viel hineininterpretiert, was gar nicht zu sehen ist. Womöglich nur um meinen Mandanten mal auf gut Glück vorladen zu können. Die Freude, nun Beschuldigter zu sein, hätte also an sich jeden treffen können, der zur falschen Zeit am falschen Ort ist – obwohl er selbst gar nichts Böses macht.
Positiv ist, dass der Staatsanwalt wohl ebenfalls keine Fakten sah, um einen Anfangsverdacht gegen meinen Mandanten zu hegen. Auf mein dreiseitiges Schreiben, in dem ich die Videoaufnahmen etwas anders als die Kripo interpretiere, stellte er die Sache “mangels Tatverdachts” ein.
Auf den Anwaltskosten bleibt mein Mandant allerdings sitzen. Insofern war das “Schnäppchen” in Form des Blu-Ray-Players am Ende doch keins.