Gestern habe ich einen Mandanten im Gefängnis besucht. Ein Mitarbeiter öffnete mir die Tür zum Besprechungszimmer. Dann legte er noch ein Blatt Papier auf den Tisch. Ich wollte das dankend zurückgeben, weil ich einen Notizblock dabei hatte. “Nein”, winkte der Justizbeamte ab. “Das ist der Fragebogen. Den füllen wir nach dem Besuch gemeinsam aus.”
Das Papier war in der Tat fast selbsterklärend. Nach meinen Personalien und den Angaben zum Mandanten hieß es:
Im Ergebnis haben sich nach Rücksprache mit dem Verteidiger für den Vollzug der Untersuchungshaft folgende Hinweise ergeben.
Im Feld darunter sollte nun alles eingetragen werden, was mir am Mandanten auffällt. “Wenn er von Selbstmord spricht”, lockte mich der Gefängnismitarbeiter. “Oder er mir zum Beispiel erzählt, dass die Zeit schnell vergeht, weil er ständig bekifft ist?” spann ich den Faden weiter.
“Zum Beispiel, Herr Anwalt”, kriegte ich recht trocken zurück. “Halt alles, was die Anstaltsleitung interessiert.” Ich setzte die Diskussion nicht fort. Was hätte meine Erklärung auch groß bewirkt? Den Fragebogen hat sich die Anstaltsleitung ausgedacht, also wird er halt im Besuchsraum ausgelegt.
Praktisch ist es schon eine Frage, ob ich mich als Verteidiger an dem Quiz beteilige. Beziehungsweise das überhaupt darf. Dinge, die mir mein Mandant berichtet, unterliegen erst einmal der Schweigepflicht. Ich kann also nicht so ohne weiteres hingehen und über Drogenkonsum plaudern, über ungenehmigte Handys oder Playstations, mit denen man auch Porno-DVDs gucken kann. (Sämtliche Beispiele rein fiktiv.)
Um nicht als Spielverderber da zu stehen, werde ich Mandanten künftig nach ihren Wünschen fragen. Gescheite Cola etwa, interessantere Bücher, fluffigere Bettlaken oder ein besserer Einkauf. Das schreibe ich dann in den Fragebogen. Ob’s was hilft, steht allerdings auf einem ganz anderen Blatt.