Zur richterlichen Unabhängigkeit gehört auch, wie das Urteil zu Papier gebracht wird. Die Zahl poetisch veranlagter Juristen, die ihrer Leidenschaft ausgerechnet “Im Namen des Volkes” frönen, hält sich in Grenzen. Sporadisch erblicken jedoch mehr oder weniger gut gereimte Urteile das Licht der Welt.
Zu den Klassikern gehören mittlerweile der angeblich versiffte Hocker, die Mahnung im Reimform und der besoffene Autofahrer.
Ein Amtsrichter aus Darmstadt hat nun offenbar das letzte Rechtsgebiet entdeckt, in dem gereimte Urteile die absolute Ausnahme sind. Das Strafrecht. Weil ein Angeklagter nicht zur Verhandlung erschien, erließ er knallhart einen Haftbefehl, wählte dafür aber den poetischen Ansatz:
Es besteht der Haftgrund des § 230 Abs. 2 Strafprozessordnung.
Der Angeklagte macht Verdruss,
weil er nicht kommt, doch kommen muss.
Und weil er heut ist nicht gekommen,
wird in U-Haft er genommen.
Zu diesem Zwecke nehmen wir
ein Stück Papier,
rot, DIN A 4
und sperren ihn dann sofort ein
in Staatshotel zu Preungesheim.
Ich persönlich finde so was grenzwertig. Wenn es um die Freiheit eines Menschen geht, ist Humor doch eher fehl am Platz – vor allem wenn der Witz auch noch auf Kosten des Beschuldigten gemacht wird.
Ich würde wahrscheinlich einen ganz humorlosen Befangenheitsantrag schreiben, schon um zu sehen, ob man so was vielleicht künftiger öfter lesen muss.